Der Alte

Tolkien

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Der "Alte" an neuer Stelle.

Ich plaziere meine Fortsetzungsgeschichte hier neu auf einem eigenen Thread, um den Zusammehang zu erhalten für interessierte Leserinnen und Leser.

Viel Spass beim Lesen!




Der Alte

Kapitel 1​


Ich hatte ihn schon öfter gesehen, den Alten. Gebeugt sass er auf der Parkbank und stocherte mit einem Stock im Boden herum, malte irgend etwas in den sandigen Boden.

Ich liebte diesen Park. So oft ich konnte ging ich als Kind dorthin, um die Bäume anzufassen. Der grosse Ahornbaum in der Mitte des Parks war mein Freund. Wenn ich meine Hand auf seine Borke legte, erzählte er mir Geschichten. Ich mochte seine Geschichten sehr.

Ich liebte es das Knirschen der feinen Kiesel unter meinen Füssen zu hören wenn ich die Wege entlang lief. Es hörte sich so schwer an. So als wäre ich schon ein erwachsener Mann. Gross, stark und klug. Der sicheren Schrittes durchs Leben ging. Aber mit meinen neun Jahren war es noch ein Stück bis zum Erwachsensein. Damals...

Der sandige Boden unter meinen Füssen dämpfte meine Schritte. Vor Jahren schon hatten sie den Kies auf den Wegen gegen sandigen Boden ausgetauscht. Der Park war renoviert und umgestaltet worden. Viele Bäume waren der Veränderung zum Opfer gefallen, doch mein Freund der Ahorn stand noch.

Der Alte horchte auf als ich mich der Bank näherte. Sein Stock stand plötzlich still und als ich an ihm vorbei gehen wollte sprach er mich an.

"Der Ahorn hat Glück gehabt."

Ich stutzte und blieb stehen.

"Wie bitte?"

"Er hat Glück gehabt, Dein Freund, nicht wahr? Fast wäre er gefällt worden, um anderen Dingen Platz zu machen."

"Woher wissen Sie? Ich meine....Kennen wir uns?"

Ein wissendes Lächeln huschte über das Gesicht des alten Mannes. Die leicht nach oben gezogenen Mundwinkel verstärkten die Falten um seine Augen. Die buschigen langen grauen Augenbrauen hatte er etwas hochgezogen. Er machte einen sehr aufmerksamen Eindruck auf mich. So als ob alle seine Sinne aufs Äusserste gespannt wären. Ich sah ihm in die Augen. Sie waren tot. Er war blind!

"Ich bin Aaron und habe Dich schon damals gehört, als Du mit dem Ahorn gesprochen hast. Du konntest viel von ihm lernen und hast seine Geschichten verstanden. Gleichwohl hast Du ihm auch etwas gegeben, wovon Du allerdings nichts weisst."

"Ich habe ihm etwas gegeben? Was sollte das gewesen sein?"

"Komm und setze Dich zu mir, ich erzähle es Dir."

Ich sah den Alten an. Sein lockiges weisses Haar umspielte ein sehr interessantes Gesicht das übersät war mit kleinen Falten. Die toten Augen waren irgendwie merkwürdig. Und doch....sie drückten etwas aus. Tief innen war Leben in ihnen, welches mich seltsam ansprach. Vertrautheit... Güte... Verständnis. Ich fasste Mut und setzte mich neben ihn auf die Bank. Er hatte mich neugierig gemacht.

"Du bist ein guter Junge, Merbold...."

Verblüfft schaute ich ihn an.

Woher kannte er meinen Namen?

 
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Kapitel 2

Der Alte hatte sich zurück gelehnt und seine Hände auf den Knien abgelegt. Feingliedrig waren sie, wie die Hände eines Klavierspielers. Mir fiel auf, dass er sehr gepflegt war. Seine Nägel waren sauber und ordentlich geschnitten. Auch sein weisses Haar war frisch gewaschen und frisiert und sein Bart war..... etwas erinnerte mich an meinen Vater. Er hatte den gleichen Bart. Weiss, lang, gepflegt...

"Ich kenne den Ahorn schon seit ich Kind bin, begann der Alte, mein Vater hat ihn seinerzeit gepflanzt, weisst Du. Genau wie Du habe ich mit ihm gesprochen und er hat mir geantwortet. Jede freie Minute war ich hier und habe meinem Vater geholfen. Er hat den Park gebaut, damals."

