Der Alte

Kapitel 14

Noch ergriffen von den Bildern aus Ägypten kam ich langsam wieder in der Realität an. Der Ast des Ahorn lag immer noch auf meiner Schulter. Ich spürte förmlich seine Neugier und wollte ihn nicht länger auf die Folter spannen. Stück für Stück erzählte ich ihm was ich gesehen hatte und er hörte geduldig und erstaunt zu, ohne ein Wort zu sagen.

"Ich denke wir beschliessen unseren gemeinsamen Ausflug für heute, sagte ich zu ihm. Morgen treffe ich mich mit Aaron und werde ihm erzählen, was ich gesehen habe. Bin gespannt was er dazu sagt. Ich danke Dir von ganzem Herzen mein lieber Ahorn, dass ich Dein Gast sein durfte und Du mir die Möglichkeit gegeben hast, so weit zurück schauen zu können."

"Gerne lieber Merbold, gerne! Weisst Du, ich bin sehr froh dass Du gekommen bist, denn auch ich konnte heute viel an Wissen dazugewinnen und dafür danke ich auch Dir."

Ich verabschiedete mich und ging langsam und vorsichtig den Weg wieder hinab. Als ich den dunkelen Park verliess, war es 3.33 Uhr in der Nacht. Ich spürte Müdigkeit in mir aufsteigen und beeilte mich zurück in meine Wohnung zu kommen. Kurz darauf war ich bereits im Bett und eingeschlafen.

Ich träumte von Aaron, dem Alten. Das Komische an meinem Traum war, dass mir bewusst war, dass ich träumte. Am nächsten Morgen jedoch konnte ich mich an rein garnichts aus dem Traum erinnern. Es störte mich sehr, doch auch trotz intensiven Nachdenkens und Nachfühlens kam nichts davon an die Oberfläche.

Am Nachmittag war es dann soweit. Ich begab mich in den Park und setzte mich auf die gleiche Bank wie zwei Tage zuvor. Aaron war noch nicht da. Ich überlegte warum ich ihn wohl getroffen hatte, hier im Park, auf der Bank, so rein zufällig... Zufällig? Wenn ich doch nur wüsste was das für ein Traum war. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er mir etwas zeigen oder erklären wollte. Etwas, dass ich....

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, denn wie aus dem Nichts tauchte Aaron vor mir auf. Ich hatte ihn garnicht kommen sehen. Er trug einen kleinen Beutel in seiner Hand. Er sah aus wie aus Sackleinen und machte einen uralten Eindruck auf mich. Er lächelte und setzte sich neben mich auf die Bank.

"Guten Tag Merbold. Ich hoffe Du hattest eine interessante Nacht bei unserem gemeinsamen Freund!"

Gerade wollte ich schon loslegen und ihm erzählen was ich gesehen hatte, doch er hob seine Hand um mich zu stoppen.

"Bevor Du erzählst was ich weiss, möchte ich Dir etwas zeigen und Dich fragen ob Du es schon einmal gesehen hast."

"In Ordnung," sagte ich etwas verdutzt.

Aaron fasste in den Beutel.

Er holte etwas hervor.

Es verschlug mir den Atem...
 
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Kapitel 15​


"Ich habe es vor ein paar Stunden.... erst gesehen, sagte ich völlig perplex. Das kann doch nicht...Ist es das...?"

Mir stand vor Erstaunen der Mund weit offen. Aaron lächelte mich an. Seine blinden Augen sagten so viel, doch ich verstand rein garnichts.

"Es ist das was Du gesehen hast, ja in der Tat. Über Generationen und Generationen wurde es insgeheim immer weiter gegeben und unter dem Siegel der Verschwiegenheit behütet. Heute nun soll es abermals weiter gegeben werden undzwar an Dich."

"An mich? Warum an mich?"

"Zum Einen bist Du einer von uns, der die Zeitalter durchlebt hat, um ihn weiter zu tragen in eine Zeit in der er wieder nützlich sein kann. Zum Anderen ist meine eigene Zeit hier abgelaufen und ich muss diese Welt verlassen."

"Neben vielen Inkarnationen die Du und ich durchlebt haben, wirst Du Dich an eine ganz besonders gut erinnern können, die anderen werden nach und nach kommen. Es ist das, was Du beim Ahorn gesehen hast. Du warst einst Althied und ich der Pharao. Wir waren Freunde geworden und hatten Gutes im Sinn mit dem Ankh und dem Kristall. Doch gab es nach unserer Zeit in Ägypten auch noch andere dunkele Kräfte, die nach Macht trachteten und es schliesslich schafften beide Artefakte an sich zu bringen. Sie stürzten das Land in Dunkelheit und Verderben."

"Einige Generationen später wurde es durch einen glücklichen Zufall möglich, die Dinge wieder in unsere Hand zu bringen und seitdem halten wir sie geheim. So lange bis auf dieser Welt Zustände vorherrschen, die ihr Erscheinen vorteilhaft gestalten könnten für die Menschen. Doch dies wird noch dauern. Wenn es jetzt schon bekannt würde, wäre es das Todesurteil für die meisten Menschen. Gier und Machtgelüste würden die Erde zerstören."

Irgendwie schien es für Aaron selbstverständlich zu sein, dass ich das Ankh an mich nehmen würde, doch bevor ich darüber nachdenken konnte, sprach er bereits wieder weiter.

"Doch Du musst auf der Hut sein Merbold. Sie suchen ständig danach und versuchen mit aller Gewalt und mit allen Mitteln und ohne Skrupel an das Ankh und den Kristall zu kommen."

"Du hast auch den Kristall?"

Mit einem spitzbübischen Lächeln im Gesicht langte der Alte in den Beutel und holte ihn hervor. Ungebrochen war sein Glanz und in seinem Inneren war immer noch das Symbol des Ankh zu sehen, genauso wie das Symbol des Kristalles auf der Vorderseite des Ankh abgebildet war. Beides lag in meinen Händen.

"Stecke es nun wieder in den Sack zurück Merbold, die dunkele Seite hat viele Augen und wir wollen nichts unnötig riskieren. Und... ich habe noch etwas für Dich Merbold. Es gibt da eine Frau.... sie ist in diese Dinge eingeweiht und wird sich bei Dir melden. Sie wird sich Fee nennen."

"Eine Frau? Eingeweiht?"

"Ja! Sie weiss um die Geheimnisse des Ankh und des Kristalles und sie hat die Möglichkeiten und das Wissen beides zu programmieren. Auf Dich!"

Plötztlich wurde Aaron unruhig und nervös. Es fühlte sich so an, als würde er sich nach allen Seiten umschauen. Die Dunkelheit setzte ein und der Park war nur noch schemenhaft zur Gänze zu überblicken.

"Was ist mit Dir Aaron?"

Aaron war aufgestanden und ging hinter die Bank. Er zog mich mit sich.

"Sie sind hier Merbold! Nimm den Sack an Dich, bringe Dich in Sicherheit!

Sofort! ....Und behüte das Dir anvertraute!"

