Mich beschäftigt seit Längerem etwas anderes, was aber hierhinein gehört: nämlich die Frage der Bezahlung des Lehrers. Ausgangspunkt meiner gewissen Aversion waren die damals sehr überhöhten Preise bei T.H.; verstärkt wurde es, als ich von einer inzwischen verstorbenen Lehrerin erzählt bekommen habe, dass sie das Bezahltwerden strikt für alle spirituellen Lehrer abgelehnt hat. Den Aspekt der nötigen Kostenerstattung einmal beiseite gelassen (das ist sowieso selbstverständlich), entsteht folgende Frage für mich: Liegt in diesem "Arbeits-Geldverhältnis" nicht automatisch die Gefahr der Verselbstständigung des Lehrerstatus? In erster Linie vom Lehrer her gesehen, der natürlich wie alle Menschen sein Einkommen sichern will und sich daher "als Lehrer" (als!) konstituieren. So wird er z.B. kaum eigene Zweifel kundtun, ich meine: grundsätzliche Zweifel, die aufkommen können. Aber die Gefahr der Verselbstständigung des Lehrerstatus besteht auch von Seiten der Schüler, die ja für ihr Geld etwas haben, also eine spirituelle Entwicklung "bekommen" wollen - und daher Kritik und Gegenwehr unbemerkt einschränken. Vor allem aber treibt mich eine weitere Frage um: Kann so etwas Heiliges wie die spirituelle Ebene mit Geld verknüpft sein? So etwas Fundamentales - das jenseits aller kapitalistischen Verhältnisse liegt?
Zur fundamentalen Frage zuerst: Es ist schwer festzustellen, ob es überhaupt eine Spiritualität jenseits der herrschenden Verhältnisse gibt (sofern sie natürlich nicht oben auf irgendwelchen Säulen oder in versteckten Hütten in der Einsamkeit stattfindet). Es ist ein Bisschen wie die Frage, ob es eine Spiritualität jenseits der Körperlichkeit gibt: Wir werden es dereinst wissen, wenn wir unseren Körper (diesen muttergeborenen) abgelegt haben. Davor können wir natürlich über Erfahrungen, die eine Nicht-Körperlichkeit nahelegen (die wir jedoch wohl doch über das Medium eben dieses Körpers machen) spekulieren, aber ich halte diese inzwischen für unfruchtbar.
Ich habe bis Anfang letzten Jahres hauptsächlich von Übersetzungen gelebt, weil ich - so meine damalige Argumentation - nicht davon abhängig sein will, dass Menschen mein Produkt (Seminare & Events) kaufen. Dann habe ich zweierlei bemerkt: Erstens, dass ich mir selbst genügend vertrauen kann, dass ich nämlich durch Erfolg nicht zu korrumpieren bin. Eine andere Frage, die sich mir jetzt ganz anders stellt, da das Geld nicht so reinfließt, dass ich einige Dinge, die hier in der Gemeinschaft absolut notwendig wären, finanzieren kann: Nämlich, gebe ich den Menschen mehr von dem was sie wollen, oder bin ich immer noch 'rein in der Lehre' und mache nur, was ich für richtig, bzw. authentisch halte?
Eine schwierige Gratwanderungen; allerdings stellt sie sich derzeit wieder ein wenig anders, denn ich sehe nun wieder sehr viel deutlicher, welchen Weg ich gehen möchte. Und falls diese neue 'demokratische Spiritualität' nicht nachgefragt wird, werde ich eben wieder versuchen, in meinen alten Beruf als Übersetzer zurückzukehren.
Der andere Grund, weshalb ich vor anderthalb Jahren mit dem Übersetzen aufgehört habe, war der, dass ich erst wirklich kreativ werden kann, wenn ich Raum und Energie dafür habe, die spirituelle Arbeit weiterzuentwickeln. Und das hat die Zeit seither ja auch bewiesen: Ich habe einen Wandel durchgemacht, den ich in den 10 Jahren davor so nicht hätte machen können, und zwar, weil ich nicht durch meine täglichen 6 bis 8 Stunden Übersetzerarbeit an halbseidene Psychologietexte (meistens aus dem amerikanischen Kulturraum) abgelenkt meine ganze Aufmerksamkeit für lernen und lehren hatte.
Ja, es gibt die Gefahr der Verselbstständigung, Korrumpierbarkeit, die Bemühung, keinen Zweifel an sich aufkommen zu lassen und mit seinen Selbstzweifeln im geheimen Kämmerlein klarkommen, usw. usf., um das Produkt - das man ja als spiritueller Lehrer selber ist - nicht zu gefährden. Und interessanterweise: als einige Male versucht habe, dieses Thema bei anderen spirituellen Lehrern anzusprechen, wurde es gleich mit Spiri-Lingo glatt gebügelt und die Verletzlichkeiten und Zweifel konnten erst gar nicht aufkommen...
Das gleiche gilt ja für die ganze Missbrauchsdiskussion: Es ist wirklich ein verdammt dünner Ast, auf dem ich da hin- und herschwanke. Verletzlichkeit zu zeigen etc. ist nicht unbedingt gut fürs Produkt. Die Menschen gehen dann doch lieber zu denen, die Sicherheit ausstrahlen und ihre Zweifel geheim halten, wenn sie sie überhaupt zulassen. Das tut der Forschung am Spirituellen nicht gut, aber der nach Rettung dürstenden Seelen moderner Sucher natürlich sehr wohl.
In Liebe,
Mushin