"Es ist ein kanadischer Ahorn und mein Vater hatte den Setzling von einer Reise nach Kanada hierher mitgebracht. Er sagte mir damals, dass dieser Setzling von dem ältesten Ahorn Kanadas abstammen würde und etwas ganz Besonderes sei. Er hat den Platz sehr sehr sorgfältig ausgesucht, wo er ihn letztlich eingepflanzt hat, damit er genügend Platz hat und sich gut entfalten kann."

"Du hast gefragt, was Du ihm gegeben hast. Nun, dieser Baum ist ein besonderes Lebewesen. Er wurde aus seiner Heimat "verschleppt" und an einem fremden Ort fern seiner Heimat eingepflanzt. Er fühlte sich unwohl hier und allein und durch die Gespräche mit ihm über Dein Leben, Deine Wünsche und Deine Familie hast Du ihm ein Gefühl von Heimat und Anschluss gegeben. Er fühlte sich dadurch ein Stück "Zuhause", verstehst Du?"

"Ja, das klingt schon plausibel, aber glauben Sie..."

"Du kannst ruhig "Du" zu mir sagen - ich bin Aaron."

"In Ordnung Aaron. Glaubst Du dass er genauso fühlt wie wir Menschen? Ich meine, er ist doch ein Baum. Zwar ein besonderer, aber sein Leben ist doch ein ganz anderes als das eines Menschen. Kann er sich in einen Menschen einfühlen?"

"Ich würde das ganz klar bejahen. Denke nur an Deine Gespräche mit ihm und die Antworten die er Dir gegeben hat. Denke an seinen Rat, auf welche Schule Du damals wechseln solltest oder wie Du mit Deiner Höhenangst umgehen solltest."

"Du hast es gehört?"

"Natürlich! Ich sass auf der Parkbank zehn Meter entfernt."

"Aber ich habe doch ganz leise gesprochen."

"Weisst Du, wenn man blind ist, dann werden die anderen Sinne geschärft. Mein Gehör hat sich seitdem ich blind wurde ständig weiter entwickelt und an Schärfe gewonnen."

"Wann und wodurch wurdest Du blind, wenn ich fragen darf?"

"Ich war Fünfunddreissig als es passierte. Wodurch? .....Ich erzähle es Dir vielleicht später einmal."

"In Ordnung. Entschuldige bitte meine Neugier."

"Schon O.K."

"Ich bin mir sicher, dass dieser Baum eine Seele hat - so wie Du und ich. Nur eben eine "Baumseele". Bist Du mal in seine Krone gestiegen?"

"Nein bisher noch nicht."

"Ich hab's mal gemacht. So hoch ich konnte. Es war einfach faszinierend. Ich habe ihn vorher gefragt ob es in Ordnung für ihn ist und er hat "Ja" gesagt."

"Wie hat sich dieses "Ja" geäussert?"

"Genauso wie bei Dir.... er lässt ein Blatt auf Deinen Kopf segeln."

"Er hat es bei Dir auch so gemacht?"

"Natürlich!"

"Dann kennst Du auch sein "Nein?"

"Du meinst dieses leichte Zittern?"

" Ja!"

"Es ist seine Art der Kommunikation. Mit seinen Mitteln eben. Nur im Winter schweigt er."
"Ja, er könnte da auch nicht vernünftig reden. Er hat ja kein "Ja" mehr.

Dieses wissendes Lächeln zierte das Gesicht des Alten....
 
Kapitel 3

"Du solltest es nachholen."

"Was sollte ich nachholen?"

"In seine Krone zu steigen! Frage ihn zuerst, ob es in Ordnung ist wenn Du hochsteigst. Aber ich bin mir sicher, dass Du ein Blatt auf den Kopf bekommst und seine Zustimmung erhälst. Beginne Deinen Aufstieg dann auf der Westseite des Ahorns. Du kannst ihn beim Aufstieg am Stamm einmal umrunden, bis es nicht mehr weitergeht, weil die nächsten Äste nicht mehr erreichbar sind."

"Wie hoch bist Du gekommen Aaron?"

