Hallo Opti,
1. Sexsucht
a) Sexsucht und Sozialisation
Also wir stimmen hier überein, dass die Sexsucht im Sozialisationsprozess entwickelt wird. Und ich gebe dir hier Recht, es ist wichtig auf einen überschaubaren Zeitraum (die nächsten 100 Jahre) zu blicken - ich neige dazu die Idee (Jupiter) zunächst mehr zu sehen, als die praktische Integrationsmöglichkeit (Saturn).
Wenn man sich allerdings bewusst macht, dass - im Gegensatz zu z.B. den Sklaven-Gesellschaften - so etwas wie Menschenrechte vor ca. 220 Jahren entstanden ist, dass auch die Kindheit als Phase der Kindheit anerkannt wurde und Kinder nicht mehr wie Erwachsene behandelt werden und schon im frühsten Alter aus dem Hause zu anderen Familien als Arbeitskraft oder in einen Bergwerkstollen gegeben werden und wenn man registriert, dass die körperliche Gewalt in der Erziehung stark rückläufig ist, dann sehe ich dennoch einen
Trend in diese Richtung. Allerdings sind wir noch weit von einer liebevollen, spirituellen Erziehung entfernt – nach wie vor wird anhand psychischer Gewalt, Scham (Gewissen), etc. erzogen und die Eltern sind nicht spirituell weit genug fortgeschritten um, die notwendige Liebe, Anerkennung und Offenheit lange genug sowie die spirituelle Praxis dem Kind zu schenken. Vielmehr werden die Neurosen, Traumata, Gewalt-Skripte etc. von Generation zu Generation weitergegeben, ohne dass wir hierfür unsere Eltern verantwortlich machen könnten, denn auch sie haben sie erhalten. Ich sehe hier allenfalls einen Prozess der Milderung im Grade der Verletzungen.
b) Sexsucht und psychische Verletzungen
Ich gebe dir erst einmal Recht, dass man zwischen Sexsucht und psychischen Verletzungen trennen muss. Die Sexsucht wird konditioniert und zwar durch Praktiken, die in der Gesellschaft an die Kinder durch Zeitschriften etc. in der frühsten Kindheit herangetragen werden – wenn man mal von sexuellem Missbrauch in der Familie absieht. Außerdem findet dann aber noch so etwas wie die Ödipus-Phase statt, wenn sich die ersten sexuellen Energien im Kind stärker entwickeln, und es ist dann die Frage, inwiefern die Eltern das Kind emotional auffangen können bzw. wie sehr sich das Kind auf Masturbation zurückzieht, um diesen „Schock“ und das eventuelle Defizit an Wärme und Zuneigung zu kompensieren. Schon ab der frühen Kindheit stürzen sich die sozial tradierten Sexual-Praktiken sowie das sozial tradiert Sexual-Wissen auf das Kind und es wird zumeist eine Sexsucht konditioniert.
Andererseits glaube ich nun, dass die psychischen Verletzungen ( und das fängt schon mit der Einsamkeit an) in der frühen und späten Kindheit dazu führen, dass die Süchte generell, nicht nur die Sexsucht - aber ihr kommt eine prominente Stellung zu, da der Suchtstoff ja leibbedingt immer zur Verfügung steht – ein Kompensationsmechanismus und im weitergehenden Sinne ein Verarbeitungsmechanismus – der eventuell nie zur vollständigen Verarbeitung führt - für psychische Verletzungen darstellt. Die Süchte führen dann oft mit der Zeit wiederum zu neuen Ich-Regressionen oder sie bedingen zumindest eine Stagnation in der Ich-Entwicklung. Das Ich schafft es ja jedes mal nicht, seine Ich-Grenze zu ziehen, sondern wird immer Zuschauer der eigenen Schwäche, wenn die Sucht das Ich überfällt. Die Sucht wird dann oft einfach bejaht, damit dieser Konflikt gar nicht erst bewusst wird – oft beispielsweise bei der Zigarettensucht gut zu beobachten, also bei gesellschaftlich weitestgehend anerkannten Süchten.
Wenn eine solche Limitierung des Ichs und des Bewusstseinsniveaus vorliegt, dann spiegelt sich das natürlich auch im ganzen Alltag wider: in der Ernährung, in den sozialen Beziehungen, im Schlaf und Arbeitsverhalten, in der Freizeitgestaltung.
2. Sexuelle Energie und Chakren
Opti schrieb:
An die Theorie der Energie, die aus dem Samen erzeugt wird, mag ich auch nicht so recht zu glauben. Ich würde den ganzen Körper gewissermaßen als ein einheitliches Energiesystem betrachten, mit einigen Energiezentren, die wohl teilweise auch für die Energieerzeugung verantwortlich sind (Nahrung, Atmung, evtl. Sonnenenergie). Durch die Sexualität wird diesem Energiesystem Energie entzogen. Und da diesem System oftmals mehr Energie entzogen als zugeführt wird, fehlt dem Körper die Energie, um optimal zu arbeiten. Das Optimum heißt für mich Erleuchtung.
