Wenn man sich nun hinstellt und behauptet, daß diese unsägliche Idee nicht von Paulus stamme, sondern von Gott selbst, müßte man automatisch auch glauben, um das mal am Extremfall zu prüfen, daß etwa die Nazi-Dikatatur samt ihren Vernichtungslagern gottgewollt gewesen sei, und Hitler ein von Gott eingesetzter weltlicher Herrscher. In dieser Perspektive wäre etwa Stauffenberg der Bösewicht, denn er hätte sich dann gegen die göttliche Ordnung gestellt.
Hier muss man wirklich weiter ausholen:
Paulus schneidet hier das Thema "Obrigkeit" an, dass Christen in Europa spätestens seit Hitler kontrovers beschäftigt. Und das ist gut, dass Christen über ihr Verhältnis zum Staat nachdenken. Den Brief, aus dem obiger Vers stammt, schreibt Paulus den damaligen Christen in der Hauptstadt des römischen Reiches, dem Sitz des Kaisers und des Regierungsapparates. Und das war wohl notwendig, denn die Christus-Gläubigen bekannten voller Überzeugung und dem Evangelium entsprechend, dass dieser Christus der Herr, der wahre König ist, der natürlich über dem Kaiser (Cäsar) steht. Sie wussten um den allmächtigen Gott, dessen Gesetz und Gebot das Höchste ist, der über allen Ordnungen eines jeden Reiches dieser Erde steht. Sie kannten sicher das Jesuswort an Pilatus:
Du hättest keine Macht über mich, wenn es dir nicht von oben her gegeben wäre
Johannes 19,11
Opposition und Verweigerung aller menschlichen Ordnung scheint für manche die logische Konsequenz zu sein. Paulus argumentiert dagegen, dass auch Regierungsordnungen allgemein (nicht nur die eine Person oder Gruppe, die gerade die Regierungsgeschäfte tätigt!) nach Gottes Willen sind. Gott gewährt den Regierenden ihre Gewalt, ist aber dennoch deren Herr, vor dem auch sie sich schließlich beugen müssen.
Auch Petrus thematisiert das Prinzip von staatlicher Ordnung und Herrschaft in 1. Petrus 2:
Seid untertan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen, es sei dem König als dem Obersten oder den Statthaltern als denen, die von ihm gesandt sind zur Bestrafung der Übeltäter und zum Lob derer, die Gutes tun.
1.Petrus 2,13-14
Wir verfallen bei diesem Thema leicht in das Denkschema, brutale Beispiele aus der Geschichte wie Hitler oder Stalin als Argumentationsbasis zu nehmen. Paulus kennt natürlich Despoten wie Herodes oder Nero aus eigener Anschauung - aber darum geht es ihm in Römer 13,1 gar nicht.
Herrschaftsstrukturen und Regierungsordnungen an sich sind Gottes Wille. Wer sich diesem Prinzip widersetzt, widersetzt sich Gott selbst (Römer 13,2). Die Bibel lehrt eben nicht nur spezifische Dinge bezüglich der Erlösung und des Seelenheils, sondern auch allgemeine Prinzipien über das Leben und Wirken des Menschen bzw. menschlicher Gesellschaft. Die kann und soll auf gesunde Leitungs- und Führungsstrukturen aufgebaut sein. Die Bibel heißt nicht Anarchie, Strukturlosigkeit, Autoritätslosigkeit gut. Diesen Faden greift Paulus hier auf und ermuntert die Christen in Rom, die Ordnung des Reiches anzuerkennen als eine Ausprägung des göttlichen Willens. Daher verbietet sich eine generelle Verweigerung, Widersetzung oder gar Bekämpfung einer Regierung, schon gar nicht unter dem Deckmantel christlicher Religion.
Christen gehören zwar einem Herrschaftsbereich an, der wesensmäßig nicht dieser Welt angehört, dennoch leben sie real hier in dieser Welt. Als Bestandteil der Gesellschaft sind sie eingeordnet in ein staatliches Herrschaftssystem, das sich letzlich vor Gott verantworten muss. Hier können und sollen sie einen Platz als aktive konstruktive Staatsbürger finden, und nicht als prinzipielle Verneiner, Revolutionäre oder Umstürzler.
Christen sind zusätzlich herausgefordert, "Gott mehr zu dienen als den Menschen" (Apostelgeschichte 5,29). Selbstverständlich gebührt Gott die erste und höchste Ehre und seinem Wort der erste Platz als Wegweiser für unser Leben und Ausdruck des göttlichen Willens. Unter diesem Gesichtspunkt muss nun die konkrete Situation immer wieder neu bewertet werden. Von der Bibel her wissen wir, dass der Mensch begrenzt und sündig ist, unfähig, Gottes Prinzipien und seinen Willen umzusetzen. Menschliche Herrschaft, weil eben von Menschen ausgeübt, ist zum Teil mangelhaft oder ausgesprochen widerwärtig. Die schlimmsten Ausprägungen dieser Tatsache können wir in der Geschichte hundertfach nachvollziehen.
Gott verlangt nirgends Kadavergehorsam, sondern ein konstruktives Ausleben seines Willens. Dazu gehört auch, Missstände zu offenbaren und Lösungen anzubieten. Insofern waren im Dietrich Bonhöffer und viele andere herausgefordert, dem immer deutlicher werdenden widergöttliche System mit aller Achtung vor Gott und den Menschen zu begegnen.
