Nachtzug nach Paris

„Die Angst davor, dass das Leben unvollständig bliebe, ein Torso; das Bewusstsein nicht mehr der werden zu können auf den hin man sich angelegt hatte. So hatten wir die Angst vor dem Tode schließlich gedeutet. Doch wie kann man sich, fragte ich, vor der fehlenden Ganzheit und Stimmigkeit des Lebens fürchten, wo man sie doch, wenn sie einmal zur unwiderruflichen Tatsache geworden ist, gar nicht mehr erlebt? ... Unser Leben, das sind flüchtige Formationen aus Treibsand, von einem Windstoß gebildet, vom nächsten zerstört. Gebilde aus Vergeblichkeit, die verwehen, noch bevor sie sich richtig gebildet haben.“


Aus *Nachtzug nach Lissabon*, von Peter Bieris.

Da die Titel sich ähneln, hab ich mich erinnert, das Buch mal gelesen zu haben.
Viel Erfolg dir beim Weiterschreiben:umarmen:
 
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das liest sich total spannend und gruselig, sowas mag ich. Daß Mädchen verschleppt werden und zur Prostitution gezwungen werden, ist allerdings ein nicht schönes Thema, aber es passiert eben leider:confused:
gibt ja auch Geschichten mit Happy End:thumbup:
 
„Die Angst davor, dass das Leben unvollständig bliebe, ein Torso; das Bewusstsein nicht mehr der werden zu können auf den hin man sich angelegt hatte. So hatten wir die Angst vor dem Tode schließlich gedeutet. Doch wie kann man sich, fragte ich, vor der fehlenden Ganzheit und Stimmigkeit des Lebens fürchten, wo man sie doch, wenn sie einmal zur unwiderruflichen Tatsache geworden ist, gar nicht mehr erlebt? ... Unser Leben, das sind flüchtige Formationen aus Treibsand, von einem Windstoß gebildet, vom nächsten zerstört. Gebilde aus Vergeblichkeit, die verwehen, noch bevor sie sich richtig gebildet haben.“


Aus *Nachtzug nach Lissabon*, von Peter Bieris.

Da die Titel sich ähneln, hab ich mich erinnert, das Buch mal gelesen zu haben.
Viel Erfolg dir beim Weiterschreiben:umarmen:

danke für den Auschnitt von Nachtzug nach Lissabon
natürlich habe ich das Buch gelesen... mein Mann hat es
mir abends vorgelesen und es ist eines meiner Lieblingsbücher


aber mein Nachtzug nach Paris passierte viel viel früher
und es war eine Nachtreise... genau so wie ich es beschreibe

es ist auch kein Roman, nur eine Kurzgeschichte


LG Ali:kiss4:
 


Eines Abends kam Anne zur Tür herein und überraschte mich beim Weinen. Sie setzte sich neben mich auf das Bett und legte tröstend den Arm um mich.
„Inzwischen bin ich sicher, dass du das Zeug zu deiner bevorstehenden Aufgabe hast“, sagte sie beruhigend. „Ich habe Erfahrung in dem Business. Du hast Klasse bewiesen, junge Mädchen mit Persönlichkeit und Mut, gibt es selten.“ Sie strich mir über das Haar. „Bist du Französin?“, fragte ich.
„Meine Heimat ist der Libanon, aber ich lebe schon viele Jahre in Frankreich.“ Ich hatte bei Anne, genau wie bei Achmed, eine Tätowierung eines Skorpions, am rechten Unterarm entdeckt und sprach sie jetzt darauf an: „Was bedeutet der?“
„Dass ich im weitesten Sinn, genauso Eigentum bin wie du jetzt auch, von einer sehr mächtigen Organisation.“ Sie schüttelte den Kopf. „Mehr darf ich dir dazu nicht sagen. Stelle mir keine Fragen mehr.“
„Das verstehe ich, Anne. Weiβt du, dass du für mich wie eine Freundin geworden bist?“ Sie nickte.
„Claudia, ich werde dir jetzt etwas verraten, was ich eigentlich nicht sagen darf. Wir haben schon zwei Anfragen für dich. Einer der Kunden ist aus Saudi Arabien, und unermesslich reich. Er ist an dir interessiert und wird Anfang der nächsten Woche eintreffen, zusammen mit unserem Chef.“
„Ich wollte lieber nach Ägypten.“
„Die wirklich reichen Kunden kommen aus Saudi Arabien.“