Ja, ich wusste gar nicht, dass sich unsere Meinungen hier so nahe stehen.
Opti schrieb:
Ich glaube, dass dem Sexualchakra (Svadhishthana · Sakralchakra) wohl eine besondere Bedeutung zukommt, weil es neben dem Nabelzentrum (Sonnengeflecht, Solarplexus, Manipura) das am stärksten verletzte Chakra beim Menschen ist. Das Nabelzentrum steht übrigens stellvertretend für die emotionale Seite des Menschen
Also ich glaube auch, dass empirisch bei den meisten Menschen die oberen Chakren vollkommen verschlossen sind, dass es sich aber ganz anders auf das alltägliche Leben auswirkt, als wenn die unteren Chakren verschlossen sind. Es ist ja paradoxerweise so, dass in unserer Gesellschaft Menschen deren Stirn-Chakra oder Kronen-Chakra geöffnet ist, die damit einen „spirituellen Aufstieg“ vollziehen, nahezu als verrückt betrachtet werden, wenn sie sich nicht einer Religion anschließen. Hingegen die Menschen, deren Bauch-Chakra sehr aktiv ist, zumeist „gesellschaftlichen Aufstiegs-Erfolg“ verzeichnen, der von vielen allen anerkannt wird - man denke nur an die "Stars", "VIPs" etc. . Wenn das Sexual-Chakra oder das Bauch-Chakra verletzt ist, dann wird dies sozial auch als Verletzung wahrgenommen, weil dann eine sozial-wahrnehmbare Leistung nicht erbracht wird - während die Performance des dritten Auges ja eher als Störung empfunden wird
Meiner Ansicht nach kommt hier dem Wurzel-Chakra aber auch eine große Bedeutung zu. Wenn das Wurzel-Chakra verletzt ist, dann lebt man ständig in Existenz-Ängsten und man fühlt sich in der Gesellschaft und der Natur vollkommen unsicher, man kann anderen Menschen nicht vertrauen und sich selbst auch nicht. Es fehlt dann vollkommen an Urvertrauen. Es scheint mir so, dass das Wurzel-Chakra von Kindern beispielsweise oft in Scheidungen verletzt.
Und wenn das Herz-Chakra verletzt und verschlossen ist, dann merkt dies auch fast niemand. Ich möchte das an dem Herz-Chakre ausführlicher darstellen, weil der "Liebe" eine so große Stellung in unserer Gesellschaft beigemessen wird (Liebe, Sexualität, Rationalität, Individualität und Karriere):
Die sozialen Beziehungen sind ja zumeist nicht durch Liebe geprägt, aber das will niemand zugeben. Lieben kann man meiner Meinung nach erst dann, wenn man eine spirituelle Reife entwickelt hat. Zuvor sehnt man sich vor allem nach Liebe: Liebe zu empfangen, ohne dass man reif genug ist, selbst zu lieben.
Das, was nach einer Trennung weh tut, das ist nicht die Liebe, sondern das ist, dass man "geliebt werden möchte", das "Ego" schmerzt sowie viele Ängste stellen sich ein - irrigerweise wird all das in unserer Gesellschaft "Liebeskummer" genannt, was jedoch nur anzeigt, wie sehr man sich in der Beziehung selbst verloren hat, wie unselbständig und unfrei man geworden oder noch immer ist.
Oft wird das Verliebtsein, Vermissen, Abhängig-Sein, Sexualität, Leidenschaft, Begehren, eine Idealisierung, Glück, die Beziehung für „Liebe“ gehalten. Das ist Liebe jedoch alles nicht, sondern das wünschen sich Menschen von der Liebe. Das alles ist vor allem Ausdruck von "Liebe-Haben-Wollen", "Geliebt-Werden-Wollen", Ausdruck von Unfreiheit und Abhängigkeit. Zwischen den beiden unfreien, abhängigen Menschen entsteht dann eine „Tausch-Beziehung“ und der andere wird als wertvoll empfunden, weil man erwartet, dass sich all diese Traumerwartungen erfüllen werden.
