Hi Marco,
ich frag mich grad, welche Erlebnisse oder Erfahrungen oder Ansichten die man vermittelt bekommen hat, zu so einer Ansicht führen.
Wenn ich so die Konversation zwischen dir und Lilith verfolge, sind das genau die zwei Stimmen in mir die immer im Widerstreit stehen.

Für den einen ist Sicherheit was Fixes und Festes und der andere findet seine Sicherheit in der Veränderung, oder in der Gewissheit dass alles mal vorübergeht. Mit letzterer Ansicht tu ich mir auch noch schwer, auch wenn ich dankbar sein kann für was Schönes was vergangen ist. Schöner wärs gewesen wenns angedauert hätte.

Vielleicht ist es eher die leise Hoffnung dass irgendwann mal wieder schöne Momente kommen (die das bisher Dagewesene vielleicht übertreffen).
Vielleicht hat man einfach ne gewisse Grundveranlagung ob man eher im Vergänglichen das Dauerhafte sieht oder ob man Festhalten will. Bei dir und dem Neptun in 4 kann ich deine Position nachvollziehen. Aber auch wer den nicht hat, kann trotzdem lernen, im Augenblick zu leben ohne was festhalten zu wollen.
(Ich hab mal für mich gesagt, das einzig Beständige in meinem Leben ist die Launenhaftigkeit.

).
Annie, so einfach ist das für mich leider auch nicht, wie es hier rüberkommt, ich bin übrigens mit AC und Mond in Jungfrau auch ein Mensch, der Sicherheiten braucht im Leben, das ist nicht alles so locker - flockig bei mir wie das wirkt - und es war früher noch viel weniger so, ich hab da in den letzten 10 Jahren viel durchgemacht ... bin aber auch durch schmerzliche Erfahrungen freier und lockerer geworden - und da ist noch ein Punkt, der vielleicht eine Rolle spielt: ich bin der einzige Mann, der hier sehr leidenschaftlich mitdiskutiert, und ich habe den Eindruck, dass Männer anders mit Schmerzen und Verletzungen umgehen als Frauen, warum auch immer. Zum ersten Mal ist mir das aufgefallen, als ich mit 17 mit meiner Mutter diskutierte, und damals meinte ich noch (im Gegensatz zu jetzt), dass es keine grundlegenden psychischen Unterschiede zwischen Männer und Frauen gäbe. Meine Mutter war da anderer Ansicht. Irgendwie kamen wir auf die Idee, es mit Gedichten zu probieren, sie meinte, wenn ich ihr zwei Gedichte vorlese, eins von einem Mann und eins von einer Frau, würde sie sicher erkennen, was von wem ist, ich meinte, das wollen wir mal sehen ... ich suchte als männliches Gedicht ein sehr süßliches von Trakl aus (weil ich dachte, sie findet das "Gefühlige" weiblich und lässt sich täuschen) und kaum hatte ich es gelesen, meinte sie: "Das ist von nem Mann" - ich war baff und fragte, woran sie das jetzt erkannt hat. In dem Gedicht kam irgendwas vor, wie "Das Leid, es war gut" also nicht wörtlich, aber sinngemäß, und meine Mutter meinte: "Das das Leid gut ist, sowas (Blödes) kann nur ein Mann schreiben" ... (ich weiss nicht, ob sie Blödes gesagt hab, oder ob es aus ihrem Tonfall für mich so rüberkam) ... Also, Anekdoten-Scardanelli hat wieder zugeschlagen
Und mir ist das später ganz oft aufgefallen: Das Männer eher das Leid preisen, Kunstwerke draus machen, es als nützlich, ja sogar oft als BEFREIEND erleben, während bei Frauen ganz oft diese Reaktion kommt: sowas will ich nicht mehr erleben, jetzt mach ich lieber nichts mehr in der Art zu hören ist, ich glaub, es wäre schwer vorstellbar, dass die Beiträge, die Lilith hier schreibt, ein Mann schreiben könnte (dann vielleicht noch eher eine Frau meine) Und ich hab wirklich bis heute in keinem Gedicht von einer Frau eine Stelle gefunden, die das Leid, den Schmerz preist, aber bei den männlichen fallen mir aus dem Kopf zig Stellen ein, z.B.: "Genieße, was der Schmerz dir hinterließ, ist Not vorüber, sind die Nöte süß" Goethe, "Sobald an eine neue Schicht die Pflugschar reicht, die sicher eingesetzte, ist Schmerz nicht GUT? Und welches ist der letzte, der uns in allen Schmerzen unterbricht" Rilke, oder das Ende des Gedicht von Benn
mit dem bezeichnenden Titel "Mann": "Keine Götter mehr zum Bitten, keine Mütter mehr als Schoß - Schweige und HABE GELITTEN, sammle dich und sei groß!" Woher das genau kommt, weiss ich allerdings auch nicht, vielleicht weil Männer mehr für ihr eigenes Ego leben als Frauen, Frauen sozialer orientiert sind, und Leiden ein einsames Ego eher befreien und für ein sozialeres Wesen eher nutzlos sind ... Hmmm ...