bin enttäuscht

Hallo Trixi Maus,
wie könnte das Ritual aussehen?

Vielen Dank für eure postings. Ich habe sie schon mehrmals gelesen und komme dem was ich suche, etwas näher.
Es beruhigt mich auch, dass man nicht alles verzeihen muss, wobei ich meinem Vater gerne verzeihen möchte, aber das geht garnicht.
Danke
stern
hallo stern52,
ich weiß, daß ich oben geschrieben habe, daß man nicht verzeihen muß. Es ist ganz paradox, wenn ich jetzt noch hinzufüge: man muß dennoch alles verzeihen. Das geht. Aber es ist genauso wichtig zu wissen, daß man es nicht muß, wie daß man es muß.

Es ist paradox, ich weiß. Manhmal ist es aber so: erst wenn Du in einem Ort angekommen bist, dann kannst Du das Schild sehen, das Dir den Weg in den nächsten Ort weist. Und bei dem, was Du erlebt hast, scheint es mir so zu sein, daß Du dich erst mal, wie man sagt, "lossagen" mußt von den Einflüssen und Zwängen, die Deine Erfahrung in Dir "hergestellt" hat.

Das meine ich auch mit einem Ritual: "es" oder auch später dann mal "ihn" begraben. Das kann ein Brief sein. Das können Besuche an einem Grab sein. Das kann etwas sein, das man anfertigt in der Absicht, damit alles abzuschließen und das man danach verbrennt. Das kann eine Skulptur sein, in der man das Leid zusammenfaßt, damit man es mit den Augen anschauen kann und so innendrin frei davon wird. Das kann eine Hymne sein, die man findet. Es kann so viel sein --- überleg doch mal, Dir fällt bestimmt dasjenige ein, das Du brauchst, um frei zu werden. Zum Beispiel frei zu werden, die eigene Ehre wieder zu finden und dann so ehrenhaft zu sein, so großzügig, daß Du ihm doch verzeihst.

Das wünsche ich Dir von Herzen !! Denn das scheint mir persönlich aus der eigenen Erfahrung heraus das zu sein, das geschehen muß. Mein Vater war zwar sehr nett, aber er hat den Fehler gemacht zu sterben als ich sieben war und ich habe ihm das über 25 Jahre hinweg nicht verzeihen können. Ich war sehr verletzt - aber eben auf einer anderen Ebene als Du. Da war eine große, große Wunde in mir. Diese Wunde bleibt, diese Wunde bin ich, und doch bin ich heil. Und das ist für mich der Unterschied, der genauso paradox ist wie die Sache mit dem Verzeihen. Es ist mir nicht möglich Worte dafür zu finden, daß die Liebe zu einem selber das heilt, was man an Liebe von Anderen vermißt hat. Wir sind der Quell für das Glück unseres Lebens in uns selber. Das hat mir dieser Lernprozeß beigebracht, es hat mich insgesamt unabhängig gemacht, was ich erlebt habe. Auch daß es Heilung gibt war wichtig zu erfahren. Es gibt keine Wunde, die die Liebe nicht heilt. (ich denke es ist wichtig, daß das einem mal jemand sagt: das Ziel ist erreichbar.)

lg,
Trixi Maus
 
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Aus einem vorherigen Beitrag:
Ich glaube an Gott, an ihn konnte ich meine Fragen stellen und auch Entscheidungen und Probleme abgeben. Er hilft mir immer, aber ich spüre in mir, es gibt noch etwas und das suche ich.
liebe Grüsse
stern
Tip: gib dem in Dir ein Wort, das Du suchst. Was suchst Du? Wie ist das Wort?

Beispiele: Heilung, Erlösung, Umorientierung, Erneuerung, Glück, Freude, Erfolg etc. (Leben...)
 
