@RoN:
Das hat alles seinen Sinn, genauso wie die Forderung nach Sparen und Sparen und noch mehr Sparen. Wer's nicht glaubt, der darf gerne mal die Website von
Detlef Ouart lesen und mit mir staunen.
Um es ganz kurz zu machen:
In einem Wirtschaftssystem, das auf Zinsen aufgebaut ist, leiht sich Person A von Person B 1 Geldeinheit (GE) um ein Brot zu backen, das sie dann verkaufen möchte. Person A gibt aber der Person B das Geld nicht einfach gratis, nein, sie möchte natürlich da mitverdienen und schlägt einen Zins von, sagen wir mal, 10% drauf. B schuldet also A nicht 1 Geldeinheit, sondern 1.1 Geldeinheiten. Wenn B jetzt das Brot an eine Drittperson (nennen wir sie C) verkaufen will, dann muss C mindestens den Preis von 1.1 GE bezahlen, damit B's Herstellkosten gedeckt sind, die erhält dann B und damit kann er seine Schulden bei A begleichen.
Was ist geschehen? C hat für ein Gut 1.1 GE bezahlt, welches effektiv 1 GE realen Wert hat. Er hat also 0.1 GE "zu wenig" realen Wert erhalten für den Preis, den er bezahlt hat - während A (und nicht etwa B!!) diese 0.1 GE eingestrichen hat, ohne dafür einen Finger zu rühren. Wenn C ein normal arbeitender Mensch ist, dann muss er also ein bisschen länger arbeiten, um die zusätzlichen 0.1 GE aufzubringen. Es findet also de facto eine Umverteilung von C zu A statt. A wird reicher, ohne zu arbeiten, während C die Arbeit für A leistet.
(Natürlich kann man hier einwenden, A würde ein gewisses Risiko tragen usw. - das ist aber ein Leerargument, weil in den 10% Zins bereits auch das Risiko mit drin enthalten sind. Wenn das Risiko zu gross erscheint, dann wird A halt statt 10% Zins plötzlich 20% Zins fordern, damit sein potentielles Risiko ausgeglichen ist.)
Was aber tut nun A mit dem zusätzlich erworbenen Zinserlös? Na klar, er verleiht es erneut an jemand anderen! Je mehr Zinsen A also einstreicht, desto mehr Geld hat er zum Verleihen, desto grösser ist die Umverteilung von arbeitenden Drittpersonen wie C zu Darlehensgebern wie A.
Spinnen wir das Beispiel weiter: Es könnte die Drittperson C selbst wieder ein Darlehen aufnehmen. C ist ein etwas träger Mensch, der arbeitet halt auch nicht so gerne, versteht aber leider nichts vom Zinssystem - was ihm noch zum Verhängnis werden wird. Er hat von B ein Brot für 1.1 GE gekauft (welches real bloss 1 GE Wert hat), und weil er nicht länger arbeiten will um die 0.1 GE Aufpreis für A zu bezahlen, holt er sich halt ein Darlehen über 0.1 GE bei person D. D gibt ihm gerne ein Darlehen über 0.1 GE, er will daran aber noch etwas verdienen und schlägt 10% Zins drauf. C freut sich, er hat die 0.1 GE Zins für A in der Tasche, ohne länger zu arbeiten - aber was er als kurzfristig denkender Mensch vergisst, ist, dass er die 0.11 GE (= 0.1 GE + 10% von 0.1 GE) ja noch dem D schuldet! Irgendwann wird er also DOCH noch ein bisschen länger arbeiten müssen - und darüberhinaus NOCH MEHR als wenn er kein Darlehen aufgenommen hätte. Das Brot mit dem realen Wert 1 GE hat einen Schuldenberg von 1.11 GE ausgelöst - und das bloss, weil sowohl A wie auch D an der Sache verdienen wollen, ohne selbst zu arbeiten.
Jaja, so geht das immer weiter. C könnte in der realen Welt selbst wieder Darlehensgeber sein für jemanden, welcher wiederum Darlehensgeber ist usw. So türmen sich dann die Schulden ins Unendliche. Um die Zinsen zu bezahlen nehmen die braven Bürger (also: am Ende meist einfach "der Staat") neue Darlehen auf, für die sie wiederum Zinsen bezahlen müssen, für welche wiederum - es ist klar, was gemeint ist.
