Hallo,
ich bin mir zwar nicht über die Beziehung zum Topic-Thema bewusst, jedoch nähern wir uns ja vielleicht gerade auf einer Nebenstraße einem wichtigen Punkt
Ein religiöser Glaube ist mehr als nur "Kognition".
Aus einer Beobachterperspektive kann man einen religiösen Glauben als ein Set von ritualisierten und tradierten Verhaltensregeln beschreiben. Die Person nimmt an bestimmten Treffen Teil, es gelten dort bestimmte Regeln, all dies wird so ausgeführt, weil es explizite oder implizite Regeln gibt. Das ist in jeder Organisation so, auch in einer religiösen Organisation.
Wenn man dieses soziale Regelset betrachtet, wie es in er soziokulturellen Evolution entstanden ist, dann könnte man meinen, das ist einfach nur eine "Erfindung" um ein soziales Problem zu lösen.
Welches soziale Problem wird dadurch gelöst ? Man kann beobachten, dass Menschen in einer religiösen Organisation eine Gemeinschaft ausbilden und sich zumindest innerhalb (!) dieser Gemeinschaft recht friedlich verhalten. Das Leben wird strukturiert und motiviert, soziale Reproduktion wird gewährleistet.
Wenn man all dies rein aus der Beobachterperspektive betrachtet, dann kommt dem einen oder anderen vielleicht die Frage: Kann man das Verhalten dieser Menschen als oberflächlich, schwach, unmutig anklagen ?
Ich finde, dass dies keine liebevolles und auch kein sinnvolles Verhalten wäre, das es verständnisloses Verhalten darstellt.
Alleine aus der Beobachterperspektive kann man entgegnen: Menschen werden sozialisiert. Ob meine Eltern einer Religion angehören oder nicht, wie sie eine Person erziehen oder nicht, das ist nicht die Entscheidung einer Person. Sondern eine Person findet sich dann, wenn sie einigermaßen für sich selbst Verantwortung übernehmen kann, als sozialisierte Person mit einer sozialisierten Identität vor. All dies kann "man/frau" nicht einfach hinterfragen, denn eine "Hinterfragung" ist auf soziale und psychische Bedingungen der Möglichkeit des Hinterfragens angewiesen. In manchen sozialen Schichten unserer demokratischen Gesellschaft und in persönlichen Krisen scheint dies leicht zu fallen. In allen anderen Fällen kann sich der Mensch nicht einfach so aus sozialen Strukturen befreien. Das ist soziale Wirklichkeit. Wer sich selbst als freies, unsozialisiertes Individuum (Subjekt) betrachtet, der zeigt auf, wie sehr er in Wirklichkeit in einem Diskurs gefangen ist, der die Menschen als vollkommen frei Menschen beschreibt. Freiheit ist nicht einfach gegeben, sondern Freiheit beruht selbst auf sozialen Bedingungen – auch wenn dies manche Menschen nicht verstehen wollen, weil es ihren individuellen Stolz gefährdet.
Gehen wir in die Teilnehmerperspektive. Hier erscheinen all die Rituale nicht mehr nur von außen als tradierte, wiederholte Regeln, sondern als Phänomene aus einer Ich-Perspektive. Eine religiöse Gemeinschaft kann Gefühle der Geborgenheit schenken. Jedem Menschen ist mehr oder weniger Spiritualität zugänglich und durch die Religion wird sie vielleicht einerseits unterdrückt - was jedoch nicht so leicht zu verändern ist (siehe Absatz zuvor) - jedoch werden auf eine sozial geregelte Art und Weise den Menschen moralische Werte nahe gebracht, eventuell erlebt der eine oder andere aber auch durch diese Religion
spirituelle Momente und findet hierdurch zu seinem spirituellen Pfad. Darüber hinaus erleichtern es diese moralischen Werte dem Menschen die sozialen Normen akzeptieren zu können, denn viele soziale Normen erhalten durch diese Werte erst so etwas wie "attraktiven Sinn". Wenn ein Mensch keine moralischen Werte akzeptieren kann, so kann es sein, dass die sozialen Normen lediglich wie "Restriktionen" erscheinen, die von außen als Beschränkungen an den Menschen herangetragen werden, die er als "Beschränkung" für sein Handeln erlebt - und nicht etwa als Regeln, die durch moralischen Sinn vermittelt werden. Das Leben wird dann nicht als sinnvoll erlebt, sondern als ein relativ sinnloses Leben, das sich auch noch mit „ungerechten“ Beschränkungen von außen abfinden muss, um im „Lebenskampf“ seinen eigenen Nutzen zu maximieren.
Betrachtet man all dies, dann, so scheint es mir, muss man nicht die Religionen und die Menschen, die einer Religion angehören, abwerten und verurteilen. Die soziale Evolution und die Menschen sind einfach oft noch nicht so weit, wie man/frau das gerne hätte.
Seit 200 Jahren gibt es erst so etwas wie „Kindheit“, Menschenrechte, soziale Freiheit für alle Menschen, etc. . Dafür hat das Leben auf der Erde Millionen Jahre benötigt.
Versteht man all dies, dann kann das Leben auf der Erde als ein Leben in einer lebendigen Schöpfung verstanden werden, die so etwas wie Liebe hervorbringt und die der Liebe bedarf.
(Ich will noch einmal daran erinnern, dass ich selbst keiner Religion angehöre, auch keiner Sekte. Ich möchte hiermit auch kampfwilligen Religionen keinen Freischein ausstellen - aber selbst dies hat evolutionäre Gründe)
Liebe, Geduld und Mitgefühl für die Forum-Schreiber und für die Evolution
Liebe Grüße
Energeia