Anatol schrieb:
Dabei bist aber du derjenige der Sexualität auf etwas rein körperliches reduzieren will, und der an seiner Ideologie festhält.
Das ist nicht richtig, Anatol. Für mich ist die Sexualität genau so heilig wie für dich. Nur ich betrachte sie nicht als Mittel der sexuellen Befriedigung. Vielmehr möchte ich versuchen, die sexuelle Energie für spirituelle Zwecke zu nutzen.
Swami Sivananda sagt dazu:
Sublimierung ist keine Frage von Unterdrückung oder Verdrängung, sondern es ist ein positiver und dynamischer Umformungsvorgang. Durch erhabene Gedanken, Meditation, Japa, Gottesverehrung und Pranayama kann die Sexualenergie in Ojas Shakti, in spirituelle Energie, umgewandelt werden. Dieses Ojas ist für Dich sehr hilfreich für lange, tiefe Meditation. Es wird im Gehirn gespeichert. Es hilft der Kontemplation. Selbst im fortgeschrittenen Alter ist es von Nutzen.
Sexuelle Befriedigung ist ein großes Hindernis am spirituellen Weg. Die Lockung des Fleisches ist Dein unverwundbarer Feind. Er versperrt auf jeden Fall die spirituellen Praktiken. Der Geschlechtstrieb muß kontrolliert werden durch die Pflege erhabener göttlicher Gedanken und regelmäßige Meditation. Es muß zur vollständigen Sublimierung der Sexualenergie kommen. Nur dann ist der Strebende sicher.
Brahmacharya bedeutet also weder Unterdrücken noch Verdrängen von Sexualität. Die Sexualität wird umgangen - und dieses sexuelle Potential wird für etwas verwendet, das zehnmal, hundertmal großartiger ist. Deshalb ist es ein Missverständnis, von Unterdrückung oder Verdrängung zu sprechen. Das liegt an einem mangelnden Verständnis dafür, was es mit der wirklichen spirituellen Suche auf sich hat. Wenn man es richtig versteht, wird man nicht so darüber sprechen. Wir sind nicht einfach Menschen, wir sind mehr als Menschen. Unsere Erscheinungsform als Menschen ist nur ein schwacher Widerschein dessen, was wir in Wahrheit sind. Der einzige Grund, warum unsere Erscheinungsform als Menschen von Bedeutung und Wichtigkeit ist, besteht darin, dass sie uns, wenn sie richtig verwendet wird, erhebt und dahin bringt, wohin wir eigentlich gehören, in das Königreich - auf das wir ein Geburtsrecht haben.
Wenn ein intelligenter Mensch die gesamte Situation des Lebens gut durchdacht hat, sich sagt: "Wenn ich etwas Großes und Mächtiges erreichen will, kann ich es mir nicht leisten, die mir zur Verfügung stehenden Energien zu verschwenden. Je mehr ich sie bewahre, desto mehr kann ich sie für diese Absicht einsetzen, und desto besser sind die Chancen auf Erfolg."
Wenn der Mensch so denkt und die rationale Seite dessen verstanden hat, und wenn die höchste Errungenschaft, zu der er strebt, ihm das wert ist, wenn er oder sie aus freiem Willen, mit voller Absicht und großer Begeisterung zum Zölibat schreitet, wo ist dann Unterdrückung? Ganz im Gegenteil, das, was als Selbstverleugnung erscheint, gibt effektiv einer höheren Dimension unseres Wesens Ausdruck, in die man sich jetzt begeben hat. Also weit davon entfernt, darauf zu verzichten, sich selbst Ausdruck zu verleihen, gibt es dem Menschen seinen vollen Ausdruck, da er sich nicht länger mit dem geringeren Aspekt seiner Gesamtpersönlichkeit identifiziert. Er identifiziert sich mit dem höheren Aspekt. Es ist eine Art Befreiung und Entwicklung hin zu einem höheren Niveau. Es ist etwas Positives, Kreatives und nicht etwas Negatives. Es ist kein Verneinen, sondern effektiv ein Ausdruck seiner selbst.