lSerafiml
Sehr aktives Mitglied
- Registriert
- 7. Mai 2023
- Beiträge
- 1.880
Sehr schön beschrieben.Also, um das von vorne herein klar zu stellen: ich will hier in keiner Weise ISerafimI angreifen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass die referierten Ansichten über die altägyptische Religion in etlichen Publikationen so drin stehen... aber ich bin da ganz entschieden anderer Meinung. Also, nehmt das einfach als andere mögliche Interpretation.
Ja, soweit so gut. wobei das Göttliche nicht nur "über" sondern manchmal auch "mit" oder "gegen" die Menschen waltet.
DAS steht so bei Bonnet!!??
In der altägyptischen Kultur ist Magie keine "niedere" Form, ganz im Gegenteil: Heka, Verkörperung der Magie, fährt in der Sonnenbarke mit und ist eine der Ausdruckskräfte des Sonnengottes. In der Lehre für König Merikare, ein überaus frommes Werk des Mittleren Reiches wird Magie explizit als segensreiche Gabe des Sonnengottes an die Menschen genannt:
"Und er hat ihnen Magie gegeben, als Waffe, dem Schlag des Unheils zu wehren"
Ebenso sind diverse ägyptische Gottheiten, allen voran Isis und Thoth, selbst Meister der Magie.
Auch eine Abwertung des "verdienstlichen Handelns", also die Erwartung eines Tauschgeschäfts zwischen Gottheit und Mensch: das ist kein "Entartung", das ist ein Grundbestandteil der meisten antiken Religionen des Mittelmeerraums.
Natürlich geht es nicht um eine Abrechnung nach Heller und Pfennig, natürlich gibt ein Mensch was er sich leisten kann, und die Armen hoffen, dass ihre bescheideneren Opfergaben dennoch wert geschätzt werden. Aber die Beziehung zwischen Mensch und Gottheit wird als eine der Gegenseitigkeit verstanden. Und um diese Beziehung geht es. In Ägypten war es natürlich vor allem die Aufgabe des Staates, dass die Kulte ausgeübt wurden und dadurch eine gute und wohlwollende Beziehung der Gottheiten zum ägyptischen Volk bestand. Aber auch die einzelne Person bemühte sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten um eine gute Beziehung zu Göttern und Ahnen. Und dabei waren Tauschgeschäfte und magische Handlungen ein völlig normaler Bestandteil.
Ich glaube, dass die Trennung zwischen Magie und Religion, zwischen "niederem" Aberglaube und "reiner" Religion, eine viel spätere Erfindung ist. Das kann man mit viel Phantasie bei Iamblichus finden ("Über die Mysterien der Ägypter"), wenn er über gute und schlechte Kultausübung aus platonischer Perspektive referiert. Vieleicht auch schon bei Xenophon oder Aristoteles. ... aber bestimmt nicht in der dynastischen Zeit Ägyptens
Und die Idee, dass ein frommer Mensch keine Erwartung eines Verdienstes durch Opfergaben haben darf und sich stattdessen der Gottheit in vollkommener Treue hingeben und auf deren Gnade hoffen muss? Es tut mir leid, aber da scheint für mich ganz deutlich die christliche-reformatorische Ablehnung der Werkgerechtigkeit durch. Das ist eine christliche Denkweise und hat mit der ägyptischen Religion der Bronzezeit nichts zu tun.
Treue? Ich weiß ja nicht. Eher durch Kulthandlung, Lobpreis und Opfergaben.
Nö. Erman mag in seiner Zeit ein großer Gelehrter gewesen sein, aber hier stimme ich nicht zu. Selbst der inzwischen auch schon ein paar Jahrzehnte alte Hornung (Erik Hornung: "Der Eine und die Vielen") sieht das anders.
Ich mein... in gewisser Weise... es gibt immer die Hinweise wie in der Lehre des Ani, dass das Leben unvorhersehbar sei, dass man sich auf die Wendungen des Schicksals nicht verlassen könne. Das ist seit den Klagen des Ipuwer ein bekanntes Motiv in der Lieratur Ägyptens. Aber das ist nur die eine Seite der Medallie. Ein Anspruchsdenken, dass dem Gerechten die Gnade der Gottheit "zusteht"? Oh durchaus! Das zieht sich sogar als Leitmotiv durch die berühmte Lehre des PtahHotep. Wer die Ma'at tut wird belohnt werden, im Diesseits wie im Jenseits - das war in der längsten Zeit der ägyptischen Geschichte ebenfalls eine verbreitete Meinung.
Da immerhin bin ich einer Meinung. Den Göttern sind die Menschen eventuell ziemlich egal...
Klingt für mich wie christliche oder islamische Mystik.
Wo genau soll das in der ägyptischen Religion vorkommen?? Es gibt ein paar Quellen, in denen eine Begegnung des Menschen mit der Gottheit beschrieben wird. Die Mutter der Hatschepsut, die dem Gott Amun begegnet, welcher betörenden Duft verströmt und ihr sehr gefällt. Oder der Schiffbrüchige, der dem Schlangengott auf der Insel begegnet und tief beeindruckt von dessen donnergleicher Stimme ist... "entfachte Herzen" und "kultischen Eifer" sucht man da allerdings vergebens.
Wo kommt das denn her. Erman? Bonnet? Budge? Die moderne Ägyptologie und Ethnologie hat sich von solch einer künstlichen Trennung zwischen Magie und Religion inzwischen verabschiedet. Und zu Recht, wie ich meine!
Für die Kultur des alten Ägypten ist es vollkommen unerheblich, ob eine bestimmte Handlung als Magie oder Religion definiert wird. Es wurde weder begrifflich in der altägyptischen Sprache noch in der konkreten Ausführung unterschieden.
Meiner persönlichen Meinung nach ist jedes ägyptische Gebet ein Zauberspruch, und umgekehrt.
Ich denke, was Bonnet störte, war einfach, dass sich vermittelt durch Magie an dem Jenseitsgericht vorbeizumoggeln, nicht wirklich im Sinne der ägyptischen Religion sein konnte.