Der Anführer der Hokh-dhan hielt den erbeuteten Kristall in seiner Hand und sah ihn von allen Seiten an, drehte und wendete ihn und überlegte sich welcher der nächste Schritt sein würde, um in den Besitz des zweiten Kristalles zu kommen. Er war zu ihrem Versammlungsort gekommen, um hier alleine und in Ruhe das weitere Vorgehen zu ergründen. Und.... um eine kleine Zeremonie abzuhalten.
Er hatte die Hoffnung mit der Hilfe des Kristalles den weiteren Weg herausfinden zu können und einen Hinweis oder eine Eingebung zu erhalten. Alles war vorbereitet. In dem nur spärlich beleuchteten Raum sahen seine Bewegungen gespenstisch aus. Der schwarze Umhang liess ihn fast mit seiner Umgebung verschmelzen und der goldene Skarabäus schien bei seinen Bewegungen ein Eigenleben zu entfalten.
Hamzah teh platzierte den Kristall in der Mitte der Sitzfläche seines Meisterstuhles. Er glaubte ein leichtes Funkeln darin zu erkennen und dies bestärkte ihn in seiner Absicht. Kerzengerade stand er vor dem Stuhl, breitete seine Arme aus und sah hinauf zur Decke. Dann senkte er seinen Kopf, nahm seine Arme herunter und führte seine Hände zusammen, dass sie die Form einer Schüssel annahmen. Er kniete sich vor seinen Stuhl nieder und legte die Hände so auf den Kristall, dass er ihn völlig bedeckte.
Nun senkte er seinen Kopf auf die Hände über dem Kristall und legte ihn dort ab.
"Anshor meh, Anshor meh, Anshor meh...." Führe mich...
Hamzah teh brachte sich in einen tiefen Entspannungszustand. Er vergass die Umgebung. Immer weiter sackte er ab ins Nichts. Mit geschlossenen Augen bemerkte er noch wie unter seinen Händen der Kristall zu leuchten begann. Dann war er plötzlich in einer anderen Welt.
Wände aus mächtigen Steinquadern umgaben ihn. Es roch stark nach Räucherwerk. Langsam ging er durch das Spalier der Adepten auf sein Ziel zu. Der mächtige Sarkophag aus Rosengranit lag vor ihm. Der schwere Deckel war zur Seite geschoben und wartete auf seinen Einstieg. Nach langer Vorbereitungszeit war der ersehnte Tag heute gekommen.
Drei Tage würde er dort drinnen verbringen. Er würde sterben und wieder auferstehen. Er würde der nächste Hohepriester Ägyptens sein.
Hiroteph...
Hell leuchtete sein Stirnreif mit dem eingearbeiteten Skarabäus auf, als er die letzten drei Stufen zum Sarkophag nahm. Doch nun musste er ihn ablegen, wie alles andere auch, dass er bei sich trug. Dann stellte er sein linkes Bein in den Innenraum des kalten Steingefässes und zog das andere Bein nach. Er streckte sich aus und legte seinen Kopf auf einem mit Getreidesamen gefüllten kleinen Kissen ab. Bevor der Deckel sich zur Gänze schloss, streifte sich sein Blick mit dem der blonden Dienerin, welche seine Sachen entgegen genommen hatte. Aus ihrer Hand hatte er den Becher erhalten, den er in einem Zug leeren musste. Sie nickte ihm fast unmerklich zu. Dann empfing ihn die Dunkelheit...
Er war unruhig und nervös und wusste nicht wohin mit seinen Händen, doch dann fiel ihm eine Handhaltung ein die er zuvor erlernt hatte. Daumen und Zeigefinger beider Hände führte er zusammen und legte sie dann auf seinem Bauch ab. Die nächsten Minuten passierte nichts. Nur die Dunkelheit war präsent und die steinerne Stille.
Doch dann glaubte er ein schwaches Leuchten wahrzunehmen am Ende des Sarkophages. Es wurde stärker. Er erkannte, dass es zwei Lichter waren und dann hörte er diese Stimme: "Folge Deiner Intuition!"
Er bemerkte nun dass es zwei Wege waren, die sich vor ihm auftaten. Als er in den linken Weg hineinspürte, bekam er ein Gefühl von unermesslichem Wissen, von Güte und Gerechtigkeit.