"Gehe jetzt...sofort!, herrschte er mich an und gab mir einen Schubs nach hinten.

Etwas perplex zog ich mich in die Büsche hinter der Bank zurück. Was war hier los?

"Wer sind die?, fragte ich leise. Doch keine Antwort. Plötzlich hörte ich Stimmen. Männerstimmen.

"Da hinten ist er. Los!"

Dann schnelle Schritte auf dem Kiesweg. Ich zog mich weiter ins Gebüsch zurück und versteckte mich. Drei schwarz gekleidete Männer erreichten im Laufschritt die Bank. Sie ergriffen Aaron am Arm und schüttelten ihn. Angst stieg in mir hoch. Dann sprachen sie ihn hasserfüllt an.

"Mehkhet Aaron, nefth te ann Ankhi. Bash!"

Aaron antwortete: "Neldar tekkem!"

Plötzlich zog einer der Männer eine Waffe und schoss. Aaron fiel getroffen zu Boden. Ich spürte diesen Moment, in dem sein Herz aussetzte. Ich sah wie ein kleiner silberner Lichtpunkt aus seinem Körper austrat und emporstieg. Erst dann spürte ich meine Betroffenheit, meinen Schmerz über seinen Tod.

Die Männer durchsuchten ihn hektisch aber gründlich.

"Er hat es nicht dabei. Lasst uns verschwinden! Wir müssen die Frau finden!"

Schnell entfernten sie sich wieder.

Vorsichtig kam ich aus meinem Versteck hervor. Ich legte meine Hand an seinen Puls. Nichts. Ein kleiner Blutfleck auf seiner Brust verriet mir, dass er sofort tot gewesen sein musste.

Sein Blick war der eines glücklichen Kindes, dass nach einem erfüllten Tag seinen wohlverdienten Schlaf antritt....

Ich strich ihm durchs Haar und liess meinen Tränen freien Lauf. Dann, nach einer Weile, schloss ich seine Augen...
 
Kapitel 16​


Ich holte mein Handy hervor und verständigte die Polizei. Als man mich nach meinem Namen fragte, legte ich aus einem Impuls heraus einfach auf.

Ich verabschiedete mich schweren Herzens von Aaron und schlug mich durch die Büsche auf einen Gehweg. Dann ging ich zu meinem Auto und fuhr zurück nach Hause. Das Haus lag still im Dunkeln und die kleine Laterne davor beleuchtete die alte Eiche, die ich schon von Kindheit an kannte. Irgendwie machte sie einen traurigen Eindruck auf mich, so als würde sie Trauer tragen. Ob sie Aarons Schicksal mitbekommen hatte?

Ich fuhr den Wagen in die Garage und ging ins Haus. Das Augenpaar dass mich von der gegenüberliegenden Strassenecke beobachtet hatte, war mir nicht aufgefallen. Im Wohnzimmer liess ich mich mit einem frischen Kaffee in meinen Fernsehsessel fallen und dachte über die Geschehnisse nach.

Aarons Tod schmerzte mich. Schon so lange kannten wir uns...

Doch spürte ich ganz deutlich dass er glücklich war. Irgendwie hatten wir immer noch ein Band, eine Verbindung. Das Säckchen lag auf meinem Schoss und ich fasste hinein. Nein! Zuerst liess ich die Rolläden herunter. Es war Vorsicht geboten. Aarons Worte hallten in mir nach. Zuerst holte ich den Kristall hervor dann das Ankh.

Wer waren diese Leute, die mit aller Macht versuchten beides wieder in ihre Gewalt zu bringen? Ich hatte keine Ahnung. Aber in einem Punkt war ich mir ganz sicher. Sie führten nichts Gutes im Schilde und es wäre fatal, würde es ihnen gelingen.

Ich drehte den Kristall in meiner linken Hand und betrachtete versonnen das eingravierte Ankh darin. Sein Farbspiel beruhigte mich. Wir kannten uns schon so lange. Ich schlief ein....

"Althied! Althied!"

Ich drehte mich um. Der Steuermann unseres Schiffes rief nach mir.

"Land in Sicht! Dort vorne!

Sein ausgestreckter Arm wies in die Richtung der sandigen Landzunge, die sich als die Küste von Ägyptenland erweisen sollte. Kurz darauf passierten wir die Stelle an welcher der Nil ins Meer floss und bewegten uns landeinwärts. Neugierige Blicke verfolgten uns wenn uns inländische Schiffe entgegen kamen, sah unser Schiff doch so anders aus. Grösser. Mächtiger.

Dann der Hafen. Nachdem wir die hölzerne Landungsklappe heruntergelassen hatten und den fremden Boden betreten hatten, wurden wir auf dem schnellsten Wege zum Pharao gebracht und dort freundlich empfangen.

Wir mussten eine fremde Sprache lernen, die Gewohnheiten der Ägypter und des Königshauses lernen und uns auf viele neue Dinge einstellen. Doch innerhalb sehr kurzer Zeit bewegten wir uns schon recht sicher in diesen Dingen, nicht zuletzt Dank des Pharaos der uns dabei sehr förderte und unterstützte und... er hatte darauf bestanden unsere Sprache ebenfalls zu erlernen. Etwas das mich sehr freute, zeigte es doch sein Interesse an unserem Volk.

Ich war sehr oft bei ihm. Wir tauschten unsere Erfahrungen und unser Wissen aus. Ich fühlte mich stets wohl in seiner Gesellschaft und ihm schien es genauso zu gehen. Doch einmal fühlte ich mich unwohl. Einer seiner Hauptleute erschien um ihm eine Nachricht zu überbringen. Er war von kräftiger Statur, breitschultrig mit einem sehr markanten hervorstehenden Kinn. Sein schwarzes Haar welches nur die rechte Seite seines Kopfes bedeckte, der Rest war kahlrasiert, war zu einem Zopf geflochten. Seine Augen waren giftgrün, stechend und durchdringend.

Als er den Raum verlassen hatte, fragte der Pharao was ich von dem Mann halten würde und wie er auch mich wirkte. Ich sagte ihm offen und ehrlich, dass ich ihm nicht vertrauen würde und kein gutes Gefühl bei ihm hätte.

"Du bist ein ehrlicher und vertrauenswürdiger Mensch Althied. Ich gebe zu dass ich ihn absichtlich gerade jetzt holen liess, damit Du ihn kennen lernst, denn ich habe Dich und Deine Ansichten schätzen gelernt und wollte gerne Deine Meinung hören. Du hast eine sehr gute Wahrnehmung. Der Mann hat mich betrogen und morgen wird er seiner gerechten Strafe zugeführt, er weiss es nur noch nicht."

Dies war ein Vertrauensbeweis gewesen, welcher unsere beginnende Freundschaft weiter vertiefte.

Am gleichen Tage lernte ich seine jüngste Tochter kennen. Shem-Bateh. Sie war Hohepriesterin und mit solcher Schönheit gesegnet, dass sich fast alle Männer verstohlen nach ihr umsahen. Ihr schwarzes langes Haar fiel offen über ihre schlanken Schultern und zwei wunderschöne braune Augen sahen ihn warmherzig an.

