Die Anatta-Lehre Buddhas

opti schrieb:
Du machst da einen kleinen Fehler. Du erhebst nämlich die Philosophie der Leere zur absoluten Wahrheit. Das aber ist sie nicht. Sie ist nur ein Erklärungsversuch, um das Unerklärliche zu verstehen. Mehr nicht. Und ich finde, sie ist nicht einmal ein besonders gutes Modell, um die Realität zu erklären.

Mir scheint, dieses Modell neigt eher dazu, die Menschen auf eine falsche Fährte zu locken, die sie dann für die Realität halten. Mit anderen Worten, sie bietet einigen Menschen, die nicht die Kraft haben, sich der Realität zu stellen, eine guten Fluchtweg. Darum meine ich, man sollte dieses Modell beiseite legen und den Mut haben, der Realität ins Auge zu sehen.

Dies erfordert aber einen sehr mutigen Schritt vorwärts, der vielleicht erst einmal gelernt werden muss. In der Regel sind dies sehr schmerzhafte Prozesse, weil man die alten Denkstrukturen erst einmal aufbrechen und durch neue ersetzen muss und sich mit all den Ängsten auseinander setzen muss, die man bisher sorgfältig unterdrückt hat.

Lies meinen Beitrag nochmal, ich glaube du hast nichts verstanden. Ich habe die Leerheit nicht zu absoluten wahrheit erhoben noch habe ich von der Leerheit gefaselt und wenn ich es habe, dann keine ahnung, hast du wohl eine andere Auffassung davon, wie ich. Der mutigste Schritt ist wohl sich selbst zu verlieren, d.h. zu sterben, was könnte mutiger sein ?

Wenn du der Realität ins auge sehen willst, dann wirst du kein ich finden, du kannst dir ein Ich zusammenbauen, aber es ist nicht da. Sowie du dir einen Gott in deiner Phantasie ausmalen kannst, so kannst du dir ein ich ausmalen, aber letztendlich hat das keinen wirklichen Wahrheitgehalt. Kein ich zu haben bedeutet nicht keine Angst zu haben und diese zu meistern.
 
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Wenn man der Leere wirklich etwas Gutes tun will, dann zieht man sie einmal aus der philosophischen Höhe auf die Ebene der irdischen Realität herab. Und dort trifft man Menschen aus Fleisch und Blut an, mit all ihren Sorgen und Nöten, die keinesfalls das Gefühl haben, bereits erleuchtet zu sein, sondern denen das Gefühl des Leidens sehr vertraut ist, und die sehr wohl das Gefühl haben, dass Samsara und Nirvana nicht dasselbe sind, und das sie etwas tun müssen, um dieses Leid zu beenden.

"Die Leerheit wurde von den Buddhas als Zurückweisung jeglicher Ansicht gelehrt. Diejenigen aber, für welche die Leerheit eine Ansicht ist, die wurden für unheilbar erklärt." (MMK 13.8 ).

Es ist daher laut Nāgārjuna äußerst wichtig, mit dem Begriff der Leerheit vorsichtig umzugehen. Er ist als heilsames Konzept angedacht, um von extremen Ansichten zu befreien, kann sich jedoch, wenn er als Ansicht mißverstanden wird, auch gegenteilig auswirken und Schaden anrichten.

"Die falsch aufgefaßte Leerheit richtet den, der von schwacher Einsicht ist, zugrunde – wie eine schlecht ergriffene Schlange oder falsch angewandte Magie." (MMK 24.11)

Nagarjuna
 
Es gilt aus diesem Grunde auch zu erkennen, dass die Leerheit als abhängige Bezeichnung selbst leer ist - eine Aussage, die Nāgārjuna aus den eigenen Reihen Vorwürfe des Nihilismus (der Nihilismus bestreitet die Sinnhaftigkeit alles Seins) und der "Selbstwiderlegung" einbrachte, da sie als Theorie missverstanden wurde. Die Leerheit war von Nāgārjuna nie als Theorie beabsichtigt, die eine andere Theorie ersetzen sollte. Es ging ihm vielmehr darum, letztlich alle Theorien hinter sich zu lassen, auch die der Leerheit. Wenn die Leerheit ihren Zweck als Hilfsmittel erfüllt hat und den Blick für eine tiefere Einsicht öffnen konnte, sollte sie aufgegeben werden, so wie man ein Floß hinter sich lässt, das einen ans rettende Ufer brachte und von da an nicht mehr benötigt wird. Sogar nur von ihr zu sprechen kann sich unheilsam auswirken, wenn das Gesprochene refiziert (vergegenständlicht, die Betrachtung eines abstrakten Dinges oder Sachverhaltes als wäre es konkret) wird, weswegen Nāgārjuna betont:

