Das Mobile, in dem wir leben...

K

Kinnaree

Guest
Irelands Beitrag in dem Thread "hier unter uns..." hat mir so gut gefallen und gibt (hoffentlich nicht nur mir) so viele Gedankenanstöße, daß ich hiermit ein neues Thema damit starte.

Du hast ja schon mal etwas im Forum über diese Veränderungen angedeutet (ich habe es gelesen) und ich hatte dabei ein gutes Gefühl.

Als Du das vorhin schriebst, ging mir jedoch auch durch den Kopf, wie oft es Mißverständnisse auf allen Ebenen und in allen Bereichen gibt (gar nicht mal das seriöse Therapiesetting selbst betreffend) ... .

Ich hole etwas aus:

Zum einen wurden so viele Teile aus dieser systemischen Therapieform "abgekupfert"/ falsch interpretiert/ in einen falschen Kontext gepackt - z.B. das leidige "positive Denken", das oft komplett mißverstandene NLP, die (angeblich) systemische Aufstellung nach Hellinger, das Reframing und vieles mehr.
Sowohl Esoterikanbieter als auch "Halblaien" versuchten und versuchen sich darin, irgendeinen Teilbereich des Gesamtkonzepts als "heilendes" oder "ewigseligmachendes" Konzept in einem anderen Kontext anzupreisen und das geht natürlich in der Regel schief. Dieses Schiefgehen wird dann mitunter der systemischen Therapie angeheftet und generalisiert, Fazit: kenne ich, taugt nicht.

So etwas gab es ebenfalls bei der Gesprächstherapie nach Rogers - es war sehr modern, alles und jeden zu "spiegeln" und da nur wenige Rogers Gesamtkonzept genau kannten, mutierte es in allen Varianten bis heute.

Ein ganz trendy "Dauerbrenner" war und ist es, den jeweils anderen zu "analysieren" und ihm auf den Kopf zuzusagen, was an ihm nicht stimmt, weil nur man selbst die (angebliche) "Wahrheit" kenne und der andere sie aufgrund seiner blinden Flecken/ seiner Verdrängung/ Verleugnung usw. (abgeleitet aus der Psychoanalyse und der Tiefenpsychologie) nicht sehen könnte.

So etwas macht mich (immer wieder) wütend - es entstehen die wildesten Vorstellungen und viel Angst bei Menschen, die sich therapeutisch helfen lassen wollen, aber nicht trauen, weil so etwas wie oben angeschnitten flächendeckend grassiert.


Nun konkret zu Deinem Thema:

Wenn ein Mensch sich in einer systemischen Therapie verändert müssen sich "die anderen" (je nachdem) zwangsläufig mit verändern, sonst "kracht" es irgendwie o.ä..
Diese Modell kann man sich anschaulich wie ein kompliziertes und fragiles Mobile vorstellen - wenn ein Teil schwerer/ leichter wird/ die Position verändert, muß das gesamte Mobile "mitziehen", sonst ist es kein System/ kein Moble mehr.

Mir ist es deshalb total wichtig, so viele Angehörige/ enge Freunde (stets die "hauptsächlich Betroffenen") wie möglich dazuzubekommen und wenn das überhaupt nicht klappt, sie zumindest zu informieren, was die Basis dieser Therapie ist (also: Transparenz auf allen Ebenen).
Ganz wichtig ist mir, daß verstanden wird, daß es in diesem Zusammenhang keine Wahrheit gibt - niemand ist nur böse/ nur gut und es gibt auch nie jemanden, der "immer nur anfängt ...", es gibt keinen "Grund" (viele Menschen verschwenden viel Zeit darauf, irgendwelche isolierten Gründe und Ursachen herauszufinden - außer bei speziellen Krankheiten/ Beeinträchtigungen, wie z.B. Traumen/ gravierendenden Lebensereignissen wird man lange erfolglos suchen, d.h. es kann sein, daß man immer wieder etwas "findet" ... ).
Viel wichtiger ist es, die Abläufe zu betrachten und für sich klar zu haben, was man nicht in Ordnung findet, was sich ändern soll - ohne Rechtfertigungsdruck gegenüber irgendjemandem!

Und trotzdem kommen mitunter die Schuldzuweisungen an den Therapeuten, der "schuld" ist, daß der Klient in seinem privaten Umfeld einfach nicht mehr so "funzt" wie gewohnt.

