Selbst-Missbrauch

"Eine integrale Vision - oder eine echte Theorie von Allem - versucht Materie, Körper, Geist, Seele und GEIST zu umfangen, so wie sie sich im Ich, in der Kultur und in der Natur manifestieren."


Das war der erste Satz, den ich von Ken Wilber gelesen habe.

Aber es gibt keine 'echte Theorie von Allem'.







(und ich habe auch beim Weiterlesen keinen einzigen spirituellen Gedanken gefunden)

fckw > your turn
 
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Original geschrieben von vulnerable

Aber es gibt keine 'echte Theorie von Allem'.
Richtig, denn das wäre ein Widerspruch in sich selbst. In letzter Zeit hege ich ein unbändiges Misstrauen gegenüber allen Arten von Theorien, Gedankengebilden - seien es meine eigenen oder die von andern, seien sie noch so simpel oder komplex.
Auf der andern Seite ist Wilber clever, irgendwo schreibt er ebenfalls, dass seine Bücher eigentlich Lügen seien, die Faust aufs Auge der Wahrheit, sozusagen. Nun, da hat er möglicherweise Recht, das muss er selber wissen.
Bloss: WARUM schreibt er dann überhaupt? Machbarkeitswahn? Der Glaube, dass er etwas bewirken könne, in der Welt? Wilber ist aber ein relativ kleiner Fisch, könnte man sagen. Schauen wir in die Weltgeschichte ein bisschen zurück, dann treten da ganz andere Gestalten auf: Von Nietzsche (immer noch ein kleiner Fisch), über Platon (ein mittelgrosser Fisch) bis hin zu Jesus oder Buddha (die wirklich dicken Fische), um nur ein paar wenige der Sorte zu nennen. Sie haben allesamt der Welt ihre Ansichten verkündet. Warum? Aus reiner Selbstlosigkeit etwa?

Vom Machbarkeitsdenken habe ich mich übrigens bisher nicht gelöst. Nach wie vor treibe ich Sport, ernähre mich mehr oder minder gesund, meditiere zweimal täglich und stehe jeden Tag wieder auf, als ob ich wüsste, was ich täte und als ob ich glauben würde, dass das alles einen Sinn macht. Irgendwo glaub ich's sogar. Und jeder Versuch, das auszumerzen ist sinnlos. Der "Klick"-Moment fehlt. Und wieder dreht man sich im Kreise.
 
Ich schreib gleich nochmal. So als Reaktion auf den Thread vom Vollmondfreak hab ich soeben mal ein bisschen planlos im Internet rumgesurft. Dabei habe ich folgende Zen-Geschichte gefunden (sollte vielleicht in den Zen-Thread):
Ein alter Zenmeister fragte seinen Novizen bei der Aufnahme: "Kannst du Zazen?" - Der Schüler: "Gewiss, das kann ich" - Der Meister: "Dann laß mich dein Schüler sein!"
Sicherlich ein weiser Mann, dieser Zenmeister. Oder vielleicht doch nicht? Hmmmm, verwirrt?
Das ist ein Koan! Wer weiss hier die richtige Lösung?

(Quelle: http://medimihi.de/homepage.htm)
 
Nun, wenn Du das wirklich wissen willst ("Bloss: WARUM schreibt er dann überhaupt?"), muss ich mich näher mit ihm befassen.

Bei Jesus bin ich etwas ratlos. Gab es ihn?
Mit Buddha tue ich mir leichter. Es gibt nicht diesen überhängenden Unsinn über ihn; und die Emotionalität verteilt sich besser. > Sagen wir der Einfachheit halber, es gab ihn. Buddha.
Ich sage zu Buddha folgendes: A. Er hat keine "Ansichten" verkündet. Und darüber bin ich sehr froh. Es gibt nicht viele von dieser Sorte.
B. (und das ist schwieriger: ) Selbstlosigkeit. Ja, WOher nimmt ein Mensch die Motivation, überhaupt noch etwas zu sagen - zu dieser Art Menschheit.
Verzweiflung packt jeden Erwachenden. Cleverness ist kein Ausweg da raus. ein Umweg, eher.
Buddha hat sein Mitgefühl vorher entwickelt. Vor seiner Erleuchtung. Er hat es mitgenommen, hinüber genommen - und hat gesprochen. immer weiter gesprochen.
das war nett. salopp gesprochen.

