Mipa's Thread

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Mein Kopf ist voller Modelle und Konzepte, voller medizinaltechnischer Theorie, die ich mir das vergangene halbe Jahr in den Kopf gestopft habe. Morgen wird das nicht zählen. Da gehts nur noch um den Überblick, um unzählige Hände, die mir fehlen werden und darum, einfach nur schnell zu sein, obwohl ich noch lerne. Das verunsichert mich und macht mir Angst und ich frage mich zu wiederholten Male, welcher teufel mich geritten hat, diese letzte Bastion zu stürmen.
Aber eigentlich weiss ich es, auch wenn ich diese Tatsache für mich immer etwas herunterspiele: Ich kann wirklich gut mit den Patienten, sie mögen mich und ich mag sie. Ich kann mir nichts sinnigeres vorstellen, als ihnen das Leben etwas leichter zu machen, an ihrem Gesundungsprozess beteiligt zu sein, ihnen Mut zu machen, einfach für sie da zu sein, in Schmerz und Leid, aber auch, wenn’s ihnen besser geht und sie wieder lächeln können. Dafür lohnt sich dieser Weg jetzt nochmal, obwohl er fast über meine Kraft geht.
Ich beiss die Zähne zusammen und packs an, lass mich nicht entmutigen und trotze meinen zweifeln. Und jetzt schneide ich mir noch ein Stück von Sia ab.:thumbup:
 
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Eigentlich wollte ich all meine wirren Notizen des heutigen Tages in eine Form bringen und nochmals repetieren, was ich gelernt hatte, was morgen erneut unbarmherzig auf mich niederprasseln würde. Angefangen von der infusionsberechnung, über das kürzen und zurechtstutzen von abenteuerlichen und unbekannten medizinischen Diagnosen bis zu einer punktlandung in Sachen Zeitmanagement und leistungserfassung. Ich wollte die letzte hirnzelle hervorkramen oder auspressen, damit es morgen besser lief als heute - vor allem aber schneller.
Dann kamen mir die Tränen der Enttäuschung und machten dieses Vorhaben zunichte. Es machte keinen Sinn, ausgepowert, enttäuscht von sich selbst und müde, noch etwas aus sich rausholen zu wollen, zumindest nicht jetzt sofort. Als ich Oska bei ihrem Song zuhörte, fühlte ich ihre Leichtigkeit durch mich hindurchwehen, ähnlich wie beim Besuch der abteikirche, wo ich und meine momentane Befindlichkeit an Wichtigkeit verloren, um etwas viel besseren und grösseren Platz zu machen. Etwas tröstlichem und schützenden, etwas liebevollem. Etwas, das sich nicht in einer chaotischen Dokumentation zeigte, nicht in einem verspätet gegebenen Medi und nicht in einem miserablen Zeitmanagement. Etwas jenseits von mir und dennoch direkt in mir und durch mich. Ich sah es in den Augen des älteren Patienten, dem ich nach einer Mobilisation die Hand drückte und den ich lobte, im kleinen schwatz mit dem frisch operierten, der es bewundernswert fand, dass eine ‚Frau in meinem alter‘ nochmals Schülerin war und den ganzen Stress freiwillig auf sich nahm, im kurzen Gespräch mit einer pflegehilfskraft, die man gar nicht richtig wahrnahm oder ihren grossen Gewinn erkannte. Da habe ich gespürt, dass ich eigentlich unantastbar war, sicher und geborgen, weil ich nicht auf eine Rolle reduziert war. Ich bin viele, eine bin ich besonders gut und gerne, weil sie mich direkt ausmacht.:blume:

Und korrekt dokumentieren kann irgendwann jeder.
 
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Ich rufe dich bei deinem Namen ( Jes 43,1)

Ich hab das mal an einer taufpredigt gehört, es ist viele Jahre her. So, wie ich es verstanden habe, ruft Gott das Kind bei seinem Namen, weil er genau dieses Kind meint, liebt und will und durch seinen Ruf in die Glaubensgemeinschaft aufnimmt.
Gestern, als ich mich von einem Patienten verabschiedet habe und am hinauslaufen war, bedankte sich dieser und nannte dabei meinen Namen. Ich sah ihn erstaunt an, denn sehr viel Patienten können sich unsere Namen weder merken, noch interessieren Sie sich dafür, was verständlich ist.
Gestern fiel mir wieder auf, dass ich alle Menschen in meinem Umfeld immer mit Namen anspreche und das auch oft und bewusst. Egal, wo ich bin und wohin ich gehe, sobald ich einen Namen kenne, spreche ich ihn aus.
Einen Namen auszusprechen hat für mich viel damit zu tun, dem gegenüber das Gefühl zu geben, ich nehme dich wahr, ich sehe dich. Du bist mir nicht mehr unbekannt, ich trete mit Dir in eine Interaktion - genau mit Dir, weil ich an Dir interessiert bin.
Meine Erfahrung zeigt mir, dass dies sehr viele Menschen nicht tun. Interaktionen bekommen so etwas zufälliges, unwichtiges und beliebiges. Da ich mit dem nennen des Namens auch Interesse am gegenüber assoziiere, stelle ich dann meist fest, dass auch keine Frage gestellt werden. Gespräche bleiben farblos und unpersönlich.
Der Name selber interessiert mich nicht, aber ihn zu nennen (wenn ich ihn denn kenne) und auszusprechen zeigt meinen Wunsch, den andern wirklich zu sehen.
So ist mir auch in meinem neuen beruflichen Umfeld aufgefallen, dass es offensichtlich nicht immer üblich ist, Namen zu kennen, sich zu merken und diese auch auszusprechen. Ich stelle aber fest, dass mein gegenüber sich immer freut, wenn ich es tue. Es wird plötzlich aufmerksamer, sieht einen anders an. Man kann seinen eigenen Namen mögen oder nicht, ihn von einem anderen ausgesprochen zu hören, vermittelt das Gefühl von angenommen und gemeint sein, wertgeschätzt, akzeptiert und erkannt zu werden.
Ich werde dich also weiter bei deinem Namen rufen.:)
 
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