Manchmal sind es (für mich "gefühlt") Kleinigkeiten, die reichen, daß sich Systeme komplett verändern, manchmal darf sich partout nichts verändern und es wird sehr langwierig und belastend für den Klienten, manchmal läuft es ähnlich wie bei Dir.
Wenn jemand plötzlich und "radikal" ALLES umschmeißt, bin ich stets auf der Hut - es kann klappen, es kann auch derbe nach hinten losgehen (den Eindruck habe ich bei Dir NICHT! :) ) - jeder kennt den Ausspruch "ab jetzt wird alles anders" bei sich selbst ... nun ja, - Vorsicht! .
Es ist nicht die "für alle sichtbare" "Wandlung", die ausschlaggebend ist, es ist allein das Befinden des Klienten, das eine Rolle spielt.

So kann es bei einer belastenden Beziehung sein, daß es zu einer Trennung kommt, es kann aber auch sein, daß die Beziehung anders bewertet wird, der Partner unter anderen Prämissen gesehen wird und vieles mehr.
Wenn man sich selbst verändert, wird sich der Partner verändern und eine Veränderung kann auch heißen, daß er entsetzt davon läuft ... (oder der Klient).

Oft kommt die Frage "darf ich das", "geht das denn", "was würden Sie tun". An dieser Stelle DARF der Therapeut NICGT raten und auch nicht subtil manipulieren (minimalste Körpersprache kann schon ausschlagebend sein - und das ist gar nicht so einfach).
Eine (irgendwie) fossierte/ manipulierte Entscheidung wird nach hinten losgehen!

Ich glaube, Deine Entscheidungen hast Du selbst getroffen und ich habe den Eindruck, sie haben sich im Nachhinein als richtig für Dich herausgestellt.
So soll es im Idealfall laufen! :)

Danke Ireland, für diese detaillierte Darstellung - und ich freue mich auf einen Erfahrungs- und Denkaustausch hier.

Liebe Grüße
Kinnaree
 
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Zum einen wurden so viele Teile aus dieser systemischen Therapieform "abgekupfert"/ falsch interpretiert/ in einen falschen Kontext gepackt - z.B. das leidige "positive Denken", das oft komplett mißverstandene NLP, die (angeblich) systemische Aufstellung nach Hellinger, das Reframing und vieles mehr.
Sowohl Esoterikanbieter als auch "Halblaien" versuchten und versuchen sich darin, irgendeinen Teilbereich des Gesamtkonzepts als "heilendes" oder "ewigseligmachendes" Konzept in einem anderen Kontext anzupreisen und das geht natürlich in der Regel schief. Dieses Schiefgehen wird dann mitunter der systemischen Therapie angeheftet und generalisiert, Fazit: kenne ich, taugt nicht.

Das ist mir als erstes ins Auge gesprungen. Weil ich mich - angeregt von meinem inzwischen vertrautesten Freund - vor mehr als zwei Jahren mit diesem "positiven Denken" zu beschäftigen begann. Ich war damals noch in der systemischen Therapie unterwegs, und mir ist so vieles so merkwürdig bekannt vorgekommen - ich habe so viele Parallelen gesehen zwischen dem, was ich in der Therapie hörte, und dem, was ich unter dem Schlagwort "positiv denken" zu lesen bekam :) - Vermutlich hat mich das damals davor bewahrt, nur das Bruchstück kennenzulernen und es dann schiefgehen zu sehen. Vermutlich funktioniert es bei mir und meiner inzwischen neu ausgewogenen Familienstruktur deshalb mit dieser Art des Denkens so gut, weil ich eben auch einiges vom Kontext mit mir nehmen konnte.

Ich persönlich habe den Denkansatz als enorm hilfreich erlebt: ich kann aus ALLEM Mist, der sich in meinem Leben bis jetzt eben angehäuft hat, ab jetzt sofort etwas Neues machen, was dann eben kein Mist mehr ist...

Das ist für mich die Essenz aus dem Schlagwort "positiv denken",

meint
Kinny
 
Jep, positives Denken hat ja nicht damit zum tun, dass ich jetzt alles ausblende, was mir wiederfährt und alles "rosig" erscheint. Deswegen habe ich noch die gleichen Probleme und eventuellen Sorgen, die das Leben eben so mit sich bringt. Dessen bleibe ich mir bewusst, nur der Umgang wird ein Neuer/Anderer, da ich irgendwann begriffen habe, auch wenn es grad net so läuft, dass es immer eine Lösung geben wird. Auch manchesmal eine "Notlösung" bis eben wieder was Neues kommt.