Du verstehst?


Was ich sagen will ... Machbarkeitsdenken - die Leistungen des Verstandes; als Werkzeug verstanden - für das Physische: die Gesundheit unseres Körpers; den Einkauf für den eiweißenthaltenden Lunch vor dem Sport; die Morgentoilette. Und für die '"Beantwortung"' der Frage: Warum stehe ich jeden Tag wieder auf; für die Unbeantwortbarkeit dieser Frage, nämlich --- Dafür dann kein Machbarkeitsdenken, keinen Verstand, keinen Gedankenkreis, sondern..................





?
 
wow....V. kann sprechen :)


@fckw:

ich denke, es hat weniger mit dem zu tun, was wir alles tun, sondern mehr ganz einfach mit Sein. So ne Checkliste, was ich alles am Tag erledigen muss, um irgendein Ziel zu erreichen (Erleuchtung, Harmonie, Gluecklichsein oder was auch immer), hatte ich frueher auch mal, aber ich habe fuer mich festgestellt: DAS ist es nicht. Weg vom Konsum hin zum Sein. Mit "Gehirnakrobatik" (klasse Wort, danke an...emm...wer hatte das in irgendeinem Thread hier im Forum geschrieben? Mein Ausdruck dafuer ist etwas wuester: "Mindfuck"...*g*) kommt man nicht immer weiter. Dei Gehirnakrobatik laesst einem im Kreis drehen. Manchmal ist es wichtig, das Denken auszuschalten und einfach nur zu fuehlen...zu sein.

lg
Chris
 
@Seelenflügel
Original geschrieben von Seelenfluegel

Manchmal ist es wichtig, das Denken auszuschalten und einfach nur zu fuehlen...zu sein.
Das ist nicht möglich, so lange der Mensch denkt. Wirklich sein kann nur, wer nicht denkt, beziehungsweise, an dem sein Denken vorbeigeht ohne ihn wirklich zu berühren.
Hmm, jetzt da ich den Satz hingeschrieben habe, bin ich schon nicht mehr sicher, ob das stimmt. Wahrscheinlich liegt eben genau hier mein Irrtum. Ich BIN ohnehin schon. Irgendwie. Meine Gefühle sind, meine Gedanken sind ebenfalls und ich existiere eh schon so wie ich eben existiere. Warum bloss kann ich (und auch alle andern Menschen, die ich kenne) es nicht einfach hier belassen?

@vulnerable:
Bei Jesus bin ich etwas ratlos. Gab es ihn?
Bestimmt. Wahrscheinlich wird ihm aber ebenfalls aus blossem Wunschdenken einfach eine Riesenmenge Unsinn angedichtet.
Mit Buddha tue ich mir leichter. Es gibt nicht diesen überhängenden Unsinn über ihn; und die Emotionalität verteilt sich besser.
Der letzte Teilsatz mag stimmen, den mittleren hingegen glaube ich nicht. Da gibt es die abstrusesten Geschichten über den Herrn. Ungefähr in der gleichen Art wie sie auch über Jesus erzählt werden. Es gibt eine sehr schöne Geschichte, von der ich mich ich leider nicht mehr richtig erinnern kann, wo ich sie gelesen habe, aber ich versuche sie hier so mehr oder minder wiederzugeben - leider weiss ich ebenfalls nicht, ob sie wahr ist oder nicht (oder ist sie gar hier irgendwo im Forum versteckt? Sei's drum...):

"Einer der höchsten Geistlichen des tibetischen (?) Buddhismus sollte einmal an einem wichtigen religiösen Feiertag eine Rede vor einer grossen Menge halten. Der Mann bestieg also das Rednerpult, die Menschen wurden schweigsam. Einen so bedeutenden Redner sollte man ja auch sprechen lassen.
Dann begann der Geistliche seine Rede. Er sagte: "Gemäss einer alten Überlieferung zufolge soll der erste Buddha, kaum dass er das Licht der Welt erblickt hatte, auf seine zwei Beine gestanden sein und eine Rede an die Welt gehalten haben. Um ehrlich zu sein, wäre ich damals zugegen gewesen, ich hätte einen Stock genommen, den aufsässigen Bengel erschlagen und seinen Leichnam in der nächsten Mülltonne entsorgt."
Worauf der Geistliche das Rednerpult wieder verliess."
 
