Die Anatta-Lehre Buddhas

opti schrieb:
Wie aber habe ich mir die Leerheit dann vorzustellen? Ich bin jetzt einfach mal mitten reingesprungen, ohne deine letzten Beiträge gelesen zu haben.
Sag mal merkst du nichts ???
Leerheit kann man sich nicht vorstellen.
 
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hi opti

zu meinen philosophischen ausführungen über den begriff der leere möchte ich dir noch eine wissenschaftliche deutung geben: leere = die räumliche sphäre rund um jede ebene des daseins.

grüsse
 
Zur Lehre der „Leere“.

Es scheint mir kein Weg daran vorbeizuführen, dass wir, wenn wir den Begriff der Lehre besprechen, Theravada und Mahayana unterscheiden. Das muss allerdings überhaupt nicht dazu führen, dass wir eine dieser Richtung irgendwie negativ bewerten.
Es wird sicherlich wieder einige im Forum geben, die sagen werden, dass das alles „Eins“ ist, aber ich schlage zunächst einmal vor, dass wir beide Richtungen als Richtungen verstehen, die den Buddha verschieden - zu unterschiedlichen Zeiten, in unterschiedlichen Schriften etc. - interpretieren.

Pali-Kanon

Der Leerheitsbegriff ist an mehreren Stellen des Pali-Kanons überliefert. Er wird darin jedoch meist adjektivisch verwendet.

Das Prädikat "leer" bezieht sich im frühbuddhistischen Zusammenhang noch ausschließlich auf die "Person": den Sachverhalt, dass die zusammengesetzen Daseinsfaktoren (Skrt.: dharmas, Pali: dhammas), insbesondere die fünf Skandhas, in ihrem abhängigen Entstehen zwar einen sich ständig wandelnden Erlebnishorizont, dabei jedoch kein dauerhaftes Selbst (Skrt.: atman, Pali: atta) konstituieren. Vielmehr ist das vom Menschen im täglichen Erleben als beständig, isoliert und einheitlich angenommene "Ich" laut dieser Darstellung eine auf Anhaften beruhende Interpretation des bedingten Zusammenspiels der Skandhas, die durch Achtsamkeit und meditative Einsicht als solche durchschaut werden kann.

http://de.wikipedia.org/wiki/Shunyata

Mahayana, insbesondere Nagarjuna (Madhyamaka)

Wir haben in diesem Thread vor allem den Leerheitsbegriff anhand einer Textstelle besprochen.

Indem wir klar verstehen, daß keine absolute Esszenz vorhanden ist, auf die shunyata hinweist, erkennen wir, wenn shunyata als unausdrückbar, unvorstellbar, und bar jeder Bezeichnung beschrieben wird, daß dies nicht impliziert, daß es da ein Ding gäbe, das diese Bezeichnungen als Charakteristiken besitzt. Shunyata ist insubstantiell und unerkennbar. Insubstantialität bedeutet nicht "Nicht-Existenz", sondern lediglich die Verneinung, daß die Dinge aus sich selbst heraus wirklich sind. Daher meint Unerkennbarkeit auch nicht einen Zustand der Unbewußtheit; sondern es dient dazu, die Tendenz einzudämmen, die Phänomene durch Konzeptualisation zu verdinglichen. Daher ist shunyata selber leer sowohl im ontologischen wie im epistemologischen Sinne. Sie ist leer eines jeden selbst-genügenden Seins, und sie ist jenseits beider Charakterisierungen "leer" und "nicht-leer". Nur wenn wir beide Seiten im Sinn behalten, können wir sehen, wie Nagarjuna die "Leerheit der phänomenalen Welt" mit der "Leerheit jedweder absuluten Entität oder Annahme" in Beziehung setzt.

Über diesem Text steht:

In der Übersetzung möchte ich shunyata als Terminus technicus beibehalten. Es hat keinen Sinn, ihn übersetzen zu wollen. Seine Leerheit wirkt dadurch umso besser, je weniger Bedeutung wir in ihn hineininterpretieren.

Was mir hier persönlich als beste Metapher erscheint, das ist: „Insubstantialität bedeutet nicht "Nicht-Existenz", sondern lediglich die Verneinung, daß die Dinge aus sich selbst heraus wirklich sind.“

Was ist also diese Leerheit ?