Die Woche war schnell vergangen. Es war mitten in der Nacht, als ich erwachte und Achmed hörte. Er setzte sich auf die Bettkante und zündete sich eine Zigarette an.
„Achmed?“ Ich setzte mich auf.
„Wie ich hörte, hast du gute Fortschritte gemacht.“ Achmed drückte seine Zigarette aus und legte sich zu mir.
„Aber ich komme nicht nach Ägypten, dort hättest du mich entführen können“, sagte ich ein wenig traurig. „Ich hätte auf dich gewartet.“ Er gab keine Antwort.

„Ich fühle genau wie mein Lieblingsphilosoph Camus, ich verweile eher im Intuitiven.“ Ja, mein Lieber, bei mir geht es um Gefühle und Leidenschaften. Freiheit ist für mich etwas Absurdes, ich habe nur die Möglichkeit einer Wahl, den Sisyphoskampf anzunehmen und ihm Sinn zu geben oder nicht. Was ich hiermit beweise. Ich bleibe in der Schwebe, im Ungewissen und bin deine Gefangene, aber ich bleibe ich selbst. Du dagegen drohst durch Sartre, der Gefahr von Einsamkeit oder Engagementforderung zu unterliegen und so folgt die Frustration. Aber letztendlich ergänzen wir uns, so antagonistisch wie wir beide nur sein können.“
Achmed hatte sich erneut aufgesetzt. „Ein Ereignis in der kleinen bunten Welt der Menschen ist nach Sartre, nur relativ absurd. Es bezieht sich immer auf die Umstände, die es begleiten“, entgegnete Achmed und lachte auf. „Was dir ein Narr erzählt, mag absurd sein, in Bezug auf die Situation, in der er sich befindet, aber nicht in Bezug zu seinem Geisteszustand.“ Er sah mich an. „Das ist die Erfahrung des Absoluten.“


Einige Tage später hörte ich spätabends das Geräusch eines sich nähernden Helikopters. Ich wusste, dass im hinteren Teil des Gartens ein Hubschrauberlandeplatz war. Die Geräusche des rotierenden Propellers hielten noch eine kurze Weile an, dann wurde der Motor abgeschaltet.
Ich lieβ das Licht ausgeschaltet und lief zum Fenster, beobachtete, wie drei Männer sich auf die Terrasse setzten. Zwei der Männer waren in arabischer Landestracht. Sie trugen lange weiβe Kaftane und hatten Kopftücher, die mit einer breiten Kordel am Kopf befestigt waren. Der dritte war im Anzug und er hatte eine Maschinenpistole bei sich. Erneut kam Panik in mir hoch und ich begann zu weinen. Plötzlich stand Achmed hinter mir. Ich schrak zusammen.
„Höre sofort auf zu weinen!“, befahl er mit kalter Stimme. „Oder willst du mit geschwollenen Augen dem Kunden vorgeführt werden?“
„Ist das noch heute?“ Mir schauderte, die Zeit lief davon und meine Hoffnungen schwanden dahin. Die Hoffnung, die ich anfangs noch hatte, dass die Polizei mich finden würde, wurde immer geringer.
Achmed hob achselzuckend die Schultern. „Das kommt auf die Laune des Scheichs an. Du kannst jederzeit gerufen werden. So wie ich die Typen kenne, wird er dich erst morgen im Laufe des Vormittags sehen wollen.“
 



