Liebe Kalihan,
ich meine das jetzt nicht als Kritik, sondern betrachte es als Weg der Verständigung.
Ebenso teile ich nicht die Erfahrung, dass sexuelle Verbindung zu Kraftverlust führt. Wir erleben nämlich das Gegenteil. Trotzdem führt es nicht zu Suchtverhalten, wie das in diesem Thread ständig so extrem dargestellt wird.
In diesem Thread wurde Sexualität und Sucht lange Zeit implizit wie ein Paar verwendet. Ich weiß nicht, ob Du die langen Beiträge (826, 827, 829, 831, 832, 845, 850, 869, 874, 875, 878) gelesen hast. Ich hatte Opti hie die Frage gestellt, welche Gemeinsamkeiten wir zwischen unseren Positionen ausmachen können. Und hier waren wir uns einig, dass es nicht darum geht, ob die Sexualität zur Sucht führt, sondern dass die gegenwärtige Sozialisation ganz allgemein eine süchtige Konstitution des Menschen bedingt. Die Sexsucht kommt dann hinzu, aber der Sex löst nicht die Sucht aus, sondern die sozialisationsbedingte Suchtkonstitution ( sei es Rauchen, Spielen, Arbeiten, Anerkennung, ... Sucht im weitesten Sinne) bedingt dann die Sexsucht.
. Nicht Erleuchtung durch Enthaltsamkeit, sondern Enthaltsamkeit durch Erleuchtung. Ich nehme an, weil dann die duale Spannung wegfällt, die sich unter anderem durch männliche und weibliche Energie ausdrückt.
Das hört sich in meinen Ohren so an, wenn ich das ganz streng auseinander dividiere, dass erst der Erleuchtete enthaltsam lebt ("Enthaltsamkeit durch Erleuchtung"). Dem stimme ich nicht zu - und dann stünde sofort die Frage im Raume, wieso der Großteil der Bikkhus schon vor der Erleuchtung enthaltsam lebt. Ich stimme aber auch nicht der mono-kausalen Beschreibung zu, dass "Erleuchtung durch Enthaltsamkeit" gewonnen wird.
Niemand – so weit ich das in Erinnerung habe - hat gesagt, dass wir einen Menschen gegen seinen Willen in eine Zelle stecken, wir ihm sexuelle Gedanken verbieten, so dass irgendwann ein Erleuchteter aus der Zelle tritt.
Wir haben einerseits von einer innerlichen Bereitschaft und einem Willen als Voraussetzung gesprochen. Und wir haben andererseits betont, dass zu der Enthaltsamkeit noch weiter Praktiken hinzu kommen (beispielsweise Shila und Samadhi).
Ganz allgemein denke ich aber, dass es kein monokausaler Zusammenhang, sondern ein spiralförmiger Kreißprozess ist - ein wenig mehr erleuchtet, ein wenig mehr enthaltsam, etc. . Die eigentlich Enthaltsamkeit verläuft ja innerlich (dual gesprochen) und die Äußerlichkeit der praktischen Enthaltsamkeit lässt noch nicht auf den eigentlichen Prozess der Enthaltsamkeit schließen – ein Mensch der äußerlich enthaltsam lebt, muss noch lange nicht wirkliche Enthaltsamkeit praktizieren, ebenso wenig, wie ein Mensch, der äußerlich nicht enthaltsam lebt, notwendig innerlich nicht Enthaltsamkeit praktiziert, aber hierbei kommt dann die Frage auf, welchen anderen Grund als die Zeugung es dann für die äußerliche Nicht-Enthaltsamkeit geben sollte.
Meine persönliche Position war und ist, dass ich "Enthaltsamkeit" auf Zeit (einige Monate oder Jahre) als sinnvolle Komponente einer konzentrierten, zielgerichteten spirituellen Praxis sehe. Das ist aber kein "muss", sondern ein "kann". Ich kann nicht für mich und für alle sagen, dass ich wüsste, es ginge ohne Enthaltsamkeit nicht – ich vermute jedoch, dass es auf die meisten Menschen zutrifft, aber das muss jeder selbst heraus finden. Aber ich kann für mich sagen, dass ich für mich weiß, „Enthaltsamkeit auf Zeit“ kann eine sehr wertvolle Komponente auf dem spirituellen Weg darstellen.
Liebe Grüße
E.