GLG Asaliah :)
 
Jep, positives Denken hat ja nicht damit zum tun, dass ich jetzt alles ausblende, was mir wiederfährt und alles "rosig" erscheint.

Ganz im Gegenteil, du sagst es, es geht nicht ums Ausblenden, sondern ums Bewußtwerden. In Verbindung mit dem Handwerkskoffer, den ich mitbekommen habe aus der Systemischen ;), geschieht da etwas sehr Gutes. Im Moment erlebe ich es besonders intensiv, weil an einem Punkt angelangt, wo ich langsam die Wurzeln der verschiedenen Übel ;) tief in der Erde unter mir zu fassen bekomme.

Ich bemerke seit einiger Zeit, wie oft und wie hartnäckig alte Verhaltensmuster wiederkehren. Da ich mit einer tibetischen Ärztin zusammen dran arbeite, da in die körperlichen Erinnerungsebenen reinzukommen, die VOR dem Denkenkönnen bereits speichern und immer wieder wiederkehren lassen, wird mir das nun besonders deutlich.

Und langsam erfasse ich, was für eine detailliert genaue Arbeit da wichtig ist. Ich lernte durch die Arbeit der tibetischen Medizinerin, Signale meines Körpers rechtzeitig zu erkennen, die - in meinem Fall als Hauptsache - die alte Angst melden, die mein gesamtes Handeln gesteuert hat. MannohFrau :D, gelegentlich kann ich ganze Tage damit verbringen, genau da mit meinem neu gepolten Denken anzusetzen und alte Angst durch neue Gedanken zu ersetzen. (Affirmationen, Mantras, Ideen, gutes Zureden - nennt es, wie ihr wollt, Hauptsache es wirkt ;) .)

Aber diese Arbeit führt langsam in die Freiheit. Und die fühlt sich Stück für Stück richtig gut an,

meint
Kinny
 
Bin da vollkommen bei dir und es freut mich sehr für dich. Den Weg den du gewählt hast, finde ich gut !

Ja, diese alten Muster sind gaanz schön hartnäckig ( stelle ich auch immer wieder mal fest ) und es ist ein immer währendes arbeiten an sich selbst, aber es fühlt sich dennoch gut an.

;)

GLG Asaliah
 
Ich kenne das wiederkehren der alten Muster als "Over-line-syndrom".

Das bedetuet ungefähr folgendes:

Ich bin sehr eingeengt und fange an meine Grenzen zu weiten.

Irgendwann gehe ich ein Stück zuweit, die Grenzen ziehen sich plötzlich zusammen.

Dann weite ich sie wieder, weiter als vorher, und zack bin ich wider ein Stück zu weit gegangen.

Und jedesmal befreie ich mich ein Stück mehr.


Das die eigene Veränderung andere Menschen verändert habe ich nicht unbedingt so erlebt. Aber die Beziehungen änderten sich.

Wenn ein neues Muster in mir richtig verinnerlicht ist, bemerke ich das erst später, wenn mir aufgeht, das ich mich anders verhalte und mit früher vergleiche. Oder aber mit meiner Familie in Kontakt komme, die oft noch in den alten Mustern leben.
 
Sorry. Von welcher systemischen Therapieform ist denn die Rede?
Hatte den vorherigen Thread nicht gelesen...
 
Sorry. Von welcher systemischen Therapieform ist denn die Rede?
Hatte den vorherigen Thread nicht gelesen...

Kein Problem, mußtu auch nicht ;). Es wurde im anderen Thread von Ireland einige Male auf die systemische Therapieform hingewiesen, und in einem Beitrag wurde sie vergleichend etwas ausführlicher:

Ireland schrieb:
Meine Universität war komplett verhaltenstherapeutisch ausgerichtet und zu der Zeit, als ich studierte, gab es den heftigen Schulenstreit (den auch fhedor anschnitt) zwischen den Verhaltentherapeuten, den Tiefenpsychologen, den Gesprächstherapeuten und den Psychoanalytikern.

Dann war so etwas wie ein "integrativer Ansatz" angesagt (nach den ersten riesigen Studien war klar, daß einige der Therapieformen gut wirken, allerdings mußten noch die spezifischen Wirkfaktoren jeder Therapieform extrahiert werden - es war ein Prozess, der sich über Jahre zog und auch heute noch nicht ganz abgeschlossen ist: man muß ja erst Patienten behandeln, Daten erheben und auswerten und auch die Langzeiterfolge testen - über alle Dignosen, Geschlechter, Altersstufen, Therapiesettings uvm. ... ).
Dieser "integrative Ansatz" sah in der Praxis oft z.B. so aus, daß eine Einrichtung Therapeuten aller Richtungen einstellte und es quasi zwangsläufig zu Streit und Hader kam.