Gleich zu Anfang stellte der Pharao unmissverständlich klar, dass Shem-Bateh niemals von einem Mann berührt werden dürfte, da sie ansonsten ihre Fähigkeiten verlieren würde, die von unschätzbarem Wert für ihn und sein Land waren.

Ich wurde unruhig. Etwas Störendes drang an meine Ohren. Der Traum verblasste. Dann erkannte ich das Geräusch und erwachte.

Es hatte geschellt...
 
Kapitel 17

Erschrocken fuhr ich hoch. Wer konnte das jetzt sein?

Auf Socken bewegte ich mich leise zur Haustüre und blieb still davor stehen. Es schellte nochmal. Ich zuckte zurück. Nach ein paar Sekunden wagte ich mich vor und schob die kleine Klappe am Türspion langsam und vorsichtig zur Seite. Die Person stand mit dem Rücken zur Tür. Schmale Gestalt, schwarze Haare und.... ein schwarzer Anzug!

War es einer der Männer die Aaron umgebracht hatten? Hatten sie mich doch bemerkt und verfolgt? Meine Gedanken kreisten wie wild in meinem Kopf. Dann drehte sich die Person langsam wieder zur Tür herum. Zuerst sah ich das Profil, dann das ganze Gesicht...., es war eine Frau!

Erstaunt blickte ich sie durch den Türspion an. Wer konnte das sein? Ich entschloss mich zu öffnen.

Zwei blaue Augen blickten mich aus dem schwarzhaarigen Pagenkopf freundlich an. Drei, vier Sekunden trafen sich unsere Blicke. Tief. Vertraut.

Dann griff sie in ihre Handtasche, holte ein Amulett hervor und hielt es vor sich.

"Ich bin Felina aber Du kannst mich Fee nennen. Kennst Du mich noch?"

Mein Mund stand offen. Ich versank in ihren Augen und Szenen aus alter zeit stiegen in mir auf...

Ich flüsterte: "Shem-Bateh?"

Sie strahlte mich an und legte ihre Hand auf meine Schulter.

"Schön dass es noch da ist Merbold.... oder soll ich.... Althied zu Dir sagen?"

"Ääh, nein nein, ist schon in Ordnung so. Ach, bitte komme doch herein."

Ich öffnete die Tür ganz und trat etwas zur Seite um Fee vorbei zu lassen. Ich schnappte den Duft von wohlriechenden Ölen auf als sie mich passierte und augenblicklich hatte ich ein Bild vor Augen, in dem sie als Shem-Bateh an mir vorbei ging und ich ihr lange nach sah. Das wallende Gewand mit den ägyptischen Motiven. Das Priesterinnen Ornat....

Auch jetzt und hier sah ich ihr betört nach. Ich hatte die offene Tür noch in der Hand, als sie stehen blieb und sich zu mir umdrehte. Ihr fragender aber freundlicher Blick holten mich in die Realität zurück und ich bemerkte dass ich gerade etwas neben mir stand.

"Oh entschuldige bitte Fee. Es ist... es ist alles so überraschend aber... naja, was soll ich sagen...ich freue mich sehr Dich wieder zu sehen."

Ich schloss die Tür und ging mit Fee ins Wohnzimmer. Dort bot ich ihr den bequemen Platz auf der Couch an und setzte mich neben sie auf den Sessel.

Nachdem ich ihr etwas zu Trinken angeboten hatte, fragte sie mich nach dem Ankh und dem Kristall. Ich holte beide Dinge hervor und legte sie auf den Tisch.

"Darf ich?"

"Natürlich, Du musst nicht fragen."

Fee nahm den Kristall und das Ankh in ihre Hände und spürte hinein.

"Gut!" Sie haben nichts von ihrer Kraft verloren. Wir müssen sie schnell aktivieren, damit Du sie nutzen kannst, wenn es erforderlich wird. Aber zunächst haben wir uns glaube ich viel zu erzählen oder?"

"Ganz bestimmt!"

Wir redeten die ganze Nacht. Über unsere gemeinsame Zeit in Ägypten. Den Kristall und das Ankh. Über Aaron. Über die Sakka-Reh, die Geheimgesellschaft die den Kristall und das Ankh für eine Weile an sich gebracht hatten und sie nun mit aller Macht zurück haben wollten. Es gab so Vieles....

Wir hielten uns zu vorgerückter Stunde mit heissem Kaffee über Wasser, aber als es Morgen wurde übermannte uns die Müdigkeit dann doch. Ich bot Fee an im Gästezimmer zu übernachten und morgen nach einem guten Frühstück weiter zu reden. Sie war einverstanden. Als es draussen hell geworden war, legten wir uns schlafen.

Traumlos war mein Schlaf und ich wunderte mich ein wenig, dass ich nach drei Stunden schon wieder so fit war. Ich verliess mein Schlafzimmer und horchte auf dem Flur im Vorbeigehen kurz an Fee's Zimmertür. Nichts war zu hören. Sie schlief bestimmt noch. Ich ging in die Küche, setzte Kaffee auf und bereitete ein Frühstück vor. Als ich etwa eine halbe Stunde später fertig war, stieg ich die Treppe hinauf und klopfte leise akn ihre Tür.

"Fee?"

Nichts. Ich klopfte noch einmal und rief etwas lauter.

"Fee?

Ich öffnete leise die Tür. Das Gästebett war leer. Es war benutzt aber leer. Die Badtür stand offen, dort war sie auch nicht. Ich ging die Treppe hinunter und rief laut: "Fee?"

Keine Antwort. Mein Blick fiel auf den kleinen Sack. Er war leer. Das Ankh und der Kristall waren nicht da. Und Fee war auch nicht da....!
 
Kapitel 18​


Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Jedoch konnte ich einfach nicht glauben, dass sie mich ausgenutzt und hintergangen hatte. Ich überlegte fieberhaft. Was konnte das bedeuten? Sie hatte davon gesprochen die Artefakte zu aktivieren. Hatte ihr Verschwinden etwas damit zu tun? Gedanken kreisten wie wild in meinem Kopf.

Ich sass im Wohnzimmer genau auf dem Platz auf dem Fee gesessen hatte. Ein leichter Geruch des feinen Öles das sie aufgetragen hatte stieg in meine Nase. In Gedanken driftete ich ab in die alten Zeiten. Shem-Bateh hatte mir einmal eine Heilung angedeihen lassen als es mir nicht gut ging. Ich sass auf einem Stuhl und sie stand hinter mir und hatte ihre Hände auf meine Schultern gelegt.

Wohlige Wärme und eine wunderbare Energie durchströmten meinen Körper. Der Geruch von feinen Ölen erfüllte den Raum. Daran hätte ich sie unter Tausenden erkannt. Sie reinigte meine Chakren und erfüllte mich mit neuer frischer Energie. Es war einfach wundervoll. Zum Schluss legte sie ihre Hände auf meinen Kopf und ..... "Merbold? Merbold!"