"Man soll weder sagen "leer" noch "nicht-leer", noch beides, noch keines von beiden. Zum Zwecke der Verständigung mag man [aber] so sprechen." (MMK 22.11)
 
opti schrieb:
Ich habe das Gefühl, dass nicht wenige Menschen, die Vorstellung der Leere nutzen, um die vorhandenen Emotionen zu bändigen, weil sie sonst zu verletzend wären. Wenn dich zum Beispiel jemand wütend macht, so wäre es eine normale Reaktion, mit entsprechender Wut zu reagieren. Da man aber nicht den Mut besitzt, dieser Wut freien Lauf zu lassen, versucht man, der Wut dadurch Herr zu werden, in dem man sie gewissermaßen als nicht vorhanden betrachtet.
Das ist nicht ganz richtig in meinen Augen. Wer die Leere hinter jedem Gefühl erkennt und hinter jeder Situation, für den gibt es keinen Grund mehr sich mit einer scheinbar verlangten Gegenreaktion zu identifizieren. Er gleicht dann einem Felsen in der Brandung, der unerschütterlich still bleibt, egal wie sehr um ihn herum die Wellen toben. Das Meer mag noch so aufgewühlt sein, der Ozean als solcher ist immer unveränderlich gleich. Das ist aber erst der letzte Schritt auf einer langen Reihe von Lernschritten. Davor kommt erst noch ein Schritt, indem zwar noch Gegenreaktionen vorhanden sind, diese aber völlig natürlich und spontan von sich gehen. Wut ist Wut, Freude ist Freude.

Es gilt aus diesem Grunde auch zu erkennen, dass die Leerheit als abhängige Bezeichnung selbst leer ist - eine Aussage, die Nāgārjuna aus den eigenen Reihen Vorwürfe des Nihilismus (der Nihilismus bestreitet die Sinnhaftigkeit alles Seins) und der "Selbstwiderlegung" einbrachte, da sie als Theorie missverstanden wurde. Die Leerheit war von Nāgārjuna nie als Theorie beabsichtigt, die eine andere Theorie ersetzen sollte. Es ging ihm vielmehr darum, letztlich alle Theorien hinter sich zu lassen, auch die der Leerheit. Wenn die Leerheit ihren Zweck als Hilfsmittel erfüllt hat und den Blick für eine tiefere Einsicht öffnen konnte, sollte sie aufgegeben werden, so wie man ein Floß hinter sich lässt, das einen ans rettende Ufer brachte und von da an nicht mehr benötigt wird. Sogar nur von ihr zu sprechen kann sich unheilsam auswirken, wenn das Gesprochene refiziert (vergegenständlicht, die Betrachtung eines abstrakten Dinges oder Sachverhaltes als wäre es konkret) wird, weswegen Nāgārjuna betont:

"Man soll weder sagen "leer" noch "nicht-leer", noch beides, noch keines von beiden. Zum Zwecke der Verständigung mag man [aber] so sprechen." (MMK 22.11)
Übrigens ja, es ist genau das, was ich (und andere) auch schon weiter oben in diesem Thread gesagt habe: Da Leere selbst auch leer sein muss, hebt sich die Idee der Leere auf. Es ist somit weder sinnvoll zu sagen, Leere existiert, noch ist es sinnvoll zu sagen, sie existiert nicht. Zur verbalen Verständigung kann aber dieses Konzept nützlich sein (freilich allerdings nur dann tatsächlich, wenn jemand vom theoretischen Verständnis zum unmittelbaren Erleben fortgeschritten ist). Leere mit "Nicht-Existenz" hingegen gleichzusetzen ist ein schwerwiegender Fehler, der unmittelbar in einen Nihilismus führen würde. Nur jemand, der die Sache nicht verstanden hat, kann diese Gleichsetzung machen.
 
