Ich bin dankbar, einen Traum verstanden zu haben, der mir aufzeigen wollte, dass es nicht darum geht, möglichst viel zu wissen, sondern in die Tiefe des Erlebens zu gehen. Im Traum wurde mir das Fenster zugesperrt, ich ließ mein Latein-Buch kraftlos fallen, obwohl ich doch gern noch so viel hätte erfahren wollen in meiner Wissbegier. Stattdessen versank ich in mich, das fühlte sich so schwer verdaulich an.
Nach diesem Traum suchte ich nach der Bedeutung. Es war mir bewusst, weshalb meine Gesundheit es nicht zuließ, dass ich weiterhin derart viel Aufwand betrieb, um immer mehr zu wissen. Es ging einfach nicht mehr. Mein Körper setzte mir harte Grenzen. Der bekannte Coach Boris Grundl, gelähmt im Rollstuhl, wurde mein Vorbild. Immer wieder betonte er, dass man in die Tiefe gehen muss, nicht weiter, höher, schneller, sondern tiefer. Es geht darum, sein Thema wirklich zu vertiefen. Lieber weniger wissen, aber dafür das ganz tief und mehrdimensional. Es geht darum, zu fokussieren und alles, was davon ablenkt, loszulassen. Genau das ist auch die essentielle Lektion der Stoiker und der Minimalisten.
Wenn ich heute den Fensterladen öffne und länger nach draußen schaue und die Szenerie beobachte, sehe ich in den Alltagsszenen weitaus mehr Tiefe als vorher. Der Zeit-Thread hat mir einiges über die Zeitdimension aufgezeigt, was ich nun lebe. Und ich denke, dass ich damit und mit den Lektionen im Stoizismus-Thread meinen Bereich abgesteckt habe und nicht mehr so viel Wissen anhäufen werde. Meine eigene Handlungsanleitung, die ich intuitiv entwickelte, passt auch wunderbar dazu, was zeigt, dass es eine runde Sache ist und für mich ausreichend vollständig. Ich wiederhole mich sonst nur. Und diesmal habe ich es genug vertieft und in mir verankert, damit es keinen Rückfall gibt.
In letzter Zeit habe ich über meine Fehler nachgedacht, die mein Leben gesundheitlich einschränkten. Es lag vielfach an mir und das wurde mir heute wieder besonders klar. Das erkenne ich erst mit 50. Ist schon irgendwie bitter, vor allem weil ich schon jahrelang an mir arbeite. Doch war es offensichtlich zu wenig, obwohl ich haufenweise Fachliteratur dazu las und ich mich auch alternativ umsah. Doch die Verbindung zu meinem Körper blendete ich weiterhin aus, um damit auch meine Schmerzen zu unterdrücken. Doch war das ein Fehler, so arbeitete ich nicht daran. Meine Erkenntnis heute nach sehr vielen Jahren Lesen und medizinischen Therapien: Es muss über den Schmerzkörper gehen. Gerade dort, wo es weh tut.
Mir wurde durch die wissenschaftliche Recherche für meinen Dimension-der-Zeit-Thread bewusst, dass man möglichst haptisch im Alltag bleiben muss, um die Kraft und das Feuer nicht zu verlieren. Abstrakte Tätigkeiten am PC (wie Geometrie) verschlingen viel Zeit und geben zu wenig Energie zurück. Aus diesem Grund wechsle ich nun die abstrakte Arbeit am PC mit körperbezogenen Aufgaben ab und es hilft mir wirklich und kräftigt mich spürbar. Das Couch-Leben ist schlichtweg handlungsblockierend. Auch dazu gibt es einiges im Zeit-Thread. Der Flow muss erhalten bleiben, sonst führt das zum bekannten Blues.
Die Schriften der Stoiker gestalteten sich anfangs eher als archäologische Fragmente der Vergangenheit, hab dann die besten Bilder als metaphorische Zitate für mich adaptiert, die meinen Weg markieren. Nun kommt der Flow wie ein Film, indem ich den Kutscher als Ringer in mir auf dem Berg sehe, wie er sich den Weg bis zur Küste bahnt, sich dort ein Schiff baut und dem Sturm bis zum angepeilten Hafen trotzt und das Ziel in stoischer Gelassenheit erreicht.
Nachdem ich die metaphorischen Bilder von Marcus Aurelius Antonius und meine von Seneca inspirierten Zeit-Erkenntnisse zu einer Geschichte verknüpfte mit den Stationen Ringer - Berg - Kosmos - Weg - Schiffbau - Sturm des Lebens - Seelenruhe, legte ich meine eigene Handlungsanleitung, die ich intuitiv entwickelte, daneben und merkte, dass sie Satz für Satz, Abschnitt für Abschnitt wie angegossen dazu passt, weil es sich folgerichtig natürlich so ergibt. Das ist eine feine Sache und freut mich!
Erstaunlicherweise passt auch mein Leben zu diesem Muster: Nachdem ich hart in den Boxring des Lebens geworfen wurde, als meine Mutter schwer erkrankte, trat ich vom Berg aus, wo meine Mutter starb und das kosmische Fenster nach Drüben weit offen stand, einen neuen Lebensabschnitt an. Mein Weg führte mich an einen Ort mit der Tramstation Schiffbau in Zürich. Mein Leben verlief danach wirklich sehr stürmisch, worauf ich über den Minimalismus und Stoizismus zur stoischen Seelenruhe gelangte. Das alles träumte ich zudem noch voraus, bevor ich diesen Weg antrat, was mir bei der Orientierung half.
Der Stoizismus selbst weist dieses Muster tatsächlich auch auf, gerade bei Marcus Aurelius Antonius, der kein verweichlichtes Leben führte, sondern großen Herausforderungen gegenüberstand, sodass er sein Leben auf das essentiell Wesentliche herunterbrach und fokussierte, um daraus seine Energie zu ziehen. Auch er ging nicht in die Weite, sondern in die Tiefe des Erkenntnisgewinns, denn jeder Tag konnte der letzte sein an der Front.
Der Stoizismus wendet sich ab von der Reizüberflutung des Gedankenkarussells der Meinungen und dem Aberglauben der Vielgötterei und geht stattdessen den goldenen Weg des Ringers, nämlich der eigenen Intuition, um sich aufzurichten im geordneten Berg-Blickwinkel auf das Wesentliche, sich dabei transzendierend zum kosmischen Gott hin auszurichten und daraus die stoische Ruhe im Sturm des Lebens zu gewinnen.
Cassius Dio unter anderem über Marcus Aurelius Antonius, der seinen Körper in der Jugend zu wenig trainierte und deshalb schwächlich und krank wurde, aber sich durch stoische Disziplin auszeichnete als vorbildlicher Kaiser:
Antike: Wissen - Fakten - Hörbücher
Die Adoptivkaiser Teil 3: Antoninus Pius und Mark Aurel (Cassius Dio)