Ich habe lange überlegt, was ich suche, ich wollte ein Wort finden, aber ich fand keins. Ich hab nur immer dasselbe, nämlich Todesangst, was ist davon das Gegenteil. Es ist sehr schwierig, es so zu erklären, dass ihr es evtl. versteht, ich meine nicht die Angst vor dem Tod, sondern Todesangst vor einem Menschen. Er würde mich zwar niemals töten, hat aber schon vieles und immer wieder, in mir getötet. Kann das sein, dass man nach 50 Jahren immer noch nicht verzeihen kann?
stern
 
Es kann sein dass man nach 500 Jahren noch nicht verzeihen kann. Aber das kann man sich selbst auch verzeihen. Du musst ja nicht mit dir hadern dass du nicht vergeben kannst. ist ja schon eine leistung dass du es siehst. (tut nicht jeder.)
Aber selber weh tun würd ich mir nicht. Vielleicht einfach mal so ein paar CDs kaufen: positives Denken, verzeihen von ekeligen Angehörigen (ist jetzt nicht der präzise titel),..... nur, um da mal was aufzuweichen, durch zu kneten.

Fang einfach irgendwo an.
Und wenn du des anderen nicht habhaft wirst dann halt bei dir.
 
Hallo,
ich führe wirklich ein zufriedenes Leben, eine Brust wurde ablatiert, der Hirntumor in einer schweren OP entfernt, das habe ich hinter mir und damit hadere ich auch nicht. Für mich gibt es zu 90 % Schulmedizin, ich habe die ganze Flöte wie Chemo, Bestrahlung, AHT hinter mir und stehe auch voll hinter der Schulmedizin. Naturheilmedizin ist für mich ein Zusatz, wie beispielsweise das Spritzen von Mistel.

Aber ich spüre, dass es noch etwas gibt, das ich wissen möchte oder muss.
Sollte ich es irgendwann doch mal erfahren können, wäre ich vielleicht froh, ich wüsste es nicht. Aber ich bin mutig und neugierig.
Gruss
stern

Hallo Stern,
weiter habe ich nicht gelesen, weil ich keine Zeit dafür habe. Vielleicht hat schon jemand dasselbe gesagt, was ich jetzt vorhabe. Dann sorry eben.
Ich nehme an, du willst keine hübsche Lüge hören, sondern die Wahrheit.
Wenn nicht, dann kannst du meinen Posting einfach ignorieren, ist mir egal.
Also. Krebspatienten sind harte Kost für einen Reinkarnationstherapeuten. Sie sind normalerweise nicht einsichtig und verharren in einem total verdrängten Selbsthass. Sie wollen die Selbstverantwortung nicht erkennen und nicht übernehmen und suchen nach den Ursachen für das äußere Geschehen nie im Inneren. Sie wollen kämpfen, sich wehren, Helden sein und auf gar keinen Fall sowas mühseliges tun wie ihr Unterbewusstsein erforschen. Dort lauern nämlich ganz unangenehme Sachen, die in einem totalen Gegensatz dazu stehen, was sie gerne als ihr Selbstbild sehen und zeigen.
Sie suchen nach Möglichkeiten, die Therapie abzubrechen und Schuld dafür auf den Therapeuten zu schieben.
Das ist Statistik, und keine private Meinung über deine Person. Genau aus diesem Grund werden ernste Therapeuten dich zuerst prüfen, ob du bereit bist, Erkenntnise zuzulassen und dich auf deine Emotionen einzulassen. Wenn nicht, werden sie dich wegschicken. Jemand, der diese allerwichtigste Sache bei seinen Klienten nicht prüft und die Therapie blauäugig anfängt, ist kein guter Therapeut.
Wenn du wirklich Reinkarnationstherapie machen möchtest, dann ist Stuttgart die beste Adresse. Such nach Ingrid Vallieres oder ihren Schülern. Aber es wird kein Zuckerschlecken sein, das sage ich dir gleich, weil diese Menschen WIRKLICH gute Therapeuten sind.
 
Ich habe lange überlegt, was ich suche, ich wollte ein Wort finden, aber ich fand keins. Ich hab nur immer dasselbe, nämlich Todesangst, was ist davon das Gegenteil.
Das Gegenteil von Todesangst ist zunächst mal der Lebensmut.

Es ist sehr schwierig, es so zu erklären, dass ihr es evtl. versteht, ich meine nicht die Angst vor dem Tod, sondern Todesangst vor einem Menschen. Er würde mich zwar niemals töten, hat aber schon vieles und immer wieder, in mir getötet. Kann das sein, dass man nach 50 Jahren immer noch nicht verzeihen kann?
stern
Ja natürlich kann das sein. Ich habe viele Menschen beim Sterben begleitet, stern. Kaum einer hatte allen verziehen. Viele wußten es vielleicht gar nicht, daß man es muß und hatten im Leben keinen Anlaß zu bemerken, daß man es auch will. Da bist Du besonders, einen Schritt weiter.