Ich saβ da wie versteinert. Die Geschwindigkeit der Ereignisse überrollte mich. Ich hatte Angst, schreckliche Angst und schwieg bestürzt. Ich blickte hinaus in die Nacht und sprach meine Gedanken, die in mir plötzlich hochkamen in die Stille des Raumes hinein: „Ich weiβ nur um meine Auflehnung, meine Freiheit und meine Leidenschaft, Achmed.“ Das sprach ich sehr leise. „Ich gehorche einer Flamme in meinem Innersten.“
„Kennst du Alanus Ab Insulis?“, fragte Achmed. Er bot mir eine Zigarette an und nahm sich selbst eine.
„Wer ist dieser Alanus?“
„Er war ein französischer Scholastiker und sagte: «Das Gebet stellt sich ein, wenn die Nacht das Denken überkommt.» Es ist notwendig, wenn der Geist der Nacht begegnet“, fuhr Achmed fort. „Ich spreche nicht von dieser Nacht, die bei geschlossenen Augen entsteht. Das ist nichts weiter, als eine trübe und völlig dunkle Nacht, in der sich der Geist verliert. Wenn der Mensch der Nacht begegnen muss, so sollte es die klare Nacht der Verzweiflung sein. Eine Nacht, die hell bleibt, wie die Polarnacht. Verstehst du was ich damit sagen will?“
„Es ist die Nacht, aus der sich die Klarheit des Geistes erhebt, nicht wahr?“
Er nickte. „Auf dieser Stufe begegnet der Gleichmut dem leidenschaftlichen Begriffsvermögen und so wie du das Paradox jetzt aufzulösen glaubst, stellst du es wieder her. Die absurde Welt entsteht in ihrem Glanz und ihrer Schönheit und das ist erregend.“

 


Komm ins Bett“, sagte er und zog mich sanft mit sich. „Morgen ist ein neuer Tag.“ Achmed atmete einmal tief ein und wieder aus. „Ja, ich habe mich in dich verliebt, es geschah auf der Fahrt zwischen Paris und Marseille. Du schliefst und hattest den Kopf auf meinem Schoβ gelegt. Dein Gesicht, voller Unschuld. Später als du erwachtest, dein Auftreten und ich ahnte einem Rebell zu begegnen. Dein Lachen zeugte von einer unbeugsamen Kraft.“ Achmed küsste mich zart.
„Und du kommst mich später entführen?“ Ich wusste, es würde nie eintreten. Ich wusste auch, ich war verwirrt. War es doch das Stockholmsyndrom? Die Würfel waren längst gefallen. Achmed antwortete nicht. Er antwortete mit der Sprache seines Körpers, an den ich mich klammerte, wie eine Ertrinkende.

Es war frühmorgens als ich plötzlich erwachte. Meine Augen gewöhnten sich langsam an die noch fast Dunkelheit in meinem Raum. Ich hob leicht den Kopf und blickte um mich. Da gewahrte ich auf einmal die drei schwarz maskierten Männer mit Maschinenpistolen im Anschlag neben meinem Bett. Einer der Männer legte den Zeigefinger auf den Mund und bedeutete mir zu schweigen. Ich blickte neben mich zu Achmed, der weiterhin schlief. Es mussten Polizisten sein. Der Gleiche, der mir bedeute zu schweigen, machte mir mit lautlosen Zeichen verständlich, vorsichtig aus dem Bett zu steigen. Ich zitterte inzwischen am ganzen Körper, befolgte aber seine Anwesungen und schaffte es, ganz langsam und vorsichtig, ohne Geräusche zu verursachen, aus dem Bett heraus zu kommen. Genau in diesem Augenblick, erwachte Achmed. Er schien instinktiv zu spüren, dass irgendetwas nicht stimmte. Was jetzt folgte, geschah alles sehr schnell und simultan. Man könnte es als eine groβartige Choreografie von Ereignissen beschrieben. Wie in einem gut einstudierten Theaterstück, wusste jeder der Akteure ganz genau seinen Part zu spielen und handelte entsprechend sicher. Der Polizist hatte mich gepackt, drückte mich zu Boden und warf sich schützend auf mich. Achmed griff zu seiner Waffe, die er immer neben sich verwahrte und zielte auf einen der Männer. Ich blickte in das Mündungsfeuer der aufblitzenden Maschinenpistole und nahm wahr wie der Raum erfüllt war von den harten Detonationen der Schüsse. Der Raum war wie im Nebel beiβender Schiesspulverschwaden, die in der Luft hingen. Ich schluchzte auf und kämpfte mich frei. Achmed, war mein Gedanke. Der Polizist gab mich frei und ich stürzte zu Achmed. Blickte auf seinen leblosen Körper und warf mich weinend auf ihn.
Der Polizist hatte Verständnis mit meinem Schmerz und lieβ mich Abschied von Achmed nehmen. Achmed, den ich auf eine unbegreifliche Weise geliebt hatte.
Nach einer gebührenden Weile, trennte der Polizist mich sanft von Achmed und geleitete mich zu einem wartenden Polizeiauto.