fckw schrieb:
Das ist nicht ganz richtig in meinen Augen. Wer die Leere hinter jedem Gefühl erkennt und hinter jeder Situation, für den gibt es keinen Grund mehr sich mit einer scheinbar verlangten Gegenreaktion zu identifizieren. Er gleicht dann einem Felsen in der Brandung, der unerschütterlich still bleibt, egal wie sehr um ihn herum die Wellen toben. Das Meer mag noch so aufgewühlt sein, der Ozean als solcher ist immer unveränderlich gleich. Das ist aber erst der letzte Schritt auf einer langen Reihe von Lernschritten. Davor kommt erst noch ein Schritt, indem zwar noch Gegenreaktionen vorhanden sind, diese aber völlig natürlich und spontan von sich gehen. Wut ist Wut, Freude ist Freude.

In diesem Punkt kann ich dir wiederum nicht zustimmen. Es ist ja nicht so, dass wir die freie Wahl hätten, ob wir unsere Wut ausdrücken oder ob wir zum Fels in der Brandung werden, dem diese Wut nichts mehr anhaben könnte.

Schon von Kindheit an lernen wir, unsere Wut zu unterdrücken. Sollten wir es wirklich wagen, unserer Wut Ausdruck zu verleihen, so hätten wir eventuell mit schweren Konsequenzen zu rechnen. Darum schlucken wir unsere Wut runter und gehen emotional fast daran zu Grunde. Dieses Verhalten beraubt uns unsere Fröhlichkeit unsere Lebenslust und lässt uns depressiv werden.

Im Laufe der Jahre haben wir das Unterdrücken der Wut so gut konditiniert, dass wir es kaum noch wagen, unsere Wut zu zeigen. Außerdem hat sich im Laufe der Jahre so viel unterdrückte Wut angesammelt, dass jeder Wutausbruch verheerende Folgen haben könnte. Mit anderen Worten, irgendwo sind wir alle Serienkiller, aber eben sehr konditionierte.

Ich meine, es gibt nun zwei Wege, mit solchen Emotionen umzugehen. Der eine ist, diese Konditionierung so zu perfektionieren, wie manche dies mittels der Philosophie der Leere versuchen, oder man lernt es, sich solchen Emotionen zu stellen, sie nicht mehr zu unterdrücken und man lernt es, seinen Gefühlen wieder freien Lauf zu lassen. Mir ist der zweite Weg sympatischer, weil ich ihn für natürlicher halte. Und es ist nicht einfach, alle seine Serienkiller in lammfromme Schäfchen zu verwandeln. Aber es ist möglich.
 
@opti:
Ok, ich war nicht präzise genug.

Der erste Schritt ist der von dir formulierte Schritt weg von einem ungesunden Unterdrücken des eigenen Wesens und ein natürliches Ausdrücken der inneren Empfindungen nach aussen. Davon sprichst du, und da gebe ich dir ganz recht.
Aber es gibt noch einen zweiten Schritt darüberhinaus, der erst stattfinden kann, wenn der erste Schritt genommen wurde. Der Mensch, der sich aus den Zwängen der gesellschaftlichen Vorgaben und aus ihrer Deformation befreit hat, ist nun zwar authentisch in seiner Ausdrucksweise und er wird spontan seine Innerlichkeit nach aussen ausdrücken. Aber er ist noch immer damit identifiziert. Wird er wütend (gemacht), so bricht noch immer die Wut durch.