"Oh, es war schon ziemlich hoch, also schwindelfrei solltest Du sein....
Ich glaube die beste Zeit dafür ist die einsetzende Dämmerung. Dann ist auch nicht mehr viel los hier und Du hast den Ahorn fast ganz für Dich. Es ist eine Erfahrung, die Du nicht mehr vergessen wirst, glaube mir."

"Was geschieht dabei?"

"Ich mache Dir einen Vorschlag. Wenn Du oben warst, treffen wir uns wieder hier und erzählen uns gegenseitig, was wir dabei erlebt haben, in Ordnung?"

"Ja gerne! Ich denke dass ich es morgen machen werde und dann könnten wir uns übermorgen wieder hier treffen, wäre das passend für Dich?"

"Ja das passt bei mir. Ein kleiner Tipp: Nehme eine kleine Flasche Wasser mit hinauf."

"Warum das?"

"Du wirst es sehen."

Ich sah Aaron an. Er wirkte wie die Gelassenheit in Person auf mich. Seine Augen strahlten etwas ab, das ich nicht genau in Worte fassen konnte. Selten habe ich einen Menschen kennen gelernt, der so sicher und gütig zu sein schien wie er. Er hatte etwas für mich, dessen war ich mir sicher. Ich wusste nur noch nicht, was es war.

Wie alt er wohl sein mochte? Achtzig? Neunzig vielleicht? Eine angenehme und unaufdringliche Weisheit ging von ihm aus und gesellte sich zu mir. Eine Weile sprachen wir kein Wort. Ab und zu sah ich ihn an. Sein Blick ging ins Leere und sagte doch so viel....Es war fast so wie ein Satsang... Ohne Worte... einfach nur ein Austausch von guter Energie.

"Du solltest nun gehen Merbold. Schlafe Dich aus und wenn Du morgen hier bist, bereite Dich ein wenig vor. Bringe Dich zur Ruhe und mache ein paar Übungen vorher auf der Wiese vor dem Baum. Er mag das...."

"Ist gut Aaron. Ich wünsche Dir noch einen schönen Abend. Mach's gut! Ich drehe noch eine kleine Runde hier im Park und dann gehe ich heimwärts."

"Ja, Dir auch!"

Mit diesen Worten erhob ich mich von der Bank und ging den sandigen Weg weiter. Ständig sah ich den Ahornbaum an, den ich bei meinem kreisrunden Weg durch den Park quasi umrundete. Kurz vor der zweiten Biegung sah ich zur Bank hinüber. Aaron war verschwunden! Das konnte doch nicht sein. Es war kaum eine Minute vergangen und er war nirgendwo mehr zu sehen!

Naja, vielleicht hatte er den Weg durch die Büsche hinter ihm genommen, wäre ja möglich. Ich wusste ja nicht in welche Richtung er musste.

Am nächsten Tag machte ich mich eine Stunde vor der Dämmerung auf den Weg. Im Park angekommen drehte ich zunächst eine Runde. Danach ging ich auf die Wiese und blieb einige Meter vor dem Ahornbaum stehen.
Eine ältere Dame war die einzige Person, die sich nun noch hier aufhielt. Ich begann mit meinen Thai Chi Übungen. Wecke die Energie......

Nach ein paar Minuten fühlte ich mich gelassen und ausgeglichen. Ich trat an den Baum heran und berührte seinen Stamm.
"Ist es erlaubt hinauf zu kommen?"
 
Kapitel 4​


"Gewiss Merbold, gewiss."

Ein Blatt hatte meinen Kopf gestreift und trudelte zu Boden.

"Ich hatte schon eher mit Dir gerechnet und denke Du bist schon überfällig."

"Überfällig?"

Der alte Ahorn schwieg und ich begab mich also auf seine Westseite, um den Aufstieg zu beginnen. Ich schaute in die Rund des Parks. Niemand war mehr hier. So griff ich nach dem ersten Ast und zog mich hoch. Mit dem Fuss an seinem mächtigen Stamm gab ich mir etwas Schwung und sass dann auf dem Ast der so dick war, dass ich hätte bequem darauf laufen können.