Ich sehe Dich ja von hier aus nicht, aber ich vermute, daß Du durch die Bewältigung Deiner Krankheit zur Bewältigung Deines Schicksals aufgefordert worden bist. Daß Du diese Herausforderung auch angenommen hast, das hast Du ja geschrieben und jetzt beschäftigst Du dich also mit diesem Gefühl des Verzeihens in Richtung Deines Vaters.

Vor ihm hast Du Todesangst gehabt. Du möchtest zu der Lebensenergie, welche Dir in der Kindheit und Jugend geraubt wurde, jetzt wieder Anschluß finden. Richtig?

Weißt Du, ich frage soviel, weil ich das Ziel kennenlernen möchte, das Du hast. Wie soll denn die innere Beziehung zu Deinem Vater sein, wenn Du den Prozeß, den Du dir wünschst, hinter Dir hast?

Definiere das doch mal. Wenn Du da bist: "Ich habe meinem Vater verziehen": was hast Du dir dann in der Vergangenheit alles in Dir selber angeschaut? Nimm doch mal den Prozeß, den Du durchmachen müßtest, in Gedanken vorweg. Gehe auf die Meta-Ebene, betrachte Dich und Dein Leid von oben. Sieh dabei Dein ganzes Leben mal im Geist vorwärts und rückwärts an, in seinen Zusammenhängen von sozialer, geistiger, körperlicher und emotionaler Gesundheit und Krankheit. Er war ja sogesehen "krank". Ein völlig kranker Mensch, gewalttätig, nicht fähig soziale Kontakte zu schließen und so weiter (je nachdem wie er halt war, das waren jetzt nur Beispiele).
Vielleicht kannst Du ihm so vergeben.


Das ist der Unterschied: auf der emotionalen Ebene findet Verzeihung statt, das ist mehr oder minder eine Geste. Das aktive Tun in diesem Bereich ist das Vergeben. Nach beidem kommt auch die Lebensenergie zurück, langsam, in einem Heilprozeß, dessen Ziel aber natürlich in beide Richtungen (Leben und Tod) offen ist. Das ist dann "Freiheit". Man ist dann auch in einer Weise wieder alleine, der innere Bezug zum Vater ist weg.

Was mir noch einfällt: lege Dir ggf. selber die Hände auf mit der Absicht, die Einflüsse Deines Vaters auf Dein Leben aus Deinem Körper zu befreien. Als Heilritual. Das wird natürlich aber dann reflektorisch auch Gedankenbilder, Erinnerungen und Gefühle auslösen.

Alles Gute weiterhin,
Trixi Maus
 
Ich kann's auch grad noch mal so sagen, weil ich eine Schwätzmaus bin:

der "himmlische" Vater ist, wenn man glaubt, viel Gewichtiger als der Irdische. Er existiert nicht ohne Grund.

Genauso existiert Mutter Erde nicht ohne Grund. Beide Zusammenhänge: Vater=Himmel, Mutter=Erde demonstrieren die Polarität in einem einfachen spirituellen Rahmen, der wie im realen Leben alles Andere überwiegt und gestaltet.

Der Vater im Himmel und die Mutter Erde sind im positiven Sinne so eine Art "Blitzableiter" für Menschen mit schweren Schicksalen im elterlichen Bereich.

Es ist wie wenn man zwei Autos hat: ich habe zwei Väter, die seien mal jetzt Autos. Wenn ich beide Autos nicht in Schuß habe, so wie ich die Beziehung zum irdischen und zum himmlischen Vater nicht in Schuß bekommen kann, dann habe ich ein Problem: ich habe kein funktionierendes Auto, mit dem ich sicher durch's Leben komme, selbst wenn das andere irreparabel beschädigt ist.

Weißt Du, die lateinische Sprache des Mediziners macht nicht zufällig das "auto" zum Wort für das deutsche "Selbst". Genau dieser Zugang zum Selbst ist es, "automatisch" durch das Schicksal zu gehen, daß heißt, an ihm teilzunehmen. Die Alternative ist in vielen Leben mit schweren Schicksalen, mit dem eigenen Leben zu leiden, mitzuleiden zum Beispiel mit dem eigenen Leid der eigenen Kindheit.