Es gilt daher in einem nächsten Schritt zu erkennen, dass die Situation vor dem Hintergrund der Leere tatsächlich "leer" ist, und zwar sowohl die Provokation als auch die eigene Reaktion. Es ist, wenn man so will, als ob mehrere Automaten aufeinandertreffen und einfach ablaufen. Diese Perspektive einzunehmen ist es, was ich als "Identifikation mit dem Zeugen" bezeichne. Am Anfang wird zwar durch eine Provokation noch Wut entstehen, aber mit der Zeit flaut diese Reaktion ab, ganz einfach weil es keinen Grund mehr für irgendeine Reaktion (also auch nicht für eine andere als Wut) mehr gibt. Die Welt wird zu einem einzigen riesenhaften Spielplatz, und man schaut ihm distanziert und unbeteiligt zu. Das ist die Erkenntnis der Leere konkret umgesetzt. Wer noch immer Angst vor dem Zahnarzt hat, der hat eben Leere noch nicht in aller Tiefe "verstanden". Verstehen, das ist genau das: Inwiefern ich frei bin von automatischen Reaktionsweisen.

Aber wie gesagt, das ist erst der zweite Schritt, der demjenigen folgen muss, den du bereits geschildert hast, nämlich der Entidentifizierung mit den gesellschaftlichen Zwängen.

(Es gibt darüberhinaus noch einen dritten Schritt, nämlich das Lösen von der (noch immer einseitigen) Identifikation mit dem Zeugen. Das ist der letztmögliche Schritt, es besteht dann kein Unterschied mehr zwischen dem Zeugen und dem Bezeugten. Aber das wollen wir hier mal vorerst nicht weiter betrachten.
Ausserdem darf man nicht glauben, das sei alles schön eins nach dem anderen. Es kann sein, dass man in gewissen Lebensbereichen ein tiefes Verständnis der Materie entwickelt hat und dort gelöst und frei in der Welt herumspaziert, während in anderen Lebensbereichen man nur sehr wenig Freiheit entwickelt hat und womöglich noch nicht einmal den allerersten Schritt durchlaufen hat.)
 
@fckw

Das der Zeuge das bezeugte ist und umgekehrt kann man sich direkt unmittelbar selbst beweisen, wenn man nur genug acht auf sich gibt.

(das musste ich ma loswerden)
 
opti schrieb:
Da du ja offensichtlich Osho-Sympathisant bist, möchte ich dich einmal an die Worte Oshos erinnern:
Ich deinen Augen vielleicht - da du in fast allem immer vergleichend bist.
Ich sympatisiere mit niemanden - in allem steckt ein Körnchen *Wahrheit*.
»Wenn du wirklich das innere Licht erfahren hast, wird der Sex verschwinden. Ja, es wird Liebe in dir sein, aber der Sex wird verschwinden, die Sexualität wird verschwinden. An deren Stelle wird die Liebe treten – ein sehr liebevolles Wesen. Es wird kein Verlangen nach Sex mehr da sein. Sollte das Verlangen nach Sex bleiben, hast du das innere Licht nicht erfahren. Dann war das innere Licht nur eine Projektion des Verstandes.«
So unrecht hat er da ja auch nicht - Es ist lediglich eine Frage des inneren Bezugspunktes der als Erfahrungswert notwendig ist um diesen *Worten* auch den entsprechenden Inhalt zu verleien. Sonst bleibt es Projektion.
Verlangen nach Sex zu haben ist das eine. Das ist sklavenhafte Triebhaftigkeit an der Sexualität dann auch gebunden ist.
Davon wirklich frei zu sein, ist das andere und schließt deshalb Sex aber nicht automatisch aus. Das ist duales Denken.
Ich bin ohne Abhängigkeit aber frei davon, um selbst zu entscheiden ob ich Sex haben will oder nicht - dann kann ich ihn haben, oder aber auch nicht.
Erst dann bin ich wirklich in der Lage zu endscheiden, ob ich in dem Sinne Mönch oder Laie werden will. Das kann mir niemand mit irgendwelch gearteten Konzepten wieder vorschreiben. Das wäre nicht mehr frei.
Freiheit liegt im Erkennen der Gleich-Gültigkeit - und nicht in einer *Vorschrift*
Er sagt doch, an diese Stelle wird echte Liebe treten. Unter dieser Prämisse bekommt *Sexualität* einen völlig anderen *Inhalt* und kann daher auch nicht mehr als solches mit der Prämisse des *Verlangens* verglichen werden.
Und solange dir dieses Licht nicht in dieser polaren Gleich- Gültigkeit als eigene innere tiefe Erkenntnis aufgegangen ist, ist es Projektion - und du wirst keine wirklich freie und selbstverantwortliche Entscheidung treffen können.
Du wirst immer aus einer projektierten Begründung eine Entscheidung treffen. Darin besteht die eigentliche Bindung. Und das will er damit auch sagen.
Daher kann auch ein Erleuchteter Meister durchaus Kinder haben - auch ohne Mönch zu sein. Und niemanden auf diesem Planeten steht es zu, SEINE freie Entscheidung mit seinen eigenen gebundenen Konzepten zu beurteilen.
Für einen Erleuchteten Mönch und einem erleuchteten Laien, wäre das bei einer Begegnung überhaupt kein Thema, weil es für beide diesen *Unterschied* überhaupt nicht gibt, obwohl beide ein völlig anders geartetes weltliches Leben führen.