@fckw: da steht das Koan schon drin. ;)


Das ist ein Koan! Wer weiss hier die richtige Lösung?


Na, ist doch klar: der Schüler ! ;)



Ich versuch's mal kurz zu machen: die Kernlehre des Buddhismus ist die Selbstlosigkeit (Nibbana), die Leerheit des Menschen von einem "ICH" oder "EGO". Die Buddhanatur hat verwirklicht, wer die Leerheit von ICH und "" MEIN verwirklicht hat.


So stellt der Lehrer dem Schüler eine Fangfrage, die auf sein EGO (ICH) abzielt, um seine Reife zu prüfen. Er fragt: Kannst DU Zazen?

Eine kluge Antwort wäre alles gewesen, die dieses EGO verneint hätte. Aber der Schüler fällt darauf herein und behauptet SELBSTsicher, dass er dies könne. Damit hat er seine wahre Reife offenbart: er hat die Essenz des Buddhismus vielleicht mit dem Kopf aufgenommen, aber umgesetzt hat er noch GAR NICHTS !

So wie einige die Bibel lesen, um später doch gegen die 10 Gebote zu sündigen.




Besonders niedlich finde ich die Antwort des Meisters. :D
Typisch Zen.


:)
 
Nun, mit dem Koan meinte ich nicht die Geschichte, sondern die Frage, wer von beiden der Kluegere sei.
Die Antwort ist natuerlich entsprechend: Keiner von beiden ist wirklich klug - und nicht etwa, weil es kein Ich gäbe oder sowas, das hat damit nichts zu tun.
Es geht darum, dass der Schueler eben Schueler ist, weil er meint, er könne als Schueler irgendwas wichtiges in der Welt lernen, es gäbe etwas, was er nicht schon bereits wuesste, m.a.W. es gäbe ein Glueck ausserhalb seiner selbst (ansonsten wär er ja nicht Schueler, ne?). Ist aber der Lehrer wirklich der Kluegere von beiden? Sollte er nicht eigentlich wissen, dass er dem Schueler nichts beibringen kann, falls dieser nicht sowieso auch ebenso gut ohne den Lehrer dasselbe gelernt hätte? Beziehungsweise, dass er dem Schueler nichts beibringen kann, wenn dieser nicht sowieso lernen will? Aber warum ist er dann ausgerechnet Lehrer geworden? Tja, so betrachtet sehen sie beide nicht mehr so gut aus.
Und noch einmal: Das hat nix, aber auch gar nix mit buddhistischen Lehren und noch viel weniger mit derer Verwirklichung zu tun.

"Verwirklichung" - allein schon das Wort verrät alles ueber den, der es benutzt. Es verrät, dass derjenige z.B. immer noch daran glaubt, dass es eine wirklichere Wirklichkeit gäbe, als diejenige, welche bereits ueberall ist. Wenn das nicht so wäre, dann gäbe es auch nicht das geringste zu verwirklichen, aber auch nicht das kleinste bisschen bliebe einem zu tun, es wäre dann alles gleich unbedeutend, gleich langweilig oder schön, gleich schrecklich und erstaunlich.

Warum hat der Schueler die Idee, Schueler sein zu wollen und der Lehrer diejenige, Lehrer sein zu wollen? Deshalb: Weil sie beide dem Machbarkeitsdenken erlegen sind. Der Schueler glaubt, er habe was zu lernen, der Lehrer glaubt, er habe was zu lehren. Sie haben geradezu gar nichts von dem verwirklicht, was sie zu verwirklichen suchen.

Das ist die Lösung des Koans.

Greetz fckw
 
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