Der rechte Weg vermittelte ihm Stärke, Grösse und Macht. Er fühlte sich emporgehoben und unbesiegbar. Dies war sein Weg! Augenblicklich verblasste der Weg links und er begab sich auf seine Reise durch den rechten Weg, der nun heller erschien und auf dem er sich weiter vorwärts bewegte.
Der Weg führte ihn hinaus ins Freie und in der Ferne erkannte er die Umrisse einer Stadt. Es musste eine Art Handelsstrasse sein auf der er sich fortbewegte. Ständig kamen ihm Menschen entgegen, die alle möglichen Waren transportierten. Doch dann bemerkte er, dass sie ihn nicht sahen.
Kurze Zeit später stand er vor den Toren der Stadt und bestaunte das mächtige Tor. Grosse Gebäude säumten den Weg ins Innere und immer wieder fielen ihm die grossen Kristalle auf, welche auf vielen der Gebäude und säulenartigen Konstruktionen platziert waren.
Es waren die Kristalle der Atlanter, dies wurde ihm plötzlich bewusst und auch dass er sich in ihrer Hauptstadt befand. Ja..., dies war Atlantis!
Als er weiter voran ging fiel ihm unter der Vielzahl der Tempel einer besonders auf. Er war kleiner, lag etwas abseits und irgendwie fehlte ihm der Glanz und die Würde, die von den anderen Gebäuden ausgingen. Neugierig ging er hinein.
Eine Gottestaue erwartete ihn in der Mitte dse Tempels. Schwarzer, polierter Stein, eine glänzende Oberfläche und ein Bildnis, dass ihn an Anubis erinnerte. Doch statt des Schakalkopfes blickte ihn ein freundliches menschliches Gesicht an. Er ging näher heran und schaute in das Gesicht des Gottes. Sein Blick faszinierte ihn und er empfand Güte und Wärme darin. Doch spürte er auch, dass eine grosse Macht darin wohnte. Das gefiel ihm.
Hamzah teh zuckte plötzlich zusammen! Jemand hatte seine Hand ergriffen!
Er blickte erschrocken zur Seite. Doch sogleich beruhigte er sich wieder, denn er blickte in das Gesicht einer wunderschönen blonden Frau die ihn sanft anlächelte.
"Willst Du ihn kennenlernen? Ich bin seine Priesterin und diene ihm seit Jahren. Mein Name ist Hekhabe und ich kann Dich zu ihm bringen."
"Wer ist diese Gottheit und wofür steht er?"
"Er steht für die Umkehr. Die Umkehr zu alten Werten. Die Umkehr zu starker Führung und ungeteilter Macht. Es ist Ba-al und seine Anhänger werden täglich mehr. Die grossen Kristalle sind sein Werk und er sucht treue und starke Männer, die den Weg bereiten für eine neue Ordnung."
Hamzah teh war fasziniert von der Schönheit der Frau und ihren Worten. Immer noch hielt sie seine Hand. Bald fand er sich neben ihr auf einer Holzbank sitzend. Er lauschte ihren Worten und willigte nur allzu gerne ein, ihren Gott näher kennen zu lernen. Wie in Trance folgte er den Anweisungen der Frau und absolvierte ein Ritual, welches mit dem Schwur absoluter Treue endete.
Er war nun ein Anhänger Ba-al's. Hatte ihm die Treue geschworen und verliess den kleinen Tempel. Doch am Ausgang drehte er sich noch einmal um. Er wollte noch einen Blick der blonden Schönheit für sich mitnehmen, doch war sie nicht mehr zu sehen. Statt dessen blickte er in das Gesicht
Ba-al's. Sein Mund war geöffnet und spitze silberne Zähne, scharf wie Dolche bleckten ihm entgegen. Speichel triefte aus seinen Mundwinkeln. Eine schreckliche Fratze!
Schlagartig wurde ihm klar, dass die blonde Frau ein Trugbild war. Ein starker Sog zog ihn zurück und innerhalb von Sekunden fühlte er den Boden des Versammlungsortes wieder unter sich. Seine Hände lagen auf dem Kristall. Er kniete vor seinem Meisterstuhl. Langsam kam sein Geist wieder hier an. Doch etwas lief ihm noch nach. Wer war diese Frau? Er wusste plötzlich, dass sie auch in dieser Zeit inkarniert war. Er musste sie finden. Sie war der Schlüssel!
Und dann fiel ihm siedendheiss ein, wie Terek- Al die Tochter des Professors beschrieben hatte. Eine schöne blonde Frau....