Die Hände auf meinem Kopf waren real! Ich zuckte zusammen und öffnete die Augen.

"Fee! Wo warst Du? Ich habe mir Sorgen gemacht weil Du plötzlich weg warst. Und als ich sah, dass das Säckchen leer war...."

Ich war aufgestanden und stand vor ihr.

"Da hast Du gedacht ich hätte Dich hintergangen und wäre von der dunklen Seite?"

Sie sah mich mit etwas zur Seite geneigtem Kopf lächelnd an.

"Nun ja, etwas komisch war mir schon zumute. Ich...."

Sie legte ihre rechte Hand auf meine Brust.

"Du kannst mir absolut vertrauen Merbold. Unser beider Absichten decken sich absolut. Niemals sollen diese Dinge wieder in falsche Hände geraten. Ich war im Park beim Ahorn und habe etwas Wichtiges geholt."

"Beim Ahorn... etwas Wichtiges?"

"Ja, Aaron hatte dort etwas deponiert, dass ich für die Einleitung benötige. Einen Ring. Den Ring Jap-Suth. Er hilft bei der Aktivierung und sorgt dafür dass die Energie in die richtige Richtung gelenkt wird. Nämlich in Deine."

Sie zog den Ring aus der Tasche und hielt ihn vor meine Nase.

"Nimm ihn!"

Behutsam legte sie den Ring in meine geöffnete Hand. Kleine bläuliche Flämmchen zuckten wie kleine Blitze auf meiner Haut.

"Siehst Du, er erkennt Dich schon. Nun setze Dich wieder hin und lasse uns gleich mit dem Ritual beginnen. Hier sind Ankh und Kristall. Ich bin gleich wieder bei Dir."

Fee verschwand ins Gästezimmer. Ich nahm das Ankh und den Kristall in meine Hände. Es war eine grosse Kraft in ihnen, aber noch wusste ich sie nicht recht zu lenken. Dann hörte ich Fee die Treppe hinunter kommen. Ich stand auf und drehte mich zu ihr um und war..... völlig fassungslos!

Fee hatte ihre Priesterinnenkleider angelegt. Den Schmuck, der sie als Hohepriesterin auswies. Den Stirnreif. Mein Mund stand weit offen.

"Shem.....?

"Ja lieber Althied und Nein lieber Merbold. Ich habe all diese Dinge wieder bekommen, auf seltsamen Wegen doch das Schicksal hat es so gefügt. Auch mein Wissen und meine Fähigkeiten aus jener Zeit habe ich fast vollständig integriert, um heute in dieser Zeit gemeinsam mit Dir und zum Wohle der Menschen handeln zu können."

Ich war völlig überwältigt von ihrem Anblick und fühlte mich in der Zeit weit zurück versetzt.

"Doch nun setze Dich auf den Stuhl am Tisch, drehe ihn zur Raummitte herum und entspanne Dich. Zunächst werde ich Deine Chakren reinigen und harmonisieren. Du kennst es - wir haben es schon einmal praktiziert - erinnerst Du Dich?"

Ja ich konnte mich gut erinnern und nickte nur. Ich drehte den Stuhl herum, setzte mich nieder und sah sie an. Mit weit geöffneten Armen stand Fee vor mir und sprach die Worte die ich schon einmal vernommen hatte. Wie ein wohliger Singsang drangen sie an meine Ohren. Dann nahm sie die Arme herunter und trat an mich heran. Sie begann an meinen Füssen, führte ihre Hände an meinen Beinen seitlich nach oben und liess sie kurz an der Seite meines Beckens liegen.

Dann legte sie ihre Hand etwas unterhalb meines Bauchnabels ab. Kurz darauf spürte ich ihre Hand auf meinem Solarplexus. Ein leichtes Zucken erfasste mich doch es beruhigte sich sofort. Als sie ihre Hände auf Herzhöhe ablegte, füllten sich meine Augen mit Tränen. Ich liess sie fliessen. Danach führte sie sanft ihre Finger wie in einer Linie von Herzen zum Solorplexus hinab. Sie hatte mir einmal erklärt, dass es so etwas wie einen Kanal dort gab, welcher die Herz- und Solarplexusenergie verband und der geöffnet wurde.

Das Hals-Chakra bearbeitete sie über meine Schultern. Sie hatte ihre Hände dort abgelegt und fuhr nacheinander mit zwei Fingern die Arme hinunter, bis sie in meinem geöffneten Handteller endete. Dann legte sie mir ihre Hände übereinander gelegt auf meine Stirn. Ein wahrer Schwall an Energie durchströmte mich und nach etwa einer Minute zog sie ihre Hände langsam zur Seite, um sie auf meinem Kopf abzulegen. Es war ein Gefühl, als hätte jemand einen Vorhang zur Seite gezogen um mir neue Welten zu eröffnen.

Ihre Hände auf meinem Kopf gaben mir das Gefühl, als würde sich eine Lichtsäule über mir aufbauen, die immer stärker wurde. Dann kippte Fee ganz langsam ihre Hände zur Seite auf ihre Handkanten und formte sie wie eine Schüssel, welche das Licht aufnahm und mich mit einem Gefühl versah, dass ich nicht beschreiben kann. Nur, dass es wunderschön war....

Nach einer Weile spürte ich, dass Fee wieder vor mich getreten war. Als ich die Augen öffnete legte sie ihre Hände auf meinen Knien ab und lächelte mich an.

"Ich denke nun bist Du bereit Merbold. Lass uns das Ritual gleich heute am Abend vollziehen, ich bereite alles vor...
 
Kapitel 19

Wir sassen den ganzen Tag zusammen am Tisch und berichteten uns gegenseitig, was wir in unseren jetzigen Leben erfahren hatten. Fee sprach viel von ihrer Mutter, die sie schon als kleines Mädchen begleitet hatte. Sie war eine Heilerin und hatte vielen Menschen durch Handauflegen geholfen. Ausserdem war sie sehr kundig im Umgang mit Kräutern und Heilpflanzen gewesen.

Schon früh hatte Fee entdeckt, dass sie nicht zum ersten Mal hier inkarniert war und sehr bald war ihr bewusst, dass auch ihre Inkarnation in Ägypten nicht ihr ältestes Dasein gewesen war.

Als sie die einsetzende Dämmerung bemerkte hielt sie inne.

"Bist Du bereit Merbold?"

Ich nickte.

"Gut! Dann bereite ich alles vor. Ich bin in einer halben Stunde wieder bei Dir. Nutze die Zeit für eine kurze Meditation. Komme zur Ruhe, entspanne Dich und sammle Kraft. Wir werden eine Reise machen....."

Mit diesen Worten erhob sich Fee und ging die Treppe hinauf zu ihrem Zimmer. Ich setzte mich entspannt auf die Couch, legte meine geöffneten Hände in den Schoss und schloss die Augen. Tief und tiefer entspannte ich mich. Mein Atem ging ruhig und nach kurzer Zeit hatte ich ein Bild.

