Schön und gut, ich bin jetzt wieder zu mir selbst zurück gekehrt, aber eine Frage beschäftigt mich noch: ist die Liebe nicht ein sehr sekundäres, periphäres, nebensächliches Phänomen, wenn am Ende doch wieder die Selbstbehauptung siegt?
Wir haben da die drei Teile eines ganzen, unteilbaren Menschen. Körper, Seele, Geist.
Der Mensch ist ganz und unteilbar und diese Einteilung hat nur insofern Bedeutung, soweit sie sich in ihrer Funktion unterscheiden.
In der Seele spüre ich die Zugehörigkeit zu dem anderen Menschen, fühle mich hingezogen, will die Nähe und finde Vereinigung im Körper. Soweit würde alles passen, wäre da nicht der analytische Geist, der seine Pfeile in die Seele schießt. Der Verwalter aller Strategien, mit denen der Mensch sein bisheriges Leben und alle Traumata (oft mehr schlecht als recht) zu bewältigen versucht. Der Geist, der moralische Konstrukte definiert, krampfhaft versucht, Seele und Körper in diese hinein zu pressen, und einen möglichen Partner fürs Leben gleich mit dazu.
Der Hass aber, ein manifester Männerhass, der vor Jahrzehnten bereits durch schwere Verletzungen entstanden ist, hat sich noch immer nicht aufgelöst. Er köchelt, im Alltag kaum zu bemerken, leise vor sich hin. Erst durch die seelische Nähe habe ich ihn zu spüren bekommen. Ich weiß nicht, ob ich diese Frau wirklich geliebt habe, ich weiß auch nicht wirklich, was Liebe ist. Für mich hat sie sich wieder einmal mehr als peripheres Phänomen gezeigt, das den Geist der Vernunft zerstört und alle Selbstschutzmechanismen abschaltet. Und manchmal frag ich mich, wozu das gut ist. Es kann doch nicht sein, dass das keinen Sinn hat.
Ich sage ja, ich habe geliebt, ich war ausreichend verwirrt und spüre den Schmerz nach der Trennung. Aber ich wollte auch noch etwas anderes. Ich habe die Frau "gesehen". Wärme, Liebe, aber auch viel Verachtung und Misstrauen. Und ich habe mich hingezogen gefühlt und wollte Verachtung und Argwohn auflösen, weil die seelische Nähe sonst nicht zu ertragen gewesen wäre. Aber man kann die Schutzwälle eines anderen Menschen nicht einfach niederreißen, die sich über Jahrzehnte manifestiert haben.
Sie hat auch sehr schnell gemerkt, dass ich mich nicht in ihrer Wärme und Liebe vergrabe, sondern direkt ihre Verachtung und ihr Misstrauen angreife. Das musste ich auch, wenn ich eine gemeinsame Zukunft erwog. Ich habe mich aber nicht besonders geschickt und diplomatisch angestellt und bin gescheitert.
Aber dennoch war es eine sehr interessante, kräfteraubende Begegnung.