Es ist wichtig, selbst einen Schnitt zu machen, eine eigene Operation durchzuführen, in der verletzten Seele, wenn das Selbst verletzt ist. Ein Prozeß muß geschehen, der von einem selber bewußt gestaltet ist, damit der ehemaligen Gestaltung durch das Außen ein symbolischer Gegenpol gesetzt wird. "Ich mache Schluß mit meinem Vater" - auch das ist legitim, heilsam und gut. Erlaubt.

Und wer bleibt ist der Vater im Himmel und eine Lebensgeschichte. Die eigene. Aber hier und jetzt sind wir da wo wir sind und wir sind nicht mehr der, der wir mal waren. Aber auch nach 50 Jahren können einem Dinge so nahe gehen, daß man das eigene Herz noch einmal läutern, ausschütten und reinigen muß. Man muß weinen, trauern um das verlorene Erlebte, dessen Mangel man selber lange nicht erkannt hat. Bei Wiederholung bietet dies immer wieder Möglichkeit zu bemerken, daß man schon wieder der ist, der weint. Und daß es 50 bzw. bei mir 30 Jahre her ist. Ich habe heute noch mit meiner Mutter geweint wie zwei Schlosshunde, aber das ist nötig und gut. Ich kann es nur empfehlen, zu trauern über das, was man nie hatte. Und was man wollte, was man liebte und was einen verletzt und traurig gemacht hat.

Ich hoffe ich konnte Dir mit meinen Worten helfen. Gute Nacht!

Ach ja und Du weißt ja:

lg,
Trixi Maus
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hallo Trixi Maus,
das Ritual, ihn zu beerdigen, habe ich bereits mit einer Psychotherapeutin versucht. Er ist so stark, wir haben das nicht geschafft.
Er ist ja heute ein alter Mann, trotzdem habe ich noch die schrecklichen Ängste vor ihm.
Meine Kindheit und Jugend war dank meiner Grosseltern nicht nur Hölle, aber ich glaube, das was mich so plagt, ist dass ich ihm eigentlich verzeihen möchte, aber das geht nicht.
Klar, kämen die Worte aus meinem Mund, aber nicht aus meiner Seele. Ich möchte auch meiner Mutter verzeihen, dass sie mir nie geholfen hat.
Ihr seid so ehrlich und direkt mit euren Aussagen, 1234567, du schreibst, dass ich sicherlich keine hübschen Lügen hören möchte und das ist richtig. Jetzt bin ich auch ehrlich, mir würde vieles leichterfallen, wenn mein Vater schon tot wäre. Ich denke, ich könnte dann meiner Mutter verzeihen.
Trixi Maus, das Gegenteil von meiner Todesangst ist nicht Lebensmut, daran mangelt es mir nicht. Ich überlege weiter.
Mein Ziel wäre, wirklich ehrlich sagen zu können, ich verzeihe, da ich ihn liebe. Es ist eine kindliche Liebe, die ich spüre, ja es ist wirklich auch Liebe da.

Ich sage mir oft, ich brauche doch meinen biologischen Vater nicht, ich habe den himmlischen, aber damit kann ich nicht ruhig leben, das ist nicht mein persönliches Ziel, ihn einfach zu eliminieren.
Aber es ist doch immer wieder so, dass mich der himmlische Vater auffängt und in sichere Zonen trägt.

Ich werde die Therapeutin in Stuttgart suchen, es interessiert mich, ob Sie mich ablehnt.

Wenn ich meine Biografie vorwärts und rückwärts anschaue, bin ich froh über das Leben das ich führte und noch führe. Ich habe den grössten Teil dessen, den ich erreichen wollte, erreicht. Ich habe noch nie einen Therapeuten oder einen anderen Menschen abgelehnt, nur weil es schwierig wurde, das Gegenteil ist der Fall, ich will wissen was in mir los ist.