Ich befand mich in einer Halle aus Steinen. Quaderförmig. Nach oben spitz zulaufend. Menschen standen Spalier und eröffneten mir den Weg zur Mitte des Raumes. Dort stand mein Reisegefährt. Ein Sarkophag!

Ich hatte Jap-Suth an meinem linken Ringfinger und bewegte mich auf den Sarkophag zu. Die Menschen links und rechts von mir neigten ihre Köpfe, wenn ich an ihnen vorbei ging. Dann spürte ich eine Bewegung an meiner Hand. Es war die Hand von Shem-Bateh. Sie hatte meine Hand genommen. Auf der Couch. In der Realität.

"Öffne nun nicht Deine Augen Merbold. Halte sie weiter geschlossen und lasse Dich von mir führen. Ich führe Dich wie ich Dich schon einmal geführt habe. Durch den Tod ins Leben."

Mir wurde bewusst dass ich dieses Ritual schon einmal durchlebt hatte. Vor langer Zeit. Zelebriert wurde es von Shem-Bateh, damals wie heute. Als ich die letzte Person des Spaliers passiert hatte, konnte ich den Sarkophag zur Gänze sehen. Der Rosengranit war blank poliert und der schwere Deckel war zur Seite geschoben worden. Die Schriftzeichen auf dem Deckel waren mit Gold verziert und auf ihm lagen das Ankh und der Kristall.

Über das bereitgestellte Fusshöckerchen stieg ich ein und legte mich hinein, den Kopf durch ein dünnes Kissen gestützt, welches mit Kräutern gefüllt war. Shem-Bateh trat an den Rand und blickte mich lächelnd an. Sie legte ihre Hand auf meine Stirn.

"Drei Tage wird Deine Reise sein. Drei Nächte wirst Du gehn allein. Doch Lohn erwartet Dich am Ende. Ich gebe dies in Deine Hände."

Mit diesen Worten gab sie mir das Ankh und den Kristall. Sie reichte mir einen reich verzierten Becher. In einem Zug trank ich ihn aus. Shem-Bateh nickte mir kurz zu und trat zurück. Stein rieb auf Stein als der schwere Deckel über mir bewegt wurde und nach ein paar Sekunden empfing mich die Dunkelheit. Der ölige Trank tat seine Wirkung und brachte mich auf den Weg...

Lange Zeit war Dunkelheit. Und Stille. Ich hörte mein Herz langsam und ruhig schlagen. Die Zeit trug mich fort. Fort zu jenem Punkt an dem ich ihn treffen würde. Athum- She, den Hüter der Gerechten. Den Prüfer der Seelen. Weiss war sein Gewand und weiss war sein Haar. Der lange Stab in seiner rechten Hand war aus Ebenholz und an seiner Vorderseite war ein Auge zu sehen.

Und dann stand ich plötzlich vor ihm!

Prüfend sah er mich an und seine wissenden blauen Augen drangen in mich ein. Ich öffnete ihm meinen Geist.

"Du verlangst diese Macht von mir?"

"Wie könnte ich etwas von Dir verlangen? Ich bitte Dich demütig darum Athum-She. Es soll zum Wohle der Menschen geschehen und Unheil durch niedere Gesinnung vermeiden. Deshalb stehe ich hier vor Dir."

"Du warst schon einmal hier Althied, ich erinnere mich an Dich. Auch erinnere ich, dass Du in Deiner Zeit rechtschaffen und aufrichtig warst. Du hast geschworen Shem-Bateh nicht nahe zu kommen und Du hast Deinen Schwur gehalten. Ihr habt euch hier wieder getroffen, um ein Stück des Weges gemeinsam zu gehen. In diesem Sein wird Dir kein solcher Schwur abverlangt, aber....Du wirst eure Aufgabe schwerer machen, solltest Du Dich ihr nähern. Dies sollst Du wissen. Nun gehe weiter in die grosse Halle und empfange die Kraft."

"Ich danke Dir Athum-She!"

Als ich mich vor ihm verneigte, verblasste sein Bild und als ich meinen Kopf hob, befand ich mich in der grossen Halle. Fackeln und Öllämpchen erhellten den Raum und verbreiteten einen Geruch der die Sinne betörte. Ein Stuhl stand bereit. Fast sah er aus wie ein kleinerer Pharaonenthron. Reich verziert mit breiten Armlehnen. Viele hatten sich bereits daran festgekrallt...

Ich nahm darauf Platz. Jap-Suth war an meinem Finger, das Ankh und der Kristall in meinen Händen. Dann züngelten kleine bläuliche Flämmchen um die Ringschiene und ich schloss meine Augen. Nun kam es auf meine Gedankenkraft an, soviel wusste ich.

Wie aus dem Nichts drückte plötzlich ein Gewicht von oben auf mich herab. Es war ein riesiger Quader, der sich langsam herab senkte und mich zu zerquetschen drohte. Er kam immer schneller auf mich zu. Fest nahm ich das Ankh und den Kristall in die Hände und legte sie aufeinander. Augenblicklich spürte ich die Kraft, die von ihnen ausging und ich richtete sie gegen den schweren Quader. Ich konzentrierte mich darauf ihn abzubremsen und anzuhalten, doch wurde er zwar langsamer, kam aber immer noch auf mich zu.

Fieberhaft suchte ich nach einer Lösung und konzentrierte mich noch stärker darauf den Quader zum Stehen zu bringen. Es hatte doch immer funktioniert, warum hier nicht? Der Quader näherte sich mir immer mehr und ich bemerkte einen Anflug von Panik in mir aufsteigen. Doch dann hatte ich dieses Wort plötzlich in meinem Kopf und schleuderte es heraus.

"Batieh!" ... Zerfalle

Wie ein Blitz zuckte ein Strahl aus Ankh und Kristall und traf auf den Quader. Er war noch etwa fünf Meter über mir, als er sich in feinen Sand auflöste, welcher sich an mir vorbei in eine unendliche Tiefe ergoss ohne mir zu schaden.

Diese Prüfung hatte ich bestanden. Doch fragte ich mich warum nur dieser Weg funktioniert hatte, der die Zerstörung des Quaders zur Folge hatte. Und die gleiche Stimme, die mir das Wort "Batieh" eingegeben hatte, war wieder in meinem Kopf zu hören.

"Es ist gut es immer zuerst ohne Zerstörung zu versuchen. Doch gibt es Zeiten und Momente, in denen nur Zerstörung hilft. Wäge gut in Deiner Zeit!"

Die Worte stimmten mich nachdenklich. Nie hatte ich diese Kraft zuvor in dieser Form angewandt. Was würde die Zukunft wohl bringen, dass mir dies gegeben wurde...?

Dann vernahm ich plötzlich Schreie. Der Boden vibrierte und in der Ferne war ein riesiger Krieger zu sehen. Wie von Sinnen brüllend kam er schnell auf mich zugerannt und schwang ein Schwert über seinem Kopf. Donnernd war jeder seiner Schritte und liess den Boden erzittern. Er wurde schnell immer grösser und kam unaufhaltsam auf mich zu. Verrückt, Von Sinnen. Irre. Zornesröte in seinem grässlichen Gesicht.

