Fortsetzung:
Der Schmerz ist da, können wir nicht ändern. Nur dem Umgang damit. Und vergeben.
Bei Schmerz gilt es, zu differenzieren: Alter, reaktivierter Schmerz, neuer Schmerz, und beides zusammen.
Und auch wieder nicht. Prinzipiell funktioniert es gleich. Nur die Tiefe, die Intensität ist anders.
Nochmal zur Kette: Schmerz - Leid - Schuld.
Die Gerechtigkeit, Ausgleich will. Und damit paradoxerweise Schmerz weiterverbreitet.
Jeder kennt vermutlich das Gefühl, wenn einem die Luft wegbleibt. Die Zeit stillsteht. Für einen Moment. Weil etwas, jemand einen Schock auslöst. Und so ist es auch. Die Zeit steht still. Auf den Schock, der den Schmerz auch überlagern kann, erfolgt das Trauma. Die Verankerung, Verbindung zu, mit diesem einen besonderen Moment. Das Erlebnis, die Erfahrung wird eingefroren. Schockgefroren sozusagen. Und zugleich ins Unterbewusste verschoben. Und prägt sich doch auf allen möglichen Ebenen ins Bewusstsein ein.
Ähnliche, neue Erfahrungen lösen genau diese eingefrorene Erfahrung neuerlich mit aus. Führen wieder zu neuem Schmerz. Der, auf Grund der darunterliegenden alten Erfahrung noch mehr wehtut. Und wieder Schmerz -Leid - Schuld - ...
Ich denke, das Prinzip ist einigermaßen klar.
Deshalb jetzt zur Vergebung:
Vergebung, diese seltsame Gabe. Gabe? Geschenk, Gift auf englisch. Vergebung wäre also quasi Ent-giftung? Ja. Auch.
Oder anders gesagt, Gott, Jesus in uns. In uns selbst.
Ich hatte in meinem, in dem Thread ausagierten Prozess genau dieses Problem. Vergebung heisst, Gott spielen.
Allerdings, jede Art von Gerechtigkeit, Rache, Vergeltung tut das auch. Gott spielen.
Ich erhebe mich über den anderen. Richte ihn. Bin gerecht. Bin selbst gerecht. In bester, ausgleichender Absicht. Und doch vermehrt es nur das Leid. Spiele Ankläger, Richter und Vollstrecker, im extremsten Fall. Also Gott.
Ok, schätze ich, sagt Gott. Kein Problem, sagt er. Darfst du ja. Aber, damit das auch wieder in Balance kommt, bist das nächste Mal du derjenige, der es von der anderen Seite erlebt. Das schenke ich dir. Auch. In aller Liebe. Damit du verstehst.
Und der Kreislauf geht weiter. Endlos. Seltsamerweise ist das mit dem Verstehen so eine Sache. Tut man ja. Theoretisch. Nur, wenn der Schmerz kommt, und der andere wieder schuld ist, ist es auf einmal fort. Das Verstehen. Das Verständnis.
Maria45 gab mir hier den guten, hilfreichen Tipp: "Bleib bei Dir." So ist es. Damit beginnt zumindest die Möglichkeit, den anderen Weg zu gehen. Danke hiermit.
Bleib bei dir heisst, fühle den Schmerz. Nimm ihn an. So ist es gerade. Lass den anderen raus. Lass ihn los.
Schuld ist eine Art energetische Umklammerung. Ich halte dich fest, du bleibst da, ich bin noch nicht fertig mit dir. Die unseligerweise beide bindet. Verbindet. Täter und Opfer. Und auch viel Energie, Kraft bindet.
Wenn jemand im Schmerz bleibt, nimmt er irgendwann ab. Man fühlt ihn nicht mehr so stark. Man lässt ihn nicht als unerwünschten Fremdkörper, als Nicht-Ich stehen, sondern nimmt ihn an. Integriert ihn. In sich selbst. erleidet, erduldet ihn selbst. Mag mitunter genug sein. Mitunter nicht.
Wie kann ich den anderen rauslassen? Vergebung!
Ich entlasse dich. Du kannst gehen. Bist frei. Egal was du mir angetan hast.
Energetisch ist es die einzige Möglichkeit, die Verbindungen zu kappen, auf-zu-lösen.
Aber in dem Moment geschieht noch etwas. Meine, an das Gegenüber gebundenen Energien kehren zurück. Zu mir.
Ich werde wieder "ganzer". Erhalte mehr Kraft, kann eben damit auch den Schmerz besser ertragen.
Wenn ich jetzt noch mir selbst vergebe, vergeben kann, geschieht das Selbe nochmal, in, bei mir. Ich löse die Kraft, die Energien, die irgendwann in mir eigefroren wurden, auf. Taue den alten Schock, das alte Trauma auf. Erlöse es. Mich selbst. Aus dieser seltsamen, in der Zeit festgefahrenen Schleife, die sonst endlos weiterläuft.
So geraten auch die alten Dinge wieder in Fluss, so komme ich ganzer zurück ins Jetzt, ins Hier. Kann die Alt-Last verabschieden, loslassen. So wird es wieder gut. Alles was es braucht, ist den eigenen Schmerz zuzulassen, durchzugehen. Und die Erlösung geschehen zu lassen. Die Berührung von woanders. Und zugleich aus dem eigenen Inneren.
Soweit meine Reflexionen meiner eigenen Erfahrungen hier.
Wo sind die Grenzen dieser Vergebung? Nirgends.
Ob ich mir vergebe, einem anderen, Jesus, Gott, oder sogar Satan selbst, dem schlimmsten, das vorstellbar wäre, was immer, wer immer, es spielt letzendlich keine Rolle. In dem Moment, in dem ich vergebe, spiele ich selbst Gott. Durchbreche den anderen Kreislauf. Und, in dem Moment ist Gott dabei. Ich selbst bin nur das Wekzeug, für was größeres, das in mir, durch mich wirkt. Gottes Gnade. Gottes Liebe. Gottes Vergebung.
In dem Fall, auf diese Weise, darf ich das. Dürfen, dürften wir alle es. Tun es nur vielleicht ein wenig zu selten.
Gott spielen. Zumindest Gottes Kinder. Die lernen, auf ihren Weg. Sogar so schwierige Dinge wie Vergebung.
Wäre eine sehr schöne Welt, so eine Welt der gemeinsamen, gegenseitigen Vergebung. Schätze ich. Ungewohnt vielleicht. Ein wenig. Am Anfang.