Ich sagte doch schon mal, selbst die wenigsten in seiner eigenen Anhängerschaft haben wirklich begriffen, worauf der wirklich hinauswollte und viele sind auf halben Weg auch da hängen gebieben. Die Außenstehenden haben da nur ihren eigenen Mist rein pojeziert, nichts kapiert und logischerweise nach gewohnter christlicher Manier verteufelt.
Von daher wirst jeder auch aus seinen (und anderen) Texten das herauslesen, was er selbst da reinpojeziert.
 
ElaMiNaTo schrieb:
@fckw

Das der Zeuge das bezeugte ist und umgekehrt kann man sich direkt unmittelbar selbst beweisen, wenn man nur genug acht auf sich gibt.

(das musste ich ma loswerden)
Ja, aber das mag für dich einleuchtend sein, weil du alle anderen Schritte bisher durchlaufen hast (vielleicht auch unbewusst, aber durchlaufen hast du sie). Es ist aber nicht a priori auch für andere einleuchtend. Darum rate ich auch immer wieder, insofern mich jemand fragt, zur Meditation. Es ist meine Erfahrung, dass Personen immer nur gerade den nächsten Schritt überblicken können, den sie zu tun haben, aber darüberhinaus endet ihr Verständnis. Einer Person zu sagen, es gäbe nichts zu tun, hilft ihr NUR dann weiter, wenn sie vorher alles versucht hat. Darum ist es in meinen Augen auch nicht einfach genug zu sagen, man brauche nur etwas acht auf sich zu geben. Richtig ist das schon, aber hilfreich finde ich es nur in seltenen Fällen, nämlich für den, der bereits genügene Erfahrung hat um zu verstehen, was überhaupt gemeint ist. Hätte mir jemand vor paar Jahren bestimmte Sachen gesagt, ich hätte ihn nicht verstehen können, weil mir ein paar ganz konkrete Erfahrungen gefehlt hätten.

Genau darum finde ich auch diese "Entwicklungs- und Stufensysteme" hilfreich. Natürlich sind sie letztlich aus einer absoluten Perspektive sinnlos, weil - wohin sollte man sich denn auch entwickeln. Aber dies einer Person vorzusetzen, die nicht reif dafür ist, bringt nichts. Sie wird dich garantiert falsch verstehen. Darum auch die ganze Theorie und all das Blabla, das ich hier veranstalte, einfach nur um den verschiedenen Personen verschiedene Antworten zu geben, je nach Bedürfnis, das sie gerade haben. Und irgendwann sind sie reif dafür, dass man ihnen sagt: "Siehste, hat alles nichts gebracht. Warum? Weil es dich auf diese Weise gar nicht gibt, wie du das glaubst."

Wenn ich es mit anderen zu tun habe frage ich mich nicht so sehr, was ist richtig? Sondern ich frage mich viel eher, was ist hilfreich, damit der andere selbst einsieht, was richtig ist. Übrigens, und das passt zu dem, was satnaam soeben gesagt hat, hat das auch Osho getan (freilich hat der ein klitzeklein wenig mehr begriffen gehabt als ich...). Der hat es so weit getrieben, dass er sich den Hass und Spott der Leute zugezogen hat, nur um jenen zu helfen, die begreifen wollten. Du siehst ja auch hier im Forum, wie Osho ständig das Ziel von Verdächtigungen und Anfeindungen ist.
 
