Naja, es geht aber weniger um gute oder schlechte Witze, sondern um Witze, die entweder auf Kosten anderer gehen oder eben nicht auf Kosten anderer gehen.
Kannst Du austauschen. Wenn Du Witze, die auf Kosten anderer gehen, als
schlechte Witze deklarierst, hast Du wieder die gleiche Aussage, wie die, die ich schrieb. Und auch solche schlechten Witze werden nunmal gesellschaftlich nicht immer abgewatscht, sondern auch da hängt es stark von der allgemeinen Sympathie ab, wie die Reaktion gesamtgesellschaftlich ausfallen wird.
Bestimmte Witze gelten heutzutage als absolut geschmacklos, doch vor 80 Jahren lachten die Leute noch darüber.
Ich weiß, was Du meinst, und das geht auch auf kleineren Zeitskalen. Michael
Bully Herbig sagte einmal, dass er den Film
Der Schuh des Manituh, der damals der erfolgreichste deutsche Film wurde, heutzutage (als er das sagte) nicht mehr drehen könnte.
Aber ich glaube dabei eigentlich gar nicht, dass sich der Humor der Gesellschaft verändert hat. Witze auf kosten anderer und auch derbere Witze gab es immer und wird es immer geben. Es gibt immernoch Comedians, die nicht nur mit grenzwertigen sondern mit grenz-überlaufenden Gags sehr erfolgreich sind und bleiben. Deren Fans lachen sich über die Tabubrüche halb scheckig, und die Menschen, die das nicht schätzen, rümpfen vielleicht etwas die Nase, sagen etwas verschnupft: "Also das gefällt mir nicht...", aber Proben keinen Shitstorm gegen diese Comedians. Jeder weiß, dass Tabubrüche deren Geschäftsmodell ist, und sie selbst sind sich sehr wohl und voll bewusst, dass sie mit ihren Witzen auch sehr vielen Menschen metaphorisch stark auf den Schlips treten.
Was sich vielleicht etwas verändert hat, ist, dass die Teilmenge der Menschen, die diverse Arten von Humor nicht schätzen, etwas lauter geworden sind. Das kann man schlecht finden und bemängeln - wie besagter Bully Herbig, der da von der
Humor-Polizei spricht - oder man kann es gut finden, weil es zeigt, dass sich die Gesellschaft ein Stück weit gegenüber möglicher durch "Humor" verletzter Gefühle sensibilisiert ist.
Es gilt schon auch, da eine gewisse Grenze auszuloten.
Wenn man dagegen Politiker ist, wird man es wohl aushalten müssen, wenn man mal zum Satire-Zielobjekt auserkoren wird.
Ja, eine Grenze kann vielleicht ausgelotet werden. Ich glaube aber wie gesagt nicht, dass die gesellschaftliche Reaktion - Shitstorms etc. - eine wirklich geeignete Messlatte für die Qualität von Humor ist. Und auch nicht unbedingt das, was Du oder ich für lustig finden und was nicht.
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Ja, was darf Humor und was darf er nicht, das wäre einen eigenen Thread wert. Ich denke, hier sind wir OT.
Im Genenteil bin ich davon überzeugt, dass wir damit voll im Topic des Threads sind. Hier im Thread auch wurde Humor als erstrebenswerte Charaktereigenschaft bezeichnet. Und dem stimme ich auch zu. Ich glaube aber wie gesagt nicht oder nicht nur, dass wir die Sympathie eines Menschen nach ihrem Humor bemessen...
Aber ich hab letztes Jahr ein Interview mit Anke Kuhl gemacht. Zu ihrem Buch "Radieschen von unten" - ein Buch über den Tod, das sie in ihrer typischen Art sehr humorvoll illustriert hat. Damals haben wir lange über dieses Thema gesprochen. Und grad in den letzten Tagen hab ich den Newsletter vom "Falter" bekommen, in dem Florian Klenk das Thema anspricht.
Ich denke, dass der Humor gerade ernsthaft in Gefahr ist und wir ziemlich unlustigen Zeiten entgegensehen.
Ja, die Befürchtung habe ich manchmal auch. Und das sieht man dann, wenn eben auch Witze - egal ob harmlos, grenzwertig oder tabu-brechend - heftige Shitstorms hervorrufen. Ich denke dabei gar nicht mal, dass die Shitstorms ungerechtfertigt sind... sie sind nur nichtunbedingt der "Tat und Schuld" des Witzes angemessen. Im Gegenteil sind sie meines Erachtens rein zufällig. Jemand findet irgendeinen Haken, und alle, die den Witzerzähler nicht mögen, hängen sich dann mit rein und treiben eine neue Empörungs-Sau durchs Dorf... mal mehr mal weniger gerechtfertigt.
Ich will damit nicht sagen, man solle sich nicht empören und keine Säue durch Dörfer treiben - das mache ich ja auch ab und zu ganz gerne. Wir sollten uns aber davon verabschieden zu glauben, diese Sau-Treibjagten, diese Shitstorms, wären ein wirklicher moralisch immer richtiger Gratmesser.
Wenn wir das differenziert hinbekommen könnten, könnten wir es auch evtl. schaffen, dass "schlechter" Humor - egal, wie man "schlecht" hier definiert und wonach man das bemisst - zwar immer auch krisitiert wird, von den Menschen, die ihn nicht mögen,... aber eben nicht heftiger als angemessen.