Nithaiah
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Ich glaube, den meisten Politikern sind die Probleme des Volkes durchaus bewusst.
Ich glaube hingegen, dass sehr viele die Probleme gekonnt verdrängen - aus dem einfachen Grund, dass sie nicht davon betroffen sind. Ich habe da schon so viele naive bis unverschämte Behauptungen von diversen Politikern gehört und gelesen, dass ich einfach zu diesem Schuss kommen musste.
Wahrscheinlich werden die, die es anders sehen, auch gar nicht erst nach oben gelassen. Ob ein Helmut Schmidt beispielsweise heute noch in die Spitzenpositionen kommen würde, habe ich mich schon oft gefragt.
Es wird ja manchmal gerne gesagt, dass es das Problem damals z.B. unter Kohl nicht in der Form gab. U.a. die Regierung Kohl hatte noch keinen Wirtschaftsminister, der besorgt auf die schwarze Null schielte. Probleme wurden mit Geld beschmissen, auch wenn es Neuverschuldung bedeutet hat (zumindest so wie ich es verstanden habe - damals war ich noch zu jung, um das irgendwie sinnvoll überblicken und verstehen zu können).
Unter Kohl fingen die ersten Einschnitte schon an. Aber sie waren vertretbar, viele haben das damals noch ganz sportlich gesehen ("es ging uns lange gut, und nun muss der Gürtel eben mal eine Zeitlang enger geschnallt werden, ist ok"). Dann war da noch die Wiedervereinigung, die natürlich kostenintensiv war, das haben die meisten gut verstanden.
Dann kam der Euro. Und damit fingen für viele die Probleme an. Nicht nur in Deutschland, wie man weiß.
Nun versuchen die Regierungen möglichst Neuverschuldung zu vermeiden. Das ist erst einmal ein gutes und richtiges Unterfangen.
Eigentlich schon, im Moment aber fragwürdig.
Der Fehler, den sie dabei machen, ist mMn, dass sie den schwarzen Peter dafür dem Volk zuschustern. Es ist eine Sache, z.B. die Arbeitslosenunterstützing zu kürzen. Schröder tat damals im Rahmen seiner Agenda aber deutlich mehr und hat die Arbeitsuchenden als Faulenzer geframt.
Völlig richtig, darüber sprachen wir ja schon mal. Eine ganz entsetzliche Entwicklung und ehrlich gesagt, habe ich damals mit meiner sozialen Ader noch gedacht, dass sie damit niemals durchkommen werden. Sie sind damit durchgekommen. Und die Spaltung im Volk wurde vorangetrieben.
Und Lindner schlägt in die gleiche Kerbe, wenn er belächelt, dass Menschen "fürs Nichtstun bezahlt würden." DAS wird dann vom Volk als an den Problemen des Volkes vorbei regieren empfunden.
Das kommt als Dreingabe noch dazu. Genau so wie Westerwelles "spätrömische Dekadenz" und auch andere nette Aussagen. Und gerade der porschefahrende Lindner, dessen Hochzeit meines Wissens auf Sylt z. T. mit Steuergeldern finanziert wurde (alles, was den aufwändigen Personenschutz betraf), selber zweimal Insolvenz angemeldet hat...ja, der kann natürlich Reden schwingen. Du glaubst ernsthaft, so einer weiß wie es den Bürgern geht?
Ich kann durchaus verstehen und auch gutheißen, wenn eine Regierung versucht den Staat wie ein Wirtschaftsunternehmen zuführen mit ausgeglichenen Einnahmen und Ausgaben - quasi einigermaßen gleich bleibenden aber zirkulierendem Kapital.
Einerseits ist das so. Andererseits wurde auch mal der Begriff vom Vater Staat geprägt. Der Staat hat also auch ein Fürsorgepflicht und ist kein reines Wirtschaftsunternehmen.
Und ähnlich wie in einem GESUNDEN Familienverbund es so ist, dass jedes Mitglied etwas beiträgt, müssen bestimmte Voraussetzungen geschaffen werden, die der einzelne für sich alleine nur bedingt schaffen kann.
Denn solange ich per Gesetz mir keine Hütte im Wald bauen und Bäume zum Heizen schlagen darf, bin ich auf bezahlbaren Wohnraum und vertretbare Energiepreise nun mal angewiesen.
Das ist nur ein Beispiel von vielen, zeigt aber, worum es mir geht.
Früher könnten die Menschen das so machen, heute eben nicht mehr.
In Berlin sollen die Mietpreise von 2012 pro Quadratmeter 5 Euro und ein paar Zerquetschte im Durchschnitt betragen haben, und heute bei über 15 Euro sein.
Im Brandenburger Speckgürtel sieht es nicht besser aus. Auf dem Land gibt es keine vernünftige Infrastruktur, so dass viele Leute mit dem Älter werden wieder zurück in die Stadt müssen.
Das alles sind wirklich dringende Probleme, genauso wie wenn eine Familie mit 3 Kindern in einer kleinen 2-Zimmerwohnung hausen muss.
Ich bin da eindeutig für eine größere Regulierung seitens des Staates, der fairen Vermietern nicht noch das Leben schwer machen sollte und Miethaie dafür mal machen lässt.
Ehrlicher und mMn besser wäre es aber, wie so oft, die Ambivalenz der Lage selbst auch darzustellen - also zu sagen: "Wir müssen da kürzen, und das wird für einige unangenehm werden."
Dazu von mir ein klares Nein! Nicht noch mehr kürzen und auf der anderen Seite immer mehr verteuern, dafür haben viele mit Recht Null Verständnis mehr. Und es trifft ja auch immer die Gleichen. Vielleicht mal woanders mehr Geld reinholen, dort, wo die Superreichen sitzen, und sich bei den Ausgaben überlegen, wieviel wir wofür wirklich ausgeben können. Ohne grundlegende Bedürfnisse der Menschen im Land zu vernachlässigen.
Anstelle, die eigenen Handlungen über den grünen Klee zu loben mit der Aussage: "Und wenn es unangenehm wird, seid immernoch doch alleine Ihr Schuld."
Sowieso.
Manchmal frage ich mich, ob es sich lohnen könnte, jetzt nochmal einmalig einen richtig großen Batzen Geld in die Hand zu nehmen - Neuverschuldung - um alles einmal rundum zu sanieren, um danach mit einer guten Infrastruktur vielleicht deutlich einfacher die Politik der schwarzen Null fahren zu können. Mag aber sein, dass ich da sehr naiv denke.
Ich denke, so sollte man es machen. Allerdings wird das auch nur funktionieren, wenn dauerhaft Dinge in Zukunft anders laufen.
Ansonsten werden noch mehr Unternehmen abwandern, Insolvenz anmelden, durch die Energiepreise nicht mehr auf dem Weltmarkt mithalten können und im Bildungswesen und der Digitalisierung schreitet auch nichts voran usw.
Das bin ich auch. Und das nicht nur wegen Politik oder Thüringen.
Sehr verständlich, Joey.
So das war jetzt ein sehr langer Text von mir, aber du schreibst ja auch oft lange Texte. Und tatsächlich habe ich mich schon sehr kurz gefasst.
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