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fckw schrieb:
@opti:
Ok, ich war nicht präzise genug.

Der erste Schritt ist der von dir formulierte Schritt weg von einem ungesunden Unterdrücken des eigenen Wesens und ein natürliches Ausdrücken der inneren Empfindungen nach aussen. Davon sprichst du, und da gebe ich dir ganz recht.
Aber es gibt noch einen zweiten Schritt darüberhinaus, der erst stattfinden kann, wenn der erste Schritt genommen wurde. Der Mensch, der sich aus den Zwängen der gesellschaftlichen Vorgaben und aus ihrer Deformation befreit hat, ist nun zwar authentisch in seiner Ausdrucksweise und er wird spontan seine Innerlichkeit nach aussen ausdrücken. Aber er ist noch immer damit identifiziert. Wird er wütend (gemacht), so bricht noch immer die Wut durch.

Es gilt daher in einem nächsten Schritt zu erkennen, dass die Situation vor dem Hintergrund der Leere tatsächlich "leer" ist, und zwar sowohl die Provokation als auch die eigene Reaktion. Es ist, wenn man so will, als ob mehrere Automaten aufeinandertreffen und einfach ablaufen. Diese Perspektive einzunehmen ist es, was ich als "Identifikation mit dem Zeugen" bezeichne. Am Anfang wird zwar durch eine Provokation noch Wut entstehen, aber mit der Zeit flaut diese Reaktion ab, ganz einfach weil es keinen Grund mehr für irgendeine Reaktion (also auch nicht für eine andere als Wut) mehr gibt. Die Welt wird zu einem einzigen riesenhaften Spielplatz, und man schaut ihm distanziert und unbeteiligt zu. Das ist die Erkenntnis der Leere konkret umgesetzt. Wer noch immer Angst vor dem Zahnarzt hat, der hat eben Leere noch nicht in aller Tiefe "verstanden". Verstehen, das ist genau das: Inwiefern ich frei bin von automatischen Reaktionsweisen.

Aber wie gesagt, das ist erst der zweite Schritt, der demjenigen folgen muss, den du bereits geschildert hast, nämlich der Entidentifizierung mit den gesellschaftlichen Zwängen.

(Es gibt darüberhinaus noch einen dritten Schritt, nämlich das Lösen von der (noch immer einseitigen) Identifikation mit dem Zeugen. Das ist der letztmögliche Schritt, es besteht dann kein Unterschied mehr zwischen dem Zeugen und dem Bezeugten. Aber das wollen wir hier mal vorerst nicht weiter betrachten.
Ausserdem darf man nicht glauben, das sei alles schön eins nach dem anderen. Es kann sein, dass man in gewissen Lebensbereichen ein tiefes Verständnis der Materie entwickelt hat und dort gelöst und frei in der Welt herumspaziert, während in anderen Lebensbereichen man nur sehr wenig Freiheit entwickelt hat und womöglich noch nicht einmal den allerersten Schritt durchlaufen hat.)

Ich glaube, wir meinen dasselbe. Aber wir gehen zwei verschiedene Wege. Ob deiner funktioniert, weiß ich nicht. Ich habe aber meine Zweifel. Dein Weg führt über die Ich-Identifikation bzw. über die Lösung davon. Bei deinem Weg sehe ich aber die gleiche Problematik, die ich zwischen den Zen-Laien und den Zen-Mönchen sehe.

Mein Weg ist ein anderer. Ich arbeite gewissermaßen auf energetischer (physiologischer) Ebene. Es ist ein Wechselspiel aus Spiritualität (gemeint ist in diesem Fall die ethisch-moralische Ebene), Meditation, Brahmacharya und Sexualität. Unterstützt wird das ganze persönlich bei mir durch regelmässigen Sport, Yogaübungen und in letzter Zeit nur noch selten durch Atemübungen.

Durch diesen Weg verschwinden alle Anhaftungen. Sowohl an die Sexualität, aber auch alle negativen emotionalen Identifikationen, wie Wut, Trauer etc. und zwar durch die Beeinflussung der Physiologie. Es findet also ein Heilungsprozess statt.
 
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