Ich nahm das Ankh und den Kristall, hob meine Hände, legte sie zusammen und richtete sie auf den Angreifer.

"Anthana, shateh, Anthana shateh!"

Ich sah wie bläuliche kleine Wellen mein Hände in Richtung des Kriegers verliessen. Wie kleine Spiralen bewegten sie sich vor und trafen auf den Aggressor. Immer noch rannte er auf mich zu, doch verlor er plötzlich an Grösse. Dann schien er ruhiger zu werden und seine Bewegungen wurden langsamer. Er wirkte überrascht und machte den Eindruck, als wüsste er nicht mehr was er hier wollte. Schliesslich sank sein Schwert herab und er kam gänzlich zum Stehen. Zwei, drei Meter vor mir stützte er sich ausser Atem auf sein Schwert und sah mich fragend an.

Athana shateh - Heilung und Frieden....

Ich lächelte ihn an und ging auf ihn zu. Er war genauso gross wie ich. Freundschaftlich legte ich meine Hand auf seine Schulter. Lächelnd sah er zu mir herüber.

Dann kam meine schlimmste Prüfung...
 
Kapitel 20​


Unruhig sass ich auf meinem Stuhl. Ich hatte kein gutes Gefühl im Moment. Es fühlte sich an als ob mir etwas genommen werden sollte. Ich hatte keine Angst, doch wurde ich mit jeder Sekunde unruhiger. Was erwartete mich hier? Welche Prüfung musste ich nun bestehen?

Dann hatte ich plötzlich ein Bild. Ein Gang. Fackeln beleuchteten an den Wänden meinen Weg. Ich bemerkte Männer hinter mir. Sie drängten mich vorwärts. Den Ring trug ich immer noch an meinem Finger und das Ankh und der Kristall waren in meinen Händen. Der Gedanke diese Dinge gegen sie einzusetzen kam mir nicht. Ich musste den Gang weiter gehen, bis zum Ende. Dort würde meine Prüfung auf mich warten. Dies wusste ich.

Nach einer kleinen Biegung mündete der Gang in einen Raum. Bestialischer Gestank und Verwesungsgeruch schlugen mir entgegen, doch ich ging weiter in den Raum hinein. Mit lautem Knall wurde die schwere massive Holztüre hinter mir zugeschlagen. Ich war gefangen!

Die Sicht war nicht gut hier, denn nur zwei Fackeln spendeten Licht in dem recht grossen Raum. Dann nahm ich eine Bewegung wahr. Aus einer Ecke trat ein Mann hervor. Gross, kräftig und mit kriegerischem Aussehen. Seine lederne, ärmellose Tracht gab seine riesigen und kräftigen tätowierten Oberarme frei. Durch seinen linken Oberarm waren zwei kleine Holzstäbchen durch den Muskel getrieben. Er kam auf mich zu und blieb etwa zwei Meter vor mir stehen.

"Ihr habt die Artefakte lange genug in eurem Besitz gehabt. Es ist nun an der Zeit, dass sie wieder den Besitzer wechseln und in unsere Hände kommen. Es gibt viele Dinge zu tun. Gib sie mir heraus!

Fordernd streckte er mir seine Hand entgegen und kam noch einen halben Schritt weiter auf mich zu. Sein stinkender Atem war deutlich zu riechen und in seinen Augen glühte ein tödliches Feuer.

"Niemals wieder werden diese Dinge in die Hände der Dunkelmächte gelangen, hielt ich ihm mit fester Stimme entgegen, niemals!"

Ich hob das Ankh und den Kristall an und richtete sie gegen ihn.

"Du wirst sie mir gleich freiwillig geben, denn wir haben etwas sehr Wertvolles hier und wenn Du nicht gehorchst, werden wir sie töten!

Bringt sie herein!"

Eine Frau wurde brutal hereingezerrt und auf einen Stuhl gesetzt. Eine Kapuze war über ihr Gesicht gestülpt und ich konnte nichts erkennen.

Auf ein Zeichen des Mannes hin nahm man ihr die Kapuze ab.

Es war Shem-Bateh! Ich erschrak fürchterlich!

Deutlich erkannte ich in dem difusen Licht ihr Gesicht. Es war blutverschmiert und auch auf ihrer Kleidung waren Spuren von Blut zu erkennen. Sie hatten sie gequält. Fester packte ich Ankh und Kristall und richtete sie abwechselnd auf den Krieger und den Mann im Hintergrund bei Shem-Bateh.

"Lasst sie augenblicklich frei oder ihr seid des Todes!"

Schallendes Gelächter prallte mir entgegen.

"Wenn Du auch nur einen Finger rührst, ist sie tot!"

Jetzt erst sah ich den Dolch der an Shem-Batehs Hals lag. Der Mann stand seitlich von ihr und bewegte ihn hin und her. Das Blitzen des Metalles war nicht zu übersehen. Ich dachte an Vernichtung. Doch was, wenn ich nicht schnell genug war? Shem-Bateh würde sterben! Blankes Entsetzen machte sich in mir breit.

Nein, ich wollte sie nicht verlieren! Ich liebte sie! Es war schon immer so, auch damals in Ägypten. Sie war ein so reines Geschöpf, es durfte ihr einfach nichts geschehen! Doch wenn ich die Artefakte übergeben würde wäre nicht gewiss, ob sich die Gegenseite an eine Tauschabmachung halten würde. Sie könnten sie trotzdem töten und mich dazu. Es brach mir das Herz, sie so dasitzen zu sehen. Wenn sie sterben würde.... ich zwang mich zu anderen Gedanken.

"Nun wie ist es, gibst Du uns die Artefakte? Wir übergeben Dir das Weib sobald sie in unserer Hand sind und lassen euch gehen, Du hast mein Wort!"

"Dein Wort? Dein Wort ist nichts wert! Ein Menschenleben ist Dir nichts wert. Warum sollte ich Dir glauben?"

Musste ich das Wohl der Menschen über das Leben von Shem-Bateh stellen? War das die Prüfung? Diesen grossen Schmerz auf mich zu nehmen und sie zu verlieren? Diese Dinge durften nicht in die falschen Hände geraten. Zu gross war ihre Kraft. Doch ich wollte Shem-Bateh nicht verlieren!

Dann hatte ich eine Idee. Gedankenkraft! Shem-Bateh war sicher geschwächt, doch ich wusste dass sie zäh und ausdauernd war. Ich versuchte sie gedanklich zu erreichen.

Shem-Bateh! Shem-Bateh! Höre mich! Sie öffnete ihre Augen und sah mich an. Trauer stand ihr im Gesicht und Tränen in ihren Augen als sie mich erkannte. Hoffnungslosigkeit keimte in mir auf, als ich sie so sah. Doch es durfte nicht sein! Es musste einen Weg geben, sie zu befreien und die beiden Männer auszuschalten.

Shem-Bateh, hörst Du mich? Sie nahm meine Gedanken wahr und nickte kurz. Du musst den Mann ablenken, ganz kurz nur, schaffst Du das? Wieder nickte sie fast unmerklich. Wenn ich meine Arme absenke, dann tust Du es, ja?