und das ist die wirkliche Geschichte:


Der Tag in Paris verging wie im Flug. Mit meiner Metrotageskarte, konnte ich ein und aussteigen, wo ich wollte. Zuerst besuchte ich den Louvre und bewunderte die Bilder von Tizian und Leonardo da Vinci. Mittags in die Rue de l’Opera. In der Nähe befand sich die Galerie Lafayette, wo ich mit meiner Mutter und Madame Friedlander, in der Cafeteria verabredet war. Das Gespräch verlief gut. Nach Abschuss der Modeschule in Düsseldorf, könnte ich bei Feraud anfangen. Einmal die Woche sollte ich auf den Laufsteg.
Ich schwebte glücklich aus der Galleries Lafayette hinaus und hätte am liebsten ganz Paris umarmt. Inzwischen war ich müde, also am besten noch eine Stadtrundfahrt. Im Bus durch Paris, vorbei an der Place Vendome, es regnete und Paris war mit grauen Regenschleiern verhangen, ich aber war glücklich und hätte am liebsten im Bus laut gesungen. Ein zweiter Besuch im Louvre, an diesem Tag stand an. Die Reiseführerin im Louvre: „Folgen sie immer dem roten Schirm, den ich hochhalte!“ So stand ich ein zweites Mal vor dem Bild der Mona Lisa.

Es war am späten Nachmittag, als ich Achmed anrief. Er schien erfreut und bat mich, nach Saint Germain des Prés, zu kommen, in das Quartier Latin, wie das Studentenviertel, genannt wird. Der Regen hatte inzwischen aufgehört. Ich nahm die Metro und fuhr auf die andere Seite der Seine. Das Cafe, in dem wir verabredet waren, fand ich schnell. Achmed war bereits da, nur war er nicht allein. Da saβ ein junger Mann neben ihm. Ich war überrascht und fand das seltsam, lieβ es mir aber nicht anmerken.
„Ah, da bist du ja!“ Achmed stand auf und begrüβte mich. „Das ist ein guter Freund von mir“, stellte er mir den anderen vor. „Wir wollen noch Freunde treffen und zusammen essen.“ Er lächelte mich an. „Es wird dir sicher gefallen.- Sind alles Studenten.“

Wir brachen bald auf und schlenderten zu einem nahe gelegenen Restaurant, in einer Seitenstrasse des Boulevard Saint Germain. Die Strassen waren voll gestopft mit Autos und überall Menschen die durch die Strassen bummelten. In den Bistros, saβen junge Leute drauβen auf der Terrasse und unterhielten sich in angeregter Stimmung.

Auch ich war in guter Stimmung und freute mich, diesen Abend zusammen mit Achmed zu verbringen.

Das Restaurant war rustikal, mit hellen Holztischen und Stühlen. Bastmatten als Tischsets und brennenden Kerzen. Wir näherten uns einem Tisch, wo bereits eine junge, blonde Frau und zwei Männer saβen. Die Frau war Französin, die beiden Männer wirkten eher arabisch. Es war eine ausgelassene Gesellschaft, die Anderen sprachen nur Französich, aber Achmed saβ neben mir, er schenkte mir seine ganze Aufmerksamkeit und sprach Deutsch. Er bestellte für uns alle Steak und Rotwein, dann wandte er sich mir erneut zu.
„Wie war dein Tag in Paris?“, wollte er wissen und prostete mir zu. „Salut.“
„Paris ist eine phantastische Stadt.“ Ich prostete ihm auch zu. „Und stell dir vor, in einem Jahr komme ich nach Paris. Das Gespräch mit Feraud war positiv.“
„Da kann ich ja gratulieren!“, sagte Achmed und prostete mir erneut zu. „Auf deinen Erfolg!“