Nagarjuna setzte den Leerheitsbegriff als didaktisches Werkzeug ein, mithilfe dessen er unheilsame extreme Ansichten wie die des "Seins" (bhava) oder des "Nichtseins" (abhava) zurückwies. Leerheit war für Nagarjuna somit weder ein Absolutes noch ein der Vielfalt der Phänomene gegenübergestelltes Vakuum. Er verwies mit dem Begriff auf die fehlende Eigenexistenz (svabhava) alles Zusammengesetzen und abhängig Entstandenen und machte dabei mehrfach darauf aufmerksam, nicht den Fehler zu begehen, die Leerheit mit einer hinter der Welt liegenden "Realität" oder einer Ansicht zu verwechseln, die diese Realität repräsentiert. Selbst die Leerheit erklärt Nagarjuna für leer von inhärenter Wirklichkeit. Sie kann nicht widerspruchslos ausgedrückt werden, da jede Aussageweise stets eine verhüllte Wahrheit (samvrtti satya) wiedergibt. Die Wahrheit im höchsten Sinn (paramartha satya) kann sich nur in der nonverbalen Erkenntnis (prajna) als Leerheit zeigen. Seine Methodik, den Praktizierenden an die Leerheit heranzuführen, war daher dekonstruktiv: er versuchte, über den Weg der strikten Negation jeglichem Anhaften an einer bestimmten Ansicht vorzubeugen, und dem "Ergreifen" (upadana) damit von vorneherein den Nährboden zu entziehen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Shunyata

Aus diesem Text folgt doch eindeutig, genauso wie die Explizierung des Leerheitsbegriffs als terminus technicus es andeutet, dass Leerheit nicht begrifflich erklärt, sondern lediglich erfahren werden kann.

Wenn dem so ist, dann kann es nicht um eine Erklärung dessen, was Leerheit ist, gehen, sondern nur um die Frage, wie und vor allem OB sie erfahrbar ist.
Wenn man sagt, dass es diese Leerheit nicht gibt, weil sie nicht erklärt werden kann, dann geht dies an der Sache vorbei. Es ist doch eindeutig möglich, dass etwas existieren kann, auch wenn es nicht erklärt werden kann.
Allerdings heißt das auch nicht, dass so etwas wie Leerheit erfahrbar sein muss. Letztlich kann das nur die Erfahrung zeigen.

Klar ist aber, dass der Leerheitsbegriff, wie er von Nagarjuna verwendet wird, erst im Mahayana an Bedeutung gewinnt. Vor allem in seiner Richtung „Madhymaka“, die auch als „Sunyatavada“ bezeichnet wird.

Der Begriff der Leerheit gewinnt in seiner Interpretationen der Pali-Sutras aus vielen Gründen eine zentrale Stellung.
Ich finde übrigens, dass all dies auf dieser Seite gut dargestellt wird:

http://de.wikipedia.org/wiki/Nagarjuna

Liebe Grüße :liebe1:
Energeia
 
shenpen schrieb:
besser ich verdrück mich gleich wieder für n 3/4 jahr :escape:

schüssi :fahren:

Das fänd ich aber extrem schade - ich habe deine Beiträge mit großem Interesse gelesen (mir waren sie auch nicht zu lang :) ), ich finde, du bereicherst die Diskussion hier enorm, danke.
 
Hi Shenpen!

@Opti
Kannst du kurz umreissen, ob dein Verständnissproblem von Leerheit eher ein ideeles, oder ein begriffliches ist?
Bei ideelem wärs ja quatsch, dich von irgendwas überzeugen zu wollen, was du garnicht willst, stimmts?

Gruß
FM
 
shenpen schrieb:
hallo energeia

na ja wenn mir jemand weissmachen will dass nagarjuna gesagt hatt diese dinge seien nicht von abhängiger natur dann bekomm ich krätze :D
bitte sei nachsichtig...;)

LG shenpen

Wenn du meinen Beitrag aufmerksam gelesen hättest, dann hättest du gesehen, dass ich den Link angegeben habe, von der ich die Information über Nagarjunas Aussage habe. Sie lautet:

"Eigenes Wesen bedeutet nach Nagarjuna, der indischen Wortbedeutung entsprechend, ein Sein aus sich selbst und nur durch sich selbst bedingt, unabhängig von allem anderen. Daraus folgt aber, daß ein solches eigenes Wesen nicht entstanden ist, weil es nicht verursacht sein kann, und daß es nicht dem Vergehen unterworfen ist, weil sein Bestehen von nichts anderem abhängt."

Also, anstatt die Krätze zu kriegen, solltest du dir vielleicht lieber einmal die Quellen ansehen.

Quelle: Shunyata als Gegenkonzept zur ousia
 
Hallo,

nur mal so als persönliche Bemerkung - neben meinem Bemühen, verschiedene "Positionen" sachlich darzustellen:

Die Erlebnisqualität einer längerdauernden Beschäftigung mit Nagarjunas Lehren ist das Gefühl einer gewissen Leere in der Magengrube. Irgendwie fühlt man sich an das berühmte ägyptische Märchen vom Krokodildoktor erinnert:

Krankheit weg, Patient gefressen, Krododil satt, alles paletti.