Man reibt sich erstaunt die Augen. Was passiert hier genau? Da gibt es offentlich ein paar Parteien wie A und D, die am Spiel verdienen, ohne reale Arbeit auszuführen, also konkret: ohne ein Gut zu produzieren, das jemand unmittelbar benutzen oder konsumieren kann, und dann gibt es die anderen, die dafür schuften, dass A und D die Kohle einsacken.
Und weil A und D dadurch immer reicher werden, können sie immer mehr und noch mehr Darlehen geben, während immer mehr und noch mehr Menschen immer mehr und noch mehr arbeiten müssen, damit die entsprechenden Zinsen gedeckt werden können. Man nennt das dann im Fachjargon nicht etwa "länger arbeiten" sondern man sagt "die Produktivität steigern". Das klingt etwas besser, ist aber dasselbe. Statt länger zu arbeiten, wird gleich lange gearbeitet, aber einfach rascher. Das ist dann eben "produktiver". Oder aber, wenn das nicht geht oder nicht genügt, dann "rationalisiert" man. Ratsch, was nicht produktiv ist, wird rausgeschmissen, wenn Arbeiter in Deutschland teuer - also unproduktiv - sind, dann verlegt man die Firma halt nach Polen oder Indien, die haben da nicht so strenge Arbeitsgesetze, ja, da sind die Arbeiter noch froh, wenn sie am Ende des Monats ihren Lohn nach Hause tragen dürfen.
Und was tut ein Staat? Der Staat kann ja nicht einfach "produktiver" werden, er steht ganz am Ende der Kette der Darlehensnehmer. Wie also kann er trotzdem das Geld für die Zinsen von A und D aufbringen? Richtig, er schnallt den Gürtel enger! Das nennt man dann im politischen Fachjargon "Reform" oder auch "Sparpaket", schliesslich produziert der Staat viel zu teuer.
So wird also die Welt andauernd produktiver und noch produktiver, sprich, die Vielen arbeiten immer mehr und mehr, damit die sich auftürmenden Zinsen für die Wenigen bezahlt werden können.
Es gibt nur leider einen Haken im Spiel: Irgendwann gelangt das System an den Punkt, wo die Schulden so schnell zunehmen (durch Darlehen für Darlehen für Darlehen für Darlehen - also Zinsen für Zinsen für Zinsen für Zinsen...), dass gar niemand mehr in der Lage ist, so schnell noch reale Güter zu produzieren, also Arbeit zu verrichten, also noch mehr, noch länger, noch produktiver zu arbeiten. Irgendwann erreicht auch die besten Maschine ihre Kapazitätsgrenze, ganz zu schweigen von Effekten wie "Marktsättigung", wo man die produzierten Güter also gar nicht mehr abwerfen kann. Irgendwann kann auch der Staat nicht noch mehr sparen. Die Konsumenten sind dann überdies ziemlich Schäflein-blöd. Ausgerechnet dann, wenn sie die durch die Produktivitätssteigerung zusätzlich auf den Markt geworfenen Güter kaufen und konsumieren sollten, damit das System sich weiter am Leben erhält, ausgerechnet dann erzählen ihnen die Politiker etwas von Schulden und Sparen, und die armen Leute sind verunsichert und beginnen halt eben auch, "den Gürtel enger zu schnallen".
Äh, was passiert dann? Was passiert, wenn die Schulden plötzlich schneller wachsen als zusätzliche reale Güter produziert werden können? Man ahnt es dunkel, was immer auch dann passiert, es ist mit Sicherheit nichts Gutes. Was tun A und D in diesem Fall? Auf die Kriegsindustrie setzen! Oder sie decken sich mit richtig schön traditionellen Werten ein, die auch in 50 Jahren noch ihren Wert behalten, also zum Beispiel Immobilien oder Gemälde oder gute Weine (die nehmen an Wert über die Zeit sogar noch zu). Und was tun die Gelackmeierten, also z.B. der in die Schuldenfalle gelaufene Staat oder die arbeitende Mehrheit? Vermutlich gehen sie alle gemeinsam in die grossen Sommerferien. Oder so ähnlich.
(Übrigens wird sowas NICHT an den Universitäten gelehrt. Das könnte nämlich sonst die Volkswirtschaftsstudenten allzu sehr verschrecken und am Ende noch dazu bewegen, sich einem vernünftigen Studium wie Kunstgeschichte oder Theaterwissenschaften zuzuwenden...)