Das Essen schmeckte vortrefflich. Steak mit verschiedenen Gemüsen und Sauce Bearnaise.
„Das schmeckt ja nicht“, rief Achmed aus und salzte voller Übermut, mein Steak auch gleich nach. Ich musste lachen.
„Und Pfeffer fehlt auch.“ Er verzog das Gesicht, nahm den Pfefferstreuer und gab sich ordentlich davon drauf, dann tat er das Gleiche mit meinem Steak. Ich ahnte nichts Böses, oder so langsam doch?
Seine Freunde unterhielten sich angeregt, aber Achmed war ganz für mich da. Mit halbem Ohr versuchte ich von der Unterhaltung seiner Freunde, etwas mitzubekommen, währenddessen ich so tat, als sei ich ganz vertieft in Achmeds Augen und seine Worte…

Mir stockte der Atem, mein Herz begann wie wild zu pochen, von dem was ich da zuhören bekam. Es waren einige wenige Worte, die eine Panik in mir auslösten, als würde der Boden unter mir einstürzen. Eine Panik, von der ich mir nichts anmerken lassen durfte.
„Nachher auf der Party machen wir sie betrunken und liefern sie dann ab.“ Dazwischen immer wieder arabische Wortfetzen und dann ging es in Französisch weiter über Preise.

Ich musste mich zusammen reiβen und versuchte weiter zu essen, so als habe ich nichts mitbekommen von ihren Plänen. Es war ungeheuerlich, ja es war fast unglaublich und ich fragte mich, ob ich mich verhört hätte. Immerhin war der Lärmpegel im Restaurant, sehr hoch, denn alle Tische waren besetzt.
Ich fragte mich, was ich tun soll. Meine Gedanken jagten durch meinen Kopf. So lächelte ich Achmed an und fragte: „Was willst du mir nachher von Paris zeigen?“
„Zuallererst werde ich dich auf eine Party mitnehmen, da kommen ganz tolle Leute hin.“
„Ich wollte so gerne noch auf den Eifelturm, Paris bei Nacht von oben sehen.“
„Nach der Party.“ Er zwinkerte mir zu. „Der Abend hat erst begonnen und in Paris sind die Nächte lang.“
Nun war ich mir sicher, ich hatte mich nicht verhört und wusste, dass Achmed und seine Freunde, finstere Pläne hatten. Ich würgte das Essen bis zum letzten Bissen herunter.
Als der Kellner abräumte, bat ich Achmed, er solle mir unbedingt ein Mousse au Chocolat bestellen.
„Ich kann Paris nicht verlassen, ohne ein Mousse au Chocolat gegessen zu haben. Und einen Kaffee.“ Ich lächelte Achmed an. „Wegen der langen Nacht.“ Dann stand ich auf und täuschte einen Gang zur Toilette vor. Unbemerkt schaffte ich es, aus der Eingangstür zu entkommen und rannte so schnell ich konnte den Boulevard Saint Germain entlang, bis zur nächsten Metrostation. Ich wartete nervös auf den Zug und nahm den ersten Zug der einfuhr, schaute um mich, ob mir auch niemand gefolgt war, aber da waren keine Araber weit und breit. Langsam wurde ich etwas ruhiger und studierte den Metroplan von Paris. Ich brauchte nur einmal umsteigen. Dann fiel mir ein, dass ich Achmed von meiner Fahrt nach Strasbourg erzählt hatte.
Auf der Gare du Nord war kein Araber zu sehen. Ich konnte aufatmen und stieg in meinen Zug, der um Mitternacht losfuhr. Ich wählte ein Abteil aus, wo nur noch ein Platz frei war, um nicht allein zu sein, denn die Angst saβ noch immer tief in mir. So durchsuchte ich auch den ganzen Zug nach Achmed und seinen Freunden, nachdem der Zug aus dem Bahnhof von Paris herausfuhr. Da waren aber weder Achmed und einer seiner Freunde.