Sie nickte kurz. Ich liess einen Moment vergehen und hatte meinen Plan gefasst. Langsam senkte ich meine Arme etwas ab. Frohlocken war im Gesicht meines Gegenübers zu erkennen. Er glaubte ich würde nun aufgeben. Ich sah Shem-Bateh an.

Dann nahm sie alle Kraft zusammen, riss sich los und liess sich zur Seite gleiten. Ich hob das Ankh und den Kristall und richtete beides auf den Mann im Hintergrund.

"Batieh!"

Augenblicklich verliess ein unglaublicher Energieschub meine Hände und zerlegte den Mann in seine Bestandteile. Er war wie pulverisiert! Schnell richtete ich meine Hände gegen den Mann vor mir.

"Batieh!"

Auch er fiel in sich zusammen wie ein nasser Sack. Schnell eilte ich zu Shem-Bateh hinüber. Was ich sah brach mir das Herz! Er hatte sie schwer am Hals verletzt. Aus einer tiefen Wunde trat pochend eine grosse Menge Blut aus. Hilflos sah sie mich an. Ich drückte auf die Wunde, doch es brachte keine Linderung.

Dann nahm ich das Ankh in meine Hand und legte den Kristall zur Seite. Ich hatte noch nie mit ihm allein gearbeitet. Rein intuitiv griff ich in den ringförmigen Kreis und hielt das Ende auf ihre Wunde.

"Athana....Athana....Athana..."

Ich stellte mir in Gedanken vor wie Shem-Batehs Hals in heilem Zustand aussah.

Wieder und wieder wiederholte ich das Wort der Heilung. Und das Ankh tat seinen Dienst. Ich konnte zusehen wie sich die tiefe Wunde wieder verschloss. Die Blutung stoppte. Shem-Bateh öffnete die Augen und sah mich an...

Dann erfasste mich helles Licht. Der Deckel des Sarkophages wurde zur Seite geschoben. Die Prüfung war geschafft! Ich richtete mich auf und verliess noch etwas wackelig meine steinerne Behausung. Dann stand sie vor mir. Shem-Bateh! In vollem Ornat! Wir fielen uns in die Arme und wollten nicht mehr loslassen!

Wieder in meinem Haus angekommen stand Fee vor mir und lächelte mich an. Und das Gefühl setzte sich fort....
 
Kapitel 21​


Oh wie gut es tat, sie in meinen Armen zu spüren. Eng drückten wir uns aneinander und unsere Energiern schienen miteinander verschmelzen zu wollen, doch wir hielten uns zurück und liessen voneinander ab und setzten uns auf die Couch.

"Wie fühlst Du Dich jetzt?"

"Ich habe den Eindruck stärker zu sein und etwas dazu gewonnen zu haben."

Fee nahm meine Hand.

"Du bist stärker geworden und an altem Wissen gewachsen. Nach und nach wirst Du Dir darüber klar werden und mit jedem Tag wird es mehr in Dein Bewusstsein dringen. Und... Du wirst es brauchen! Denn die dunkle Seite wird nicht aufgeben und weiter um den Besitz der Artefakte kämpfen. Du und ich sind dazu auserwählt, diese Dinge zu bewahren und vor Missbrauch zu schützen."

"Wer sind die? Ich meine die dunkle Seite."

"Es gibt sie seit Menschengedenken. Die hekka-the, die Herrschsüchtigen, die nimmersatt nach Macht streben. In grossen Reichen wie in Atlantis oder in Ägypten fühlen sie sich wohl und werden davon angezogen. Je grösser etwas ist, desto mehr übt es Reiz auf sie aus und sie wollen diese Macht für sich haben, weil sie sich für Auserwählte halten. Auserwählt dazu, die Menschen zu beherrschen, mit Unterdrückung, mit Armut, mit Angst und dazu ist ihnen jedes Mittel recht. Auch vor Mord schrecken sie nicht zurück. Mit aller Macht wollen sie ihren Willen und ihre Ziele durchsetzen, koste es was es wolle."

Ich nahm das Ankh und den Kristall in die Hände und betrachtete sie. Wie in zwei Waagschalen lagen sie in meinen beiden Händen. Ich bewegte sie auf und ab wie bei einer Waage. Schliesslich liess ich sie im Gleichgewicht stehen. Fee kniete sich vor mich hin. Sie griff an ihren Hals und holte ein Amulett hervor, dass sie nun zwischen das Ankh und den Kristall hielt.

Ein grünes Licht bewegte sich vom Ankh aus in Richtung des Amuletts und kurz darauf erschien ein violettes Licht im Kristall, welches sich ebenfalls zum Amulett hin bewegte. Es war so als ob sich die Farben vermischen würden und nach kurzer Zeit wechselten die Farben in ein silbernes Band, welches die drei Dinge verband. Ein Dreieck entstand.

"Wir werden weitere Hilfe bekommen, meinte Fee, eine dritte Person wird zu uns stossen und unsere Sache unterstützen. Wir werden sie an einem Zeichen erkennen. Es wird ein Mann sein und er wird ein "P" in seinem Namen haben."

Die Farben verloschen.

"Eine dritte Person? Wie kommst Du darauf Fee?"

"Eine Eingebung. Hellsicht. Manchmal habe ich das. Und es stimmt immer. Ich habe es seit ich denken kann. Anfangs habe ich es nicht beachtet und es war mir manchmal sogar lästig, doch mit der Zeit erkannte ich, dass es mir helfen sollte auf meinem Weg und ich nahm es dankbar an und entwickelte es weiter."

"Ich glaube seit meiner Begegnung mit Aaron und dem Ahornbaum entwickelt sich etwas Ähnliches bei mir."

"Du wirst noch staunen, was sich alles bei Dir entwickelt in der nächsten Zeit Merbold! Schliesslich hast Du Deine Prüfung bestanden und Einweihung erhalten. Stück für Stück wird es sich weiter entwickeln - Du wirst es weiter entwickeln. In der Zwischenzeit werden wir gut auf die Dinge achten, die wichtig sind. Für uns und für die Menschen."

"Glaubst Du dass sie uns finden werden? Ich meine Aaron haben sie auch gefunden und dass macht mir ein ungutes Gefühl."

"Aarons Zeit ging zu Ende. Er wusste dies und hat rechtzeitig die Weichen gestellt, damit die Artefakte nicht in schlechte Hände geraten. Ich glaube nicht, dass sie uns hier finden - zumindest nicht in der nächsten Zeit, denn es ist ein Schutz um dieses Haus gelegt. Ich selbst habe es gemacht. Dennoch müssen wir umsichtig sein und können es nicht riskieren Fehler zu machen. Man weiss nie, was diesen Schergen für fiese Sachen einfallen."

"Also werden wir wachsam sein und die Augen offen halten."

"Und die Intuition!"