Ich habe schon ein ganz schlechtes Gewissen, euch mit meinen sicherlich nicht einfachen postings zu bombardieren, aber diese Art Bewältigungssuche ist relativ neu und ich kann vieles für mich daraus schöpfen.
Gruss
stern
 
hallo stern
dein posting gefällt mir

Find ich persönlich gut dass du ihm verzeihen willst - und dass da echt Liebe ist, trotz allem.
Da würd ich ansetzen - einfach weils eine Chance ist (hat nicht jeder diese möglichkeit nicht in bitterem hass zu versinken. find ich gut)

Du hast mit deiner Therapeutin versucht ihn zu beerdigen - es ist euch nicht gelungen. Kein Problem... man muss da einfachere Wege gehen (nicht kompliziertere. (sonst baut der Verstand immer neue Hürden auf)).
Wenn du ihn nicht beerdigen kannst weil er zu groß/stark/beängstigend ist > mach ihn kleiner, wie eine Kirchenmaus. Hänge ihm ein Glöckchen um (oder lass dir sonst was einfallen wovor du keine Angst hast, was ihm die Brisanz nimmt, und du lächeln und dich entspannen kannst). Dann kannst du ihn beerdigen.

Du wirst sehen auf diese Art geht es.
Sei ein bisschen kreativ. lass dir was einfallen; nimm deine Fantasie zu hilfe.


Du wirst sehen, sobald du dich nicht mehr unterlegen fühlst kannst du einen ruhigen inneren Dialog mit ihm beginnen, in dem du ihm deine Lage erklärst - und ihr euch zum Schluss anlächelt/die Hände reicht/oder was immer sich für dich passend anfühlt
 
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Manche meiner Fragen hören sich für "Profis", die es in diesem Forum ja offensichtlich gibt, lapidar an. Für mich sind sie aber wichtig.

Aber ich bin mutig und neugierig.

ich spüre, dass etwas in mir ist, das ich wissen möchte.

Ich hoffe zu erfahren, weshalb die schweren Verletzungen durch meinen Vater geschehen sind. Vielleicht könnte ich ihm doch verzeihen, was ich stark bezweifle, dazu hat der das Kind zu sehr verletzt.

sondern Todesangst vor einem Menschen.

Kann das sein, dass man nach 50 Jahren immer noch nicht verzeihen kann?

Jetzt bin ich auch ehrlich, mir würde vieles leichterfallen, wenn mein Vater schon tot wäre.

Stern, wir haben schon einmal miteinander gesprochen. Falls du mich mit dem "Profi" gemeint haben solltest, Stern, so möchte ich dir sagen, dass ich einfach nur meine Gefühle ausgedrückt habe. Es sollte niemanden abschrecken.

Viele Beiträge zuvor haben schon viel Wertvolles gesagt. Ich möchte eingehen auf "wenn mein Vater schon tot wäre": Ich kenne etwas in dieser Art. Auch ich war froh, als mein Vater endlich starb.

Weshalb? Weil ich in einer Familie aufgewachsen bin, die, wie ich ihr einmal schrieb, fast nur aus Hass, Wut und übler Nachrede bestand. Sie hassen sich sogar heute noch alle. Es war für alle ein Martyrium - bis heute. Alle sehnten sich entsetzlich nach Beachtung - fanden aber nur Bitterkeit miteinander. Eine entsetzliche Situation!

Wie bin ich damit umgegangen? Ich habe versucht, mich selbst und die anderen zu verstehen. Weil ich mich um die Wahrheit bemühte, konnte schließlich meine eigene Krebserkrankung (Non-Hodgkin-Lymphom) geschehen, die ich wie einen letzten Hilferuf, der auch beantwortet wurde, empfunden habe. Danach habe ich nie wieder echte Probleme in meinem Leben gehabt - es war wie eine Katharsis.

Ich konnte die Familiensituation nicht verbessern. Aber ich konnte verstehen.

Und ich habe das Gefühl, dass du dieselben Eigenschaften hast ("Aber ich bin mutig und neugierig. ...ich spüre, dass etwas in mir ist, das ich wissen möchte.")

Zu dem Stichwort Verzeihen, das so häufig gefallen ist: Du brauchst nicht zu verzeihen - weil man nicht verzeihen kann, was nicht zu verzeihen ist. Du brauchst nur Verstehen. Durch echtes Verstehen (was war mit mir los, was war mit den anderen los?) kann ein Heilungsprozess einsetzen, der für sich selbst sorgt.

