Energeia schrieb:
Die Sexualität, wie sie in unserer Gesellschaft in einem Sozialisationsprozess durch Medien, Erziehung etc. sozialisiert wird, führt dazu, dass die Menschen Sexualität wie eine Sucht leben.
Sozialisation + Leib/Seele -> Sexualität als Sucht
An diese These glaube ich nicht. Denn das würde heissen, dass ein Kleinkind im Grunde genommen keinerlei Probleme mit seiner Sexualität hat, erst die böse, böse Sozialisation verdirbt das Kind.
Kinder essen aber beispielsweise auch Süssigkeiten ohne Mass, bis es ihnen schlecht wird - wenn sie die Möglichkeiten haben. Sucht ist das in meinen Augen nicht, sondern Identifikation mit der unmittelbaren Wunschbefriedigung. Das hat i.m.h.o. nichts mit Sozialisation zu tun, sondern so ist halt das Wesen des Kindes.
Man hat einer Ratte mal eine Sonde ins Gehirn eingepflanzt. Wenn die Ratte einen Schalter drückte, so wurde die Gehirnregion stimuliert, die bei einem Orgasmus aktiv ist. Die Ratte hörte auf zu fressen und trinken, betätigte ausschliesslich den Schalter und verendete schliesslich.
Es ist das Wesen des Menschen auf unmittelbare Bedürfnisbefriedigung abzuzielen. An erster Stelle: Atmen. Dann vermutlich essen, trinken, schlafen und halt eben Sex. Aber genauso, wie ein Unterschied besteht, ob man Essen einfach reinschlingt oder sich zum Geniessen und bewussten Wahrnehmen erzieht (und dann kann Kochen und Essen zu einer Kunstfertigkeit werden), genauso kann Sex halt einfach der unmittelbaren Triebbefriedigung dienen, oder man kann ihn kultivieren (und ihn zu einer Kunstfertigkeit werden lassen). Es ist aber auch das Wesen des Menschen, über die Unmittelbarkeit der Bedürfnisbefriedigung hinauszuwachsen. Das ist 'Entwicklung', 'Lernen', 'Entidentifikation' usw.
Das stimmt entsprechend auch mit Wilber's Entwicklungslinien und seiner These, das Kleinkind sei keineswegs "eins mit Gott", sondern nur "eins mit sich selbst" überein. Das ist das eine.
Das andere ist aber die pathologische Variante. Was passiert mit einem Menschen, der nicht essen darf? Er wird krank. Was passiert mit einem Kind, das völlig ohne jegliche körperliche Berührungen durch die Eltern aufwächst? Es entwickelt sich mit einer grossen Wahrscheinlichkeit zu einem Psychopathen. Was passiert mit einem Kind, dem man jegliche Lust an der Sexualität verbietet (durch welche Gründe auch immer)? Es wird Opfer von Schuld- und Schamgefühlen - ebenfalls eine pathologische Variante. Pornographie - nennen wir es von mir aus "Sexsucht" - ist das Wahrnehmen einer ins Pathologische abgeglittenen Sexualität. Der Mensch versucht etwas zu kompensieren, aber egal was auch immer er tut, es nützt höchstens kurzfristig zur Befriedigung, aber langfristig hat es nicht den unbewusst erwünschten Effekt. Heilung besteht nicht darin, dass man dem Menschen die Sexualität ganz verbietet. Nicht die Sexualität ist das Problem, sondern die im Menschen vorhandene Neurose! Pornographie ist die
Folge der Neurose. Aber das Problem ist die Neurose, nicht die Sexualität. Opti hingegen tut so, als ob die Sexualität das Problem sei, so, als ob Sexualität per se schon eine Neurose sei, von der man sich befreien müsse. (Freilich sagt er das nicht so offen, sondern vollführt einige Tricks und lässt dann Ausnahmen zu, die er wiederum negiert, indem er sie >1% der Bevölkerung zugesteht und dergleichen. Das sind nichts als rhetorische Manöver.)