"Ja! Und wo wir gerade bei der Intuition sind.... am kommenden Wochenende eröffnet in der Stadt eine Ausstellung ägyptischer Sehenswürdigkeiten. Ich muss immer wieder daran denken. Sollen wir uns die Sache mal ansehen, was meinst Du?"

"Siehst Du, es geht schon los mit der Intuition! Ja, lass uns hingehen."

Fee sah mir tief in die Augen und lächelte mich an.

Wo würde unsere Reise wohl hingehen?
 
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Kapitel 22​


Es war ein sonniger Tag und das schöne Wetter lockte viele Menschen auf die Museumsmeile. Wir waren gleich nach dem Frühstück aufgebrochen und zu Fuß den Weg bis zum Museum gegangen.

Das Ankh hatte ich Fee übergeben. Sie führte es in ihrer Tasche mit sich. Der Kristall befand sich in meiner Umhängetasche. Der säulengetragene Eingang des Gebäudes erinnerte mich an die prächtigen Bauwerke Ägyptens und in Erwartung der ausgestellten Museumsstücke erfasste mich eine gewisse Ehrfurcht. Nach dem Lösen der Eintrittskarten lenkte Fee unseren Gang zuerst in das Untergeschoss. Dort waren kleinere Stücke ausgestellt.

Vorbei an kunstvollen Vasen, kleineren Waffen, Schmuckstücken und anderen Dingen kamen wir vor einer Glasvitrine zum Stehen. Das ausgestellte Objekt weckte unser Interesse. Es war eine hölzerne, etwas verwitterte Schatulle in der sich ein Amulett befand. In der Mitte befand sich ein Kristall, welcher meinem sehr ähnlich war. Sein Strahlen war nicht zu übersehen.

Fee und ich sahen uns an. Aus der Beschreibung auf dem an der Vitrine angebrachten Schild ging hervor, dass das Objekt nicht genau zugeordnet werden konnte. Man konnte nur Vermutungen anstellen. Wir hatten beide den gleichen Gedanken.

Nachdem wir uns vergewissert hatten dass wir allein waren, holten wir Ankh und Kristall hervor und hielten es dem Kristall in der Vitrine entgegen. Keine drei Sekunden später begann der Kristall leicht an zu vibrieren und vollzog eine farbliche Veränderung ins Bläuliche. Vorsichtig zogen wir die Artefakte zurück. Wir gingen ganz nah an die Vitrine heran und sahen den Kristall an.

"Ein interessantes Stück, nicht wahr?"

Erschrocken zuckten wir zusammen und drehten uns um.

"Oh entschuldigen Sie bitte, ich wollte Sie nicht erschrecken. Mein Name ist Robert Hagedorn und ich bin der Schirmherr dieser Ausstellung."

"Schon in Ordnung, antwortete Fee schnell, wir hatten Sie nicht kommen hören."

"Es ist ein faszinierendes Stück, nicht wahr? Wir sind uns nicht sicher, welcher Epoche wir es zuordnen können und zu welchem Zweck es gefertigt wurde. Sie interessieren sich für den Kristall?"

"Äh, ja, antwortete ich zögernd, er ist irgendwie besonders und naja, er hat unser Interesse tatsächlich geweckt. Etwas Besonderes scheint in ihm zu stecken."

Der Mittvierziger sah mich prüfend an. Schliesslich lud er uns ein.

"Wir haben in einem Nebenraum noch weitere Stücke, welche wir nicht mit ausgestellt haben. Wenn Sie mögen und Interesse haben zeige ich sie Ihnen gerne einmal."

Mit einer einladenden Handbewegung wies er in Richtung eines weiteren Raumes... Nur wenn Sie mögen."

Wir sahen uns kurz an und nickten zustimmend.

"Gerne, vielen Dank Herr Hagedorn. Wir würden sie gerne anschauen."

"Na dann folgen Sie mir bitte."

Kurz darauf befanden wir uns in einem etwa vierzig Quadratmeter grossen Raum, in dem mehrere Tische und Regale aufgestellt waren. Die Fenster waren vergittert und liessen nur wenig Tageslicht herein.

Herr Hagedorn steuerte auf ein Regal zu und holte eine Pappschachtel heraus, die er auf einen Tisch stellte. Er hob den Deckel ab und betrachtete unsere Gesichter, als wir die darin liegenden Kristalle erblickten.

"Sie stammen allesamt aus einem Grabungsfund in Ägypten und sind mir eher zufällig in die Hände gefallen."

"Es sind sehr schöne Stücke, warum stellen Sie sie nicht mit aus?", fragte Fee.

Etwas zögerlich antwortete Herr Hagedorn.

"Nun, offengestanden ist es etwas problematisch für mich diese Dinge öffentlich zu zeigen. Ich habe sie einem Mann abgekauft. Er sagte mir, dass sie aus einer sehr alten Zeit stammten und lange versteckt gehalten wurden. Ein Geheimnis soll in ihnen verborgen sein. Doch letztlich könnte es auch ein gemeiner Grabräuber gewesen sein, verstehen Sie?"

Plötzlich waren laute Schreie von draussen zu hören. Kurz darauf zersplitterte Glas und wir zuckten zusammen. Herr Hagedorn rannte heraus um nachzusehen. Langsam und vorsichtig gingen wir hinterher. Draussen bot sich uns ein Bild der Verwüstung.

Die Glasvitrine war in tausend Stücke zerbrochen und der Kristall war gestohlen worden!

Schnell wurde bekannt, dass drei vermummte Männer in schwarzer Kleidung und maskiert in die Ausstellung gestürmt waren, die Vitrine zerstört und den Kristall an sich gebracht hatte. Innerhalb von Sekunden waren sie in ihrem Wagen wieder verschwunden. Fassungslos stand Herr Hagedorn vor den Trümmern der Vitrine.

Wir waren zu ihm herangekommen und hörten ihn murmeln.

"Wer macht den sowas? So ein Mist!

"Das tut uns sehr leid für Sie Herr Hagedorn. Offenbar ist der Kristall wertvoller als Sie gedacht haben, zumindest für bestimmte Menschen."

"Es muss wohl so sein, antwortete er, man weiss es nicht."

Sirenen waren zu hören. Die Polizei traf ein und nahm die ganze Sache auf. Auch wir mussten unsere Personalien angeben und konnten danach gehen Die Ausstellung wurde zunächst geschlossen. Wir hatten uns noch von dem netten Herrn Hagedorn verabschiedet und ihm viel Glück gewünscht und ihm gesagt, dass wir in den nächsten Tagen noch einmal vorbei kommen wollten.

Im Eingangsbereich meinte Fee zu mir: "Ich hatte zuerst das Gefühl wir hätten ihn heute schon gefunden, unseren 3. Mann - aber, kein "P".

"Nein, leider kein "P" im Namen", entgegnete ich.

Doch dann blieb sie plötzlich abrupt stehen und drückte meine Hand ganz fest. Sie deutete auf das Schild am Eingang, welches Details der Ausstellung beschrieb.

Dort stand: Leitung: Professor Robert Hagedorn.

Professor!

Wir mussten sofort zu ihm zurück...
 
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