Verstehen bedeutet für mich letztlich: Ich sehe alle meine Angst, meine Wut, mein Entsetzen, meine Furcht - und ich verstehe, woher sie kommen. Ich sehe ähnliches auch bei anderen. Ich verstehe: Niemand konnte etwas für das, was geschehen ist - es waren alles notwendige Reaktionen auf unbegriffene Lebensumstände. Ich verstehe außerdem, dass es meine Angst ist, die mich im Klammergriff hält - nicht die "anderen". Die "anderen" beantworten meine Angst einfach nur durch automatische Reaktionen, durch neue Missverständnisse.

Ich verstehe: Ich konnte nichts für das, was geschehen ist. Die "anderen" konnten nichts für das, was geschehen ist. Und wenn sie immer noch nichts verstehen und annehmen können - dann können sie auch dafür nichts.

Das verstehe ich. Und so können diese Dinge heilen.

Heilen bedeutet nicht, andere zu heilen. Man braucht nicht zu ihnen zu gehen und das Gespräch zu suchen. Man bleibt einfach bei sich selbst, klärt es mit sich selbst. Und der Rest geschieht irgendwann von selbst oder auch nicht - es geht mich dann nichts mehr an. Ich mache meine Hausaufgaben - um die Hausaufgaben der anderen brauche ich mich nicht zu kümmern, dafür sorgen andere.

In meinem Fall muss ich trotzdem eines sagen: Auch wenn ich schließlich zu diesem Verstehen und diesem Frieden gekommen war, so war er erst dann doch vollkommen, als "mein Vater" (diese Familie war überhaupt nicht meine seelisch/geistige, sondern nur meine physische Familie) gestorben war. Nicht nur ich, sondern auch andere Familienmitglieder atmeten wie unter einem vom Herzen gefallenen Stein auf. Die Erleichterung war für alle spürbar. Denn dieser Mann bestand aus kaum etwas anderem als Misstrauen und Totschweigen, aus versteckter Aggression gegen das Leben.

Und als dann auch die Mutter noch starb, ging der entsetzliche Zank unter den Geschwistern auf eine andere Art weiter. Es war wie ein schrittweises Abpellen von Zwiebelschalen - persönliche Selbsterforschung eben, aus der meiner Überzeugung nach das ganze Leben besteht. Sie haben heute zumindest das erreicht, was das Beste in einer total verkrampften Situation ist: Sich voneinander zu trennen. Um vielleicht später die Dinge neu zusammenzufügen.

Denn es gibt nach meinem Empfinden nichts Schlimmeres als Menschen, die sich äußerlich wie Verwandte benehmen, sich aber NICHTS wirklich zu sagen haben. Weil sie sich voreinander fürchten, sich vor sich selbst fürchten, vor den Gräbern ihrer eigenen Seelen. Die immer nur andere beschuldigen, nie sich selbst.

Du bist mutig und neugierig, Stern. Du kannst es schaffen, wenn du weiterforschst, Furcht überwindest und alles zu durchdringen versuchst. Ich habe keine Patentlösung. Letztlich musst du alles allein machen, denn niemand kann für dich atmen. Aber aus Erfahrung wissen wir alle, wie wichtig Zuspruch und Ermunterung sind - wird diese innere Kraft in uns immer und immer wieder erweckt, dann genügt sie eines Tages, um alles in Ordnung zu bringen.

Man sollte vor allem nie versuchen, Schmerz zu "vergessen" - wie es so viele empfehlen. Schmerzen, die diesen Namen wirklich verdienen, kann man nicht vergessen. Sie müssen in der Erinnerung verbleiben, wollen empfunden werden. Aber man kann sie in sich wohnen lassen, ihnen einen Ort des Verstehens geben, ihnen den Raum lassen, den sie brauchen. Um sie hinter sich zu lassen - wie Freunde, von denen man weiß, dass es sie gibt, auch wenn man sie nicht immer sieht.

Geh einfach wie hier überall auf die Suche nach der Kraft und dem Licht, und lass dir keine Angst machen - weder von anderen noch von dir selbst.

Du bist ja schon auf dem Weg der Heilung - du brauchst keine Sorge zu haben, auf einem falschen Weg zu sein.

 
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