Oder wir können sagen, hier haben wir den Erfinder der universellen Relativitätstheorie vor uns, 1700 Jahre vor Einstein. Alles ist relativ zu allem anderen. Nichts ist sicher, fest, bekannt, verläßlich. (ANM:RELATIV[14]) Der aristotelische westliche Verstand steht vor einem riesigen Scherbenhaufen von zerschmetterten Konzepten über die Realität der Dinge und fragt sich, ob das Ganze nicht vielleicht doch nur ein grober Unsinn gewesen ist.

Aber das wäre ein Fehlschluß. Die Shunyata-Lehre Nagarjunas kann nicht allein für sich betrachtet werden. Ebenso wie er alle Dinge als gegenseitig abhängig betrachtet, und nichts allein für sich, so ist sein System abhängig von dem scholastischen System des Abidharma und den brahmanischen Systemen seiner Zeit. Gegen diese richtet er seine Dialektik, aber ohne sie wäre sie tatsächlich völlig unsinnig. Das ist das Problem des heutigen Verständnisses, da wir diesen Kontext nicht mehr sehen. Nagaruna verneint keinesfalls die Gültigkeit konventioneller Weisheit, und als solche bezeichnet er die Lehren des Wissens, gegen die er argumentiert. Im Gegenteil: Ebenso wie er wohl alle brahmanischen Schriften und die Abhidarma-Lehren kannte und vielleicht sogar auswendig rezitieren konnte, so muß die Anwendung dieses Wissens vom Wißbaren geschehen, mit seiner Shunyata-Lehre als immer präsente Mahnung und Warnung, nicht dem verführerischen Zauber der Sprache zu verfallen. Und diese Warnung gilt für die heutige Wissenschaft ebenso wie damals:

It is the danger of language to posit an essential reality within ideas.

http://www.uni-ulm.de/uni/intgruppen/memosys/shunya01.htm#Heading15


Diesem Resümee möchte ich mich persönlich anschließen :liebe1:

Ich persönlich kann der Lehre der Leere nur abgewinnen, dass sie die Fragilität der Sprache in einer dekonstrutkiven Weise vorführt. Ich würde das alles nicht als "Leere", sondern als vibrierende, jeden Moment entstehende und vergehende Energie-Wellen (nicht Teilchen) bezeichnen und als zunehmende Einserfahrung bis hin zur Non-Dualität beschreiben. Damit löst man das philosophische Problem, dass die Dinge substanzlos und relativ, aber nicht nicht-existent sind, ebenfalls und das entspricht zumindest meiner persönlichen, spirituellen Erfahrung viel eher.

Damit will ich aber nicht sagen, dass die Lehre der Leere "falsch" oder irgend etwas in diese Richtung sei.
Aus meiner Sicht ist sie ein Weg :)

:liebe1:
 
Energeia schrieb:
Ich würde das alles nicht als "Leere", sondern als vibrierende, jeden Moment entstehende und vergehende Energie-Wellen (nicht Teilchen) bezeichnen und als zunehmende Einserfahrung bis hin zur Non-Dualität beschreiben.
:liebe1:

Genau DAS ist es, was in gewissen Momenten der Meditation dann auch erfahren werden kann. (Momente, die sich ausdehnen..)
Wie empfindest du in diesem Zusammenhang das Wort "Energie-Impulse"?
 
Genau DAS ist es, was in gewissen Momenten der Meditation dann auch erfahren werden kann. (Momente, die sich ausdehnen..)
Wie empfindest du in diesem Zusammenhang das Wort "Energie-Impulse"?

Energie-Impulse, Energie-Regen, Vibrieren, ein ständiges Entstehen-Vergehen von unzähligen, kleinen Energie-blitzen im gesamten Leib, wie ein Hüpfen, Impulse.... ...zugleich ist alles vollkommen ruhig und diese Energie hüpft, springt, regnet, ensteht-vergeht wie von alleine weiter. Es ist auch als würden sich in mir Strukturen (Sankharas) auflösen, im ganzen Körper, alles wird leicht, hell und klar. ...

... so in etwa :)

Aber als Leere würde ich das nicht bezeichnen ;)

:liebe1:
 
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Energeia schrieb:
Energie-Impulse, Energie-Regen, Vibrieren, ein ständiges Entstehen-Vergehen von unzähligen, kleinen Energie-blitzen im gesamten Leib, wie ein Hüpfen, Impulse.... ...zugleich ist alles vollkommen ruhig und diese Energie hüpft, springt, regnet, ensteht-vergeht wie von alleine wetier. Es ist auch als würden sich in mir Strukturen (Sankharas) auflösen, im ganzen Körper, alles wird leicht, hell und klar. ...

... so in etwa :)

...weißt du was, wurscht wie es heißt, offenbar reden wir von demselben Erleben... und wenn du GANZ genau aufpaßt, dann...bist du für einen Moment genau zwischen Entstehen und Vergehen...aber nur für einen Moment...
 
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