Wie das im Einzelnen erfolgen kann, muss wohl immer wieder neu überlegt werden, Pauschalaussagen wären hier fehl am Platz. Ein Beispiel, wie man damit umgehen kann, zeigt Corrie ten Boom, eine holländische Christin, die ihre negativen Erfahrungen mit dem Hitlersystem im Konzenztrationslager gemacht hat. Ihr Weg war, in Not geratenen Menschen (z.B. Juden auf der Flucht) zu helfen und eben nicht zu denunzieren. Hier musste sie als Christ der Sünde des Staates entgegentreten - aber eben nicht mit den gleichen Mitteln. Sie wurde getrieben von Gottes Liebe. Das ermöglichte ihr, später nicht ihren KZ-Aufseher umbringen zu wollen, sondern für ihn zu beten und dem Segen Gottes anzubefehlen. Die Frage der Christen im Nazi-Reich war nicht eine Abschaffung der Obrigkeit an sich, sondern höchstens derjenigen, die brutal, kompromisslos, systematisch gegen Gottes Gebote verstießen und Unheil über die Menschen brachten.
Ein anderes Beispiel ist Paulus selbst. Er schien ständig im Konflikt mit staatlichen Gewalten zu leben. Paulus erduldete eine Auspeitschung ohne Rechtsverfahren auf dem Marktplatz von Philippi und hatte später in Rom Gelegenheit gehabt, den Ernst seiner Überzeugung in schwerer Lage zu bewähren. Dennoch fehlt in seinen Briefen aus der Gefangenschaft in Rom (z.B. in Philipper 1,12-26) jedes bittere Wort über seine Behandlung. Kein Wort von Auflehnung oder umstürzlerischen Gedanken an die christliche Gemeinde.
Hier handelt Paulus entsprechend Römer 12,19:
Rächt euch nicht selbst, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes.
Römer 12,19
Paulus war soweit, dass er alles Gott überlassen konnte, ohne aus erlittener Ungerechtigeit heraus tätig werden zu müssen. Stattdessen ruft Paulus im erwähnten Philipperbrief dazu auf, für das Evangelium zu kämpfen (und das geschieht nach dem neuen Testament nicht "durch das Schwert", sondern im Erdulden, in der Liebe, durch Standhaftigkeit. Bei allem, was Paulus erdulden musste (z.B. in Apostelgeschichte 21,27 bis 26,32) wird deutlich, dass er in diesen Situationen nicht an Aufruhr gegen die Herrschenden dachte. Im Gegenteil: Als er merkt, dass er gegen den Hohepriester aufbegehrt hat, macht er sofort einen Rückzieher und gab ihm als Autorität die ihm gebührende Ehre (Apostelgeschichte 23,1-5).
Auch heute sind wir gefordert: Es geht nicht darum, dem Staat den Rücken zu kehren, uns zu verweigern und gar dessen Gesetze zu missachten. Es geht vielmehr darum, in einem angemessenen Rahmen seine Verantwortung und Möglichkeiten wahrzunehmen, um Gott ehrend der Gesellschaft zu dienen und sich einzubringen. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, dieses tun zu können, wenn es z.B. um die Frage der Abtreibung, Ehe und Familie, Pornografie, Todesstrafe, Bestechlichkeit, Umgang mit Regierungsverantwortung und vieles mehr geht.
Vielleicht motivieren uns hier auch positive Beispiele, wo durch das Handeln von Mächtigen wirklich gute Dinge geschehen sind, wie zum Beispiel die Abschaffung des Sklavenhandels unter Abraham Lincoln, die Sozialgesetze unter Otto von Bismarck oder unser Grundgesetz, das wohl einmalig und wegweisend in der Moderne als "Beschreibung" eines Staates ist. Denken wir in biblischen Zeiten an einen Josia oder Hiskia, deren Reformen ein Segen für ihr Volk war, oder auch Nebukadnezar oder Cyros, die explizit als Werkzeuge Gottes agierten.
Regierungsstrukturen sind von Gott gewollt, um das Ausmass und die Auswirkung der Sünde einzudämmen. Innerhalb dieser Strukturen sollen Christen – unabhängig von Zustimmung oder Ablehnung gegenüber der jeweils Regierenden - ihren Platz finden und Verantwortung übernehmen. Dabei sind wir (und die Regierenden) in erster Linie Gott gegenüber verantwortlich.
Übrigens bei der Aufzählung der Fehler hast du Tommy in der Fachrichtung Biologie plötzlich den wiederkäuenden Hasen weggelassen! In jedem speziellen Fall die so akribisch von dir zerpflückt werden wollte Gott dem Menschen bestimmte Informationen vermitteln.
"Kommunikation ist, was beim dafür bestimmten Empfänger ankommt" - wir tun gut daran, die Bibel so zu lesen, dass wir nie den geschichtlichen Kontext aus den Augen verlieren oder wer die Leser der ursprünglichen Texte waren.
Gottes Wort will direkt und im Alltag verstanden und umgesetzt werden - es ist kein biologisches Fachbuch. Deshalb sind die beschriebenen naturwissenschaftlichen Sachverhalte nicht "falsch dargestellt", sondern auf einer anderen Kommunikationsebene vermittelt.
lg
Schreib!