Liebe ist jedoch nichts Nehmendes, sondern Liebe ist Offensein, was man in der Brust, im Herzen (Herz-Chakra) als Kribbeln oder "Offenheit" und "Leichtigkeit" fühlen kann (wenn man nicht lieben kann oder wenn man Liebesschmerzen verarbeitet, dann fühlt man hier oft nur Taubheit oder ein Drücken oder Klemmen, manchmal auch Schmerzen). Wenn man liebt, dann möchte man den anderen nicht verändern, sondern man kann ihn so verstehen, annehmen, lieben wie er hier und jetzt ist. Man ist erfüllt von Gelassenheit, Loslassen und Frei-Sein, hier und jetzt im Moment-Sein und von Mitgefühl (nicht Mitleid). Man fühlt den natürlichen Nähe-und-Distanz-Rhythmus und lässt los und nimmt mit dem freien, starken Ich immer wieder Abstand und kehrt dann aus dieser Freiheit zurück, nicht weil man sich nach all dem so sehr sehnt und abhängig ist, sondern man kehrt aus dieser Freiheit zu dem anderen zurück, weil es wirklich um die Individualität und höhere Verbindung geht, die in dieser Freiheit entsteht.
Aber – wie gesagt – die meisten Menschen wünschen sich Liebe, weil ihr eigenes Herz-Chakra nicht offen ist. Aber das Problem wird nicht erkannt, weil genau diese Tausch-Beziehung als Liebe anerkannt ist.
3. Enthaltsamkeit
Also ich fand das gesamte Zitat sehr passend und möchte noch einmal einen Hauptgedanken zitieren:
Swami Sivananda sagt zum Brahmacharya:
Enthaltsamkeit bedeutet weder Unterdrücken noch Verdrängen von Sexualität. Das sexuelle Potential wird für etwas verwendet, das zehnmal, hundertmal großartiger ist. Deshalb ist es ein Missverständnis, von Unterdrückung oder Verdrängung zu sprechen. ...
Der erste Schlüssel zum Erfolg in der Enthaltsamkeit besteht also darin, das Heilige und Wertvolle des vorhandenen Energiepotentials zu erkennen und zu verstehen. Wenn man klar erkannt hat, dass es wert ist, bewahrt, erhalten und zum Allergrößten gelenkt zu werden, das man erlangen kann, dann hat man den Wunsch, Brahmachari zu sein. Dann wird es als etwas höchst Positives gesehen.
Zum letzten Punkt, ob es zwei Wege zur Enthaltsamkeit gibt, habe ich jedoch noch keine klare Position gefunden.
Ich stimme dir zu, dass es natürlich nicht sinnvoll sein kann, wenn es einzig darum geht, die Ejakulation vom Orgasmus zu trennen, um dann noch mehr an all das Begehren anzuhaften. Das ist dann lediglich "gekonnte Empfängnisverhütung" und dies würde zu unserer begehrenssüchtigen Gesellschaft passen, dass letztlich die „Technik“ eingesetzt wird, um die Sucht, das Erlebnis, das Anhaften zu optimieren.
Das einzige, was ich mir vorstellen kann, was ich jedoch selbst nicht lange genug praktiziert habe – was vor bei mir noch vor 7-8 Jahren eher einer Idee und "Lust"

entsprang – das wäre ein Weg, auf dem man sich wirklich langsam vom Begehren löst. Das erste Etappenziel ist ja gerade nicht „Orgasmus“, sondern Gleichmut. Man kann hier immer die Frage stellen: Ja, warum lässt Du noch nicht ganz los ? Wieso gehst Du immer wieder zur Sinnlichkeit zurück ? Darauf könnte man dann nur antworten: ich begann in einem Zustand voller Abhängigkeit, Sinnlichkeit und Begehren und das langsame Loslassen ist für mich der einzige Weg, mich aus diesem Zustand zu befreien. Aus diesem Grunde praktiziere ich Tantra und deshalb versuche ich über das Begehren vom Begehren loszulassen.
Wie gesagt, das ist nicht mein Weg, aber das wäre die einzige Argumentation, die mir hier einfällt.
Mir persönlich scheint der erste Weg gangbar. Wenn man sich klar macht, dass man diesen Weg zunächst einmal für einen bestimmten Zeitraum gehen will, und das kann zu Beginn auch ein kurzer Zeitraum ( vielleicht ein paar Wochen, ein paar Monate, ein Zeitraum, in dem man sich intensiv spirituellen Praktiken widmet) dann ist das eine erste Grundlage. Wenn man dann praktiziert, dann wird man sehen, wie hilfreich diese Enthaltsamkeit für die spirituelle Praxis ist und man wird erkennen, wie sehr man konditioniert ist/war, wie sehr diese Bilder sich im Unbewussten eingenistet haben und man wird dann umso mehr Einsicht und den Willen entwickeln, diese Konditionierungen und die Sucht aufzulösen. Wenn man hier angekommen ist, dann kann man sich wiederum überlegen, wie man nun vorgeht und ob man den Zeitraum nicht ausdehnen möchte.
Liebe Grüße
Energeia