5.1. Bibelverbote und Indices vor 1564
Es folgt eine Auswahl an Bibelverboten und Indices, die vor dem Trienter Index erschienen sind und sich besonders mit der heiligen Schrift befassen. Grundsätzlich ist zu sagen, das eine Liste sowohl von Ausgaben und Übersetzungen der Bibel als auch ihren Verfassern in allen Indices zu finden sind. So bin ich nicht mehr auf die diversen Nennungen der Ausgaben und Autoren im Detail eingegangen, sondern versuche, die Besonderheiten in den Indices in Bezug auf die Zensur der Bibel hervorzuheben.
1199 verbietet Innozenz III. die Bibellektüre in privaten Zusammenkünften (occultis conventiculis). Dieses Verbot ist eine Reaktion auf die Bewegungen der Katharer und Waldenser, da diese entgegen dem Gebot der katholischen Kirche die Laienpredigt praktizierten und in privaten Kreisen die Bibel in der Übersetzung lasen.
Im 13. Jh. verbieten Synoden in Toulouse/Frankreich (1229) und Tarragona/Spanien (1234) Laien den Besitz von Bibelübersetzungen. Wie bereits erwähnt, beziehen sich auch diese Verbote direkt auf dieKatharer und Waldenser. Denn auch nach den Albigenserkriegen behielt diese mystischen Bewegungen ihre Anziehungskraft, und einzelne Gruppen überlebten bis ins 14 Jh. in abgelegenen Winkeln der Pyrenäen und in Norditalien, in deren Nähe die og. Städte zu finden sind.
1408 wird auf der IV. Synode zu Oxford folgendes festgelegt: Die unautorisierte Übersetzung der Heiligen Schrift ins Englische ist verboten, ebenso das Lesen und der Besitz einer unautorisierten Version der Heiligen Schrift, falls dieses nicht ausdrücklich vom Bischof oder Provinzialkonzil erlaubt worden ist. Jeglicher Verstoß wird mit der Exkommunikation geahndet. Obwohl eine Mißachtung dieser Verbote nicht explizit verfolgt worden ist, erscheint bis zum Jahre 1525 keine weitere englische Bibelübersetzung.
1486 verbietet Erzbischof Berthold in Bistum Mainz den Druck und Verkauf aller nicht ausdrücklich genehmigten Bibelübersetzungen unter Androhung der Exkommunikation.
1487 richtet Innozenz VIII. eine Bulle an die Führung der Universität zu Köln. Diese Bulle gilt als erster päpstlicher Zensurerlaß und begründet sich durch den Mißbrauch der Druckerpresse für den Vertrieb häretischer Schriften. Innozenz weist in dieser Bulle ausdrücklich auf die Pflicht der Kirche hin, ihre Gläubigen vor derartiger Literatur und der damit verbundenen möglichen Fehlleitung zu schützen. Die Vorzensur für alle Druckwerke wird den Ortsbischöfen übertragen. Bei Strafe der Exkommunikation und einer Geldbuße wird das Drucken, Binden und Lesen von Büchern, die keine bischöfliche Approbation erhalten habe, verboten. Auch ruft er die politische Führung zum Schutze der Gemeinschaft zu einer Zusammenarbeit gegen diese demoralisierende Literatur auf und fordert ihre Unterstützung bei der Realisierung der örtlichen Zensurmaßnahmen.
Von 1501 stammt die Bulle "Inter Multiplices" Alexanders VI.. Diese Bulle ist adressiert an die Erzbischöfe von Magdeburg, Mainz Köln und Trier und ruft sie mit folgender Begründung zu Zensurmaßnahmen auf:
"Die Kunst des Druckens kann, insofern sie die Verbreitung von nützlichen und geprüften Büchern, von großen Nutzen sein; doch sie kann auch großes Übel mit sich bringen, wenn ihr erlaubt wird, den Einfluß schädlicher Schriften zu vergrößern. Deswegen ist es notwendig, vollständige Kontrolle über die Drucker zu erhalten, damit sie davon abgehalten werden, Bücher zu drucken, die gegen den katholische Glauben gerichtet sind oder die die Gläubigen verwirren können." 2
Die Bulle verbietet unter Androhung der Exkommunikation jedes weitere Drucken, das Besitzen und das Studieren dieser Bücher. Übertragen wird Ausübung dieses Amtes auf die Bischöfe und Inquisitoren, die ohne Rücksicht auf die soziale Stellung der einzelnen Personen und auch gegen Institutionen wie Universitäten, Schulen und andere Vereinigungen vorgehen sollen. Falls notwendig sollen die örtlichen Autoritäten hinzugezogen werden, und um deren Interesse zu wecken, werden sie die Hälfte der eingenommenen Geldstrafen erhalten. Der Geltungsbereich dieser Bulle war auf die vier og. Bistümer beschränkt.
