Liebe Venus3,
Warum muss man im Buddhismus so viel stillsitzen???
Die Idee dahinter ist, daß es aus einem ruhigen Geist heraus leichter ist, das eigene Wesen zu erforschen. Eher eine methodische Sache. Dazu gibt es aber viele verschiedende Auffassungen. Eine sicher sehr extreme Auffassung ist die Auffassung von völliger Entsagung gegenüber allen weltichen Lebens. Eine andere Auffassung, die mir mehr zusagt, ist, den Geist nicht nur in der Stille, sondern auch im ganz normalen Leben zu erforschen. Darum finde ich Leben, "was das Zeug" hält schon richtig, statt sich künstlich aus allem rausnehmen zu wollen und zu isolieren (wobei das auch zum Weg dazugehören kann, so eine Erfahrung zu machen, wenn sie denn ansteht und wie gesagt je nach Auffassung). Allerdings: uns bleibt ja so und so keine Wahl, oder? (ich meine keine Wahl als zu leben)
Soviel ich das Leben von Buddha beurteilen kann, war er alles andere als nur still dagesessen.
Er hat gelebt, was das Zeug hält.
Gelebt "was das Zeug hält" ist doch sehr relativ, oder? Du meinst wohl, er hat sein Leben authentisch und intensiv gelebt, oder? Mit vollem Bewusstsein? ODer meinst Du "wild und exszessiv"? "gelebt was das Zeug hält" klingt missverständlich.
Wie kommen nun Buddhisten darauf, durch stillsitzen und
sanftes Leben "erleuchtet" zu werden???
In der Tat ist das eine von vielen Möglichkeiten, Meditation/bzw. die Philosophie des Buddhismus falsch zu verstehen, falls Dein Satz i.S. von in eine Höhle zurückziehen, nur untätig herumsitzen, sich um nichts äusseres mehr kümmern, etc. gemeint ist. Aber es ist genauso auch richtig, sofern still nicht regeungslos dasitzen heisst, sondern aus einem klaren und ruhigen Geist heraus und sanft nicht zahnlos und ohne jedes Temperament sondern mit einem mitfühlenden, gleichmütigen Bewusstsein meint.
Um falsches Verständnis zu vermeiden bzw. das eigene Verständnis überhaupt zu entwickeln, bedarf es nach meiner Erfahrung der Führung durch jemanden, der die Lehren gut kennt und sehr aufmerksames und kritisch-hinterfragendes Studieren der Lehren. Sonst ist das sehr schwierig, richtig zu verstehen und zu beurteilen und v.a. zu erleben.
Man kann mit keiner "Nachahmung" selbst erleuchtet werden.
Nunja, wieso nicht? Wieso nicht mit Nachahmng beginnen? Du ahmst es so lange nach, bis Dir die Schauspiel der Erleuchtung so in Fleisch und Blut übergeht, daß Du völlig darin aufgehst, dann wird Erleuchtung für Dich wahr. Es ist dann gleichgültig, ob es Nachahmung oder ein andere Methode war, die Dich in diesen Zustand gebracht hat, oder? In gewissen Abschnitten und Disziplinen spiritueller Praxis (z.B. Tantra) kann Nachahmung (bestimmter Gottheiten) als Methode zu einem bestimmten Zweck eingesetzt werden.
Buddha hatte eine Vorgeschichte und von vornherein ein bestimmtes Bewusstsein.
Das ist sicher richtig. Das trifft auf uns alle zu. Es gibt niemanden, der kein bestimmtes wie auch immer entwickeltes Bewusstsein hat.
Auch wird man nicht erleuchtet, wenn man exakt sein Leben nachlebt.
Das ist ja in dieser Welt auch nicht möglich, weil sich seither das "Rad des Karma" ja erheblich weitergedreht hat. Man kann aber Buddahs Leben bzw. seine Lehren in dem Sinn "nachleben", indem man sie ernsthaft und eingehend studiert und sowohl theoretisch als auch vor allem praktisch nachzuvollziehen versucht. Das ist alles andere als leicht, die Lehren sind äusserst tiefgründig und sehr subtil, leicht misszuverstehen - soweit ich es bisher verstanden habe. Aber das gilt ja für alle Erscheinungen im Leben, ich meine, daß es alles andere als leicht ist, sie richtig zu verstehen (das finde ich im ÜBrigen auch das Lehrreichste an diesem wunderschönen Thread, wie in das Leben schrieb!)
Sein Leben war individuell und alles was er erlebt hat, hat sich aus seinen
Reinkarnationen zusammengesetzt.
Dadurch wurde er eigentlich erst zu Buddha.
In der Vorstellung der Buddhisten stimmt das bezogen auf die menschliche Manifestation des historischen Buddhas, bezogen also auf Buddha als Person. Bezogen auf Buddha-Natur nicht, denn diese entwickelt sich nicht "individuell" und "aus Reinkarnationen zusammengestetzt" sondern ist die wahre, unpersönliche, nicht gespaltene, nicht erschaffene usw. Natur des Seins, die in uns allen die Gleiche ist und uns zu Einem macht und die Trennung zwischen uns aufhebt.
Sicher kann man aus der Betrachtung des Lebenslaufs der Person Buddhas einige Schlüsse ziehen, jedoch ist das meiner Meinung nach eben nicht das Wesentliche.
Deshalb kann ich nicht verstehen, wie viele Priester im Buddishmus
seine letzten 3 Minuten im Leben nachspielen und dadurch glauben,
sie werden auch erleuchtet.
Falls es solche Priester tatsächlich gibt, die nur auf diese 3 Minuten bauen, so wie Du das beschreibst, müsste man diese einmal genauer befragen, was sie da eigentlich genau tun und warum. Ich kenne so einen Priester nicht, aber ich kenne einige Meditierende, die falsche oder nur oberflächliche bzw. unvollständige Vorstellungen vom Meditieren, vom Budhhismus, Erleuchtung etc. haben und für die es sicher sehr wertvoll ist, solchen Fragen genauer nachzugehen (mich selbst nicht ausgenommen).
Schöne Grüsse,
Haris