Weil eine "klassiche Psychoanalyse" für die Krankenkassen unbezahlbar ist und auch nur Effekte bei intelligenteren Patienten mit wenigen Problemen aufwies (lt. Grawe Studie), hat man angefangen, diese älteren Therapieformen zu verändern.
Für die Verhaltenstherapeuten (die in der Grawe Studie "gewonnen" hatten - ganz platt formuliert!) wurde das mit einem "müden Lächeln" quittiert und als nicht möglich abgehakt (das ist nur meine Sichtweise aus einer bestimmten Therapierichtung und einer bestimmten Gegend heraus, andere werden es anders sehen und anders schildern).

Der systemische Ansatz (es kann sich niemand verändern, wenn sich sein System - Eltern, Freunde, Partner, Kinder usw. nicht mit verändert; es gibt keine absoluten Wahrheiten, "Schuld" ist sekundär), den es schon gab, setzte sich immer besser durch (durch Studien) und "paßte" auch zu den Konzepten der kognitven Verhaltenstherapie.
Daran (Grundlage radikaler Konstrukivismus - Watzlawik und Co.) orientierten sich wohl auch die Tiefenpsychologen (was für die Verhaltenstherapeuten, die ja allesamt auch tiefenpsychologische Grundlagen gelernt haben quasi unmöglich erschien, weil die Tiefenpsychologie sich - eigentlich - was ganz anders auf "die Fahne geschrieben" hat (?)).

Daß ein Therapeut FÜR den Klienten etwas aufdeckt/ etwas "durchschaut", was der Klient nicht duchschaut (z.B. durch eine Deutung) ist völlig überholt (lt. dieser Supervisorin).
Oft gab es kleinere und größere autoritäre Auswüchse bis Herabwürdigungen des Klienten bis Schuldzuschreibungen (an den Klienten/ an die Familie/ an die Umstände usw.).
Allerdings habe ich das nur am Rande selbst mitbekommen. Ich kenne nur die Schilderungen bereits therapieerfahrener Klienten, die mir oft die "Ohren schlackern" ließen (es passiert wohl immer noch in der Tat so etwas, was z.B. Ducki hier geschildert hat). Auch wenn ich da viel "abziehe" (persönliche Erfahrungen, Beobachtungen und Wahrnehmungen, auch natürlich meine eigenen, sind stets mit Vorsicht zu genießen!), bleibt bei mir ein mulmiges Bauchgefühl (und es ist schön zu hören, daß sich da viel verändert).

Das war sozusagen der Ausgangspunkt für das Gespräch hier (weil es in FIWAs Thread den Rahmen des Themas sprengt).

Liebe Grüße
Kinnaree
 
Das "für den Patienten etwas durchschauen" hat zumindest bei zwei mir Nahestehenden nachhaltig Positives bewirkt.

Hier nur ein Beispiel.
Der Verzweifelte zum Therapeuten: "Warum tut meine Frau mir das an?!"
Der Verzweifelte mußte versprechen, den Therapeuten nicht anzufassen oder zu schlagen wenn er die Antwort erhält. Er versprach´s und erhielt zur Antwort: "Sie ist eine Hure."

Erleichtert ging der Patient nach Hause und änderte seine systemischen Bedingungen Wohnort, Arbeitsplatz und Partnerschaft.
Beeindruckt erzählte er vom Geschehen.

:danke: an Kinnaree
 
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Erleichtert ging der Patient nach Hause und änderte seine systemischen Bedingungen Wohnort, Arbeitsplatz und Partnerschaft.



Das ist ziemlich gut...

Ohja durchaus, meine Systemische ;) hat auch ein oder zwei Mal etwas für mich durchschaut - mit ihrer unnachahmlichen Gabe, das dann in volltreffende Worte zu fassen, hat sie mich jedesmal zum Lachen gebracht - und das waren durchaus Durchblicke, kann ich dir sagen!

Also ich denke, so ein Schubser kann und soll ja doch manchmal sein... auch wenn insgesamt ich selbst diejenige sein sollte, die die Antworten findet. Aber wenn der blinde Fleck halt gar zu offensichtlich und zu groß ist,

naja dann
besser so wie der Thera in deinem Beispiel
denkt
Kinny :D
 
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