Anders sieht es mit der Bulle "Inter Solicitudines" aus. Diese Bulle Leos X. wurde 1515 auf dem V. Laterankonzil veröffentlicht und galt für alle christlichen Länder als verbindlich. Mit derselben Begründung, die auch Alexander VI. angegeben hatte, wird nun die verbindliche Vorzensur für alle Druckerzeugnisse eingeführt. Die Druckerlaubnis wird nach einer genauen Examination des Textes durch einen der beauftragten Zensoren vergeben und muß die Originalunterschrift eines hochrangigen Kirchenvertreters tragen. Wer immer sich nicht an diese Auflage hält, muß mit folgender Bestrafung rechnen: alle Bücher ohne Druckerlaubnis werden verbrannt, eine Geldstrafe von 100 Dukaten muß an den Baufundus von St. Peter gezahlt werden und die Druckerei des verantwortlichen Druckers wird für ein Jahr geschlossen. Sollte der Verurteilte rückfällig werden, so wird mit der Exkommunikation gedroht, und bei weiteren Rückfällen sollen die zuständigen kirchlichen Vertreter für eine angemessene und abschreckende Züchtigung des Übeltäters sorgen.
Vier Jahre nach dem Anschlag der 95 Thesen an die Schloßkirche zu Wittenberg waren in Deutschland auch die weltlichen Herrscher bereit, mit der katholischen Kirche zusammen gegen eine unzensierte Verbreitung von Druckwerken vorzugehen. Auf dem Reichtstag zu Worms 1521 wird die Bulle "Inter Solicitudines" durch einen entsprechenden kaiserlichen Erlaß Karls V. ergänzt. Mit dem Wormser Edikt, das die Reichsacht über Luther und seine Anhänger verhängte, wird auch eine Verbrennung der reformatorischen Schriften angeordnet und die geistliche Bücherzensur für alle in Deutschland gedruckten Bücher eingesetzt. Das Drucken, Verkaufen, Kaufen, Besitzen, Kopieren und Lesen jeglicher Schriften Luthers und seiner Anhänger wird in diesem Edikt verboten. Ebenfalls wird angeordnet, daß kein Buch, das die Bibel oder Glaubensfragen zum Thema hat, ohne die Erlaubnis des zuständigen Bischofs oder der örtlichen theologischen Fakultät gedruckt werden darf. Von diesem Zeitpunkt an arbeiteten die katholische Kirche und die katholische Gebiete Deutschlands gemeinsam gegen die Freiheit der Presse.
Auch in England wurde jetzt verschärft von staatlicher Seite eingegriffen. Heinrich VIII., am Beginn seiner Laufbahn noch ein Verteidiger des wahren Glaubens, erläßt im Laufe seiner Regierungszeit zahlreiche Edikte zur Kontrolle der häretischen Publikationen in England. 1526 befiehlt Heinrich VIII. die Veröffentlichung eines Katalogs mit verbotenen Büchern. Diese achtzehn Titel umfassende Liste beinhaltet Werke von Luther, Hus, Zwingli u.a. zeigt den wachsenden Einfluß des reformatorischen Bewegungen auch in England. Es folgen weitere Edikte, die alle denselben Zweck erfüllen sollen, nämlich die englischen Gläubigen vor den Häresien des Festlandes zu schützen, oder wie es in einem Edikt von 1530 heißt: "A proclaimation for resisting and withstanding of most damnable heresies sown within this realm by the disciples of Luther and other hereticks" Immer wieder werden Luther, Zwingli und auch Tyndale genannt, gilt die Gesamtheit der Heiligen Schrift, "the sum of the Scripture", als verboten. Im selben Jahr verbietet Heinrich VIII. mit folgender Begründung das Lesen der Bibel in der Umgangssprache "(...)there is no neccecity for the reading of the Bible by the common people. They can secure more safely from their religious instructors all the scripture teaching that is profitable." 3