Erleichtert schloss ich die Augen. Ich war müde und schlief bis zum nächsten Morgen, als der Zug in Nancy hielt. Der Tag begann zu dämmern und drauβen erblickte ich den Marne-Rhein Kanal. Meine Gedanken kehrten immer wieder zu jenem Erlebnis von gestern Abend zurück und mir schauderte immer noch, in welcher Gefahr ich gewesen war. Dann tauchten die ersten Vororte von Strasbourg auf
Ich freute mich auf Strasbourg und auf Denis. Ich schüttelte diese schrecklichen Gedanken ab und sah nach vorne.


Nach einem ausgiebigen Frühstück im Bahnhofsbistro, nahm ich ein Taxi und fuhr in die Rue Oberlin. Dann klingelte ich an Denis Tür.
Es war schön, einem alten Freund zu begegnen. Wir hatten uns viel zu erzählen, von meiner Begegnung mit Achmed berichtete ich nichts. Wir verbrachten den ganzen Vormittag damit, unsere Erlebnisse der letzten zwei Jahre auszutauschen. Mittags lud Denis mich in die Mensa von der Universität ein. Wir gingen die paar Schritte zu Fuβ, die Avenue des Vosges hinunter, dann nach rechts durch den Park, zur Universität.

Beim Mittagessen passierte es! Drei Tischreihen weiter, saβen zwei Freunde von Achmed.
„Was ist mit dir?“, fragte Denis besorgt. „Du bist ganz blass, geht es dir nicht gut?“
„Drei Tische weiter sitzen zwei Araber, die gestern Abend mit mir in Paris in einem Restaurant saβen.“
„Ja, und?“
„Sie wollten mich entführen.“ Ich stand auf. „Komm bitte, ich bleibe hier keine Minute länger.“ Ich war in Panik. Denis und ich verlieβen die Mensa. Die beiden Araber blickten mich mit unbeweglichem Gesicht an, als wir gingen, sie hatten mich wohl erkannt.

Auf dem Nachhauseweg erzählte ich Denis die ganze unglaubliche Geschichte. Er schüttelte den Kopf und meinte: „Mein armes Vögelein.“
„Ich hatte sogar Zweifel, ob ich mir das nicht eingebildet habe“, sagte ich, noch immer erregt. „Aber jetzt habe ich die absolute Gewissheit.“
„Komm, mein liebes Vögelein“, versuchte Denis mich zu beruhigen. „Dir wird nichts passieren.“
Bei ihm Zuhause, kochte er uns erst mal Kaffee und dann berieten wir, was zu tun sei.
„Ich habe meinen Koffer im Schlieβfach am Bahnhof“, sagte ich. Meine Stimme voller Angst.

Denis rief kurz entschlossen seine Freundin Michelle an. Michelle kam gleich mit ihren Deux Chevaeux und holte zusammen mit Denis, meinen Koffer am Bahnhof ab. Ich wartete im Auto. Dann brachten sie mich über die Grenze nach Deutschland, wo ich in Kehl in den Zug nach Stuttgart steigen wollte. Noch eine kurze Abschiedsumarmung mit den beiden, die mir so geholfen hatten.
Ich kam mir vor, wie in einem Film von der Mafia. Mein Haar hatte ich unter einem Kopftuch versteckt und dazu trug ich eine Sonnenbrille. Am Bahnsteig wendete ich mich sofort an den Schaffner und bat ihn, mich in seinem Abteil aufzunehmen. So saβ ich bis Stuttgart im Schaffnerabteil und erzählte dem Schaffner meine Geschichte.
„Solche Geschichten passieren wirklich“, meinte er darauf. „Es wird auch immer wieder von der Polizei, gewarnt. Angeblich gibt es da einen Ring von arabischen Studenten, der Handel geht über Marseille.“ Er machte für uns beide einen Becher Kaffee und bot mir eine Zigarette an, nahm sich selbst auch eine. „Mädchenhandel. Mit dem Schiff werden die Mädchen in den Nahen Osten geschmuggelt und dort landen sie in einem Harem. Ich nickte. „Ich glaube, so was hatten die wohl mit mir vor.“
„Ja, schönes Mädchen, wohl noch mal Glück gehabt. Es wird gewarnt vor Bekanntschaften in den Zügen nach Paris.“
 
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JA.....echt "Glück" gehabt, war ja wirklich schauderlich...GSD , das dir nichts passiert ist.:)

LG Asaliah
 

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