Der Index der theologischen Fakultät von Leuwen aus dem Jahre 1546 wird unterstützt von einem königlichen Mandat. Dieser Index beschwert sich besonders über die Verbreitung und das Lesen unerlaubter Editionen der Heiligen Schrift. Die kursierenden Bibelübersetzungen seien teilweise von so mangelhafter Qualität, daß man den Text des Originals gar nicht mehr erkenne, und dort, wo die Übersetzer gute Arbeit geleistet hätten, seien es die Drucker, die deren Kommentare und Glossen, anstatt sie vom Textbild abzuheben, in dieses eingefügen, so daß sie vom Grundtext nicht mehr zu unterscheiden seien. Man muß den Autoren des Index recht geben, wenn sie behaupten, daß diese schlechten Editionen der Heiligen Schrift dem einfachen Gläubigen mehr schaden als nützen. Im Anschluß an diese Ausführung folgt eine Liste von verbotenen Bibeleditionen. Schwerpunkt sind hier nicht die Verfasser der Bearbeitungen, sondern die Drucker. Folgende Bibelausgaben werden genannt: lateinische Bibeln, griechische Bibeln, deutsche Bibeln, welsche Bibeln und das Neue Testament in Latein, Deutsch und Welsch. In den einzelnen Nennungen wird der Drucker, der Druckort, das Jahr und manchmal auch noch zusätzliche Informationen zur Edition angegeben. Buchhändlern, die diese fehlerhaften Editionen ohne Genehmigung verkaufen, wird mit der Todesstrafe gedroht.
Aus dem Jahr 1554 stammt der Index des Erzbischofs von Mailand Giovanni Angelo Arcimboldi. Mit der Zustimmung des zuständigen Generalinquisitors und dem Senat von Mailand wird in der Präambel des Index folgende Bestimmung veröffentlicht: Priestern und Laien ist es bei Exkommunikation und körperlicher Bestrafung verboten, aus der Bibel zu predigen und in der Bibel zu lesen, sei es in der Kirche oder anderswo, es sei denn, sie haben eine schriftliche Erlaubnis des Erzbischofs. Neben den üblichen Bücherverboten, deren Mißachtung mit Exkommunikation und einer Geldstrafe von einhundert Scudi geahndet wird, gibt es einen Straferlaß für Buchhändler, die ihnen gelieferte häretische Bücher innerhalb von zehn Tagen bei den zuständigen Behörden abliefern.
Ebenfalls 1554 erscheint der Index von Valladolid. Interessant ist dieser Index deshalb, weil die Listen in ihm ausschließlich Bibelausgaben beinhalten, wobei 103 verschiedene Versionen unterschieden werden. Er ist das erste Beispiel für einen Index expurgatorius. Die genannten Bibeln werden nach ihrer Auffindung von allen Fehlern und Häresien gereinigt (obliterare), und können dann an ihre Besitzer zurückgegeben werden. Die Besitzer der genannten Ausgaben müssen ihre Bücher innerhalb von 60 Tagen an den Bischof oder die lokalen Inquisitoren abliefern. Sollte dies nicht in der angeordneten Zeit geschehen, so müssen die Betroffenen mit der Exkommunikation und einer Strafe von dreißig Dukaten rechnen und die Bücher werden in diesem Fall zerstört. Dieselbe Strafe erwartet Buchhändler, die Kopien dieser unerlaubten Versionen nach Spanien importieren. Durch die Nennung der Druckorte in diesem Index sind folgende Zentren des Bibeldrucks in Europa zu erkennen: Antwerpen, Basel, Lyon, Paris, Zürich und Venedig. Die Idee des Index expurgatorius hatte übrigens außerhalb Spanien keinen Erfolg, weil seine Vorgehensweise für viele Diözesen nicht umsetzbar war.
Zuletzt möchte ich noch den Index nennen, der als erster den Titel "Index librorum prohibitorum" trug. Dieser Index von 1559 wurde im ersten Amtsjahr Pauls IV. veröffentlicht und ist der erste Index, der direkt unter der Aufsicht des Papstes zusammengestellt wurde. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern wird er nicht als Katalog bezeichnet, sondern trägt die offizielle Bezeichnung Index. Hier findet sich eine Liste von verbotenen Bibelausgaben und Neuen Testamenten mit einem allgemeinen Verbot ähnlicher Übersetzungen. Die hier genannten Verbote bilden die Grundlage für den 5 Jahre später folgenden Trienter Index.