Die nächsten drei Äste waren so gewachsen, dass ich wie auf einer Treppe ohne grosse Anstrengung weiter empor klettern konnte. Inzwischen hatte ich den Stamm einmal umrundet. Ich schaute mich um und suchte nach der besten Möglichkeit weiter aufzusteigen.

Ein kleinerer abgebrochener Ast schien mir wie eine Einladung den nächsten dickeren Ast weiter oben zu erklimmen. Ich setzte den Fuss darauf und zog mich hoch. Ich war nun bestimmt schon an die fünf Meter hoch gestiegen, doch ich spürte dass ich noch weiter nach oben musste. Noch ganze zwei Mal umrundete ich den alten Ahorn an seinem Stamm, bis ich endlich angekommen war. Hier ging es nicht mehr weiter und ich befand mich schon sehr hoch in seiner Krone. Ich schaute mich um und sah einen Ast der zum Hinsetzen einlud. Dort liess ich mich nieder.

"Hast Du vielleicht etwas Wasser dabei Merbold?"

Sofort fiel mir der Rat Aarons ein.

"Ja ich habe zufällig etwas dabei. Wo soll ich es hingiessen"?

"Der Ast links von Dir. Darunter befindet sich eine Öffnung. Wenn Du es dort hinein giessen würdest, wäre ich Dir sehr dankbar."

Ich ging zu dem Ast und sah das Loch darunter und liess den gesamten Inhalt dort hinein fliessen.

"Aaaah das tut so gut. Durch den Ast wird diese wichtige Öffnung etwas versperrt weisst Du? Es ist ein Wasserkanal, der meine Erinnerungen anregt und wenn wir eine trockene Wetterphase haben, kann es schon mal sein dass ich etwas vergesslich werde."

"Wie weit geht Deine Erinnerung zurück?"

"Oh, eine gute Frage! Nun, normalerweise kann mich an meine ersten Tage nach dem Einpflanzen hier im Park erinnern. Wenn es allerdings sehr feucht ist und der Kanal unter dem angebrochenen Ast viel Wasser nach unten leitet, kann ich mich an Dinge erinnern, die im kollektiven Ahorngedächtnis abgespeichert sind."

"Oh, das hört sich sehr interessant an. Was sind Deine ältesten Erinnerungen?"

"Es geht recht weit zurück. Ich kann Dir keine genaue Jahreszahl sagen, aber ich denke dass es so um die 25.000 Jahre sein werden - nach eurer Zeitrechnung."

WOW....., so weit?"

"Ja!" Möchtest Du ein wenig an meinen Erinnerungen teilhaben Merbold?"

Ich war völlig verblüfft.

"Ja sehr gerne......aber, wie soll das gehen?"

"Setze Dich einfach neben den abgebrochenen Ast, lehne Dich entspannt zurück und lege Deine Hand ganz leicht darauf. Dann schliesse Deine Augen."

Ich folgte den Anweisungen des alten Baumes und sass kurz darauf an den Ast gelehnt. Meinen Arm legte ich auf den abgebrochenen Ast und meine Hand lag auf seinem Ende. Ich entspannte mich und schloss meine Augen.
Dann begann meine Reise....
 
Kapitel 5​


An mein inneres Ohr drang das Geräusch von fliessendem Wasser. Plötzlich fühlte ich mich mitgenommen auf meinem Sitz. Ich spürte den Ast auf dem mein Arm immer noch lag und es war als ob ich sitzend auf einem Wasserstrom mitgenommen wurde.

Langsam bewegte ich mich abwärts in die Mitte des mächtigen Ahornstammes, um dann am Rand entlang immer weiter nach unten gespült zu werden, wie in einem Spülbecken das voller Wasser war und an dem man nun den Stöpsel gezogen hatte.

"Geht es Dir gut?", vernahm ich die Stimme des Ahorns.

"Oh....wir können noch miteinander sprechen? Ja danke, es ist faszinierend und es geht mir gut."

"Du wirst gleich in der Wurzelhalle ankommen. Dort befinden sich mehrere Gänge in denen Du die verschiedensten Erinnerungsspeicher vorfindest.

Du kannst auf Deinem Platz sitzen bleiben und musst nur gedanklich weiter gehen wollen - der Rest findet sich. Auch können wir während Du dort bist miteinander in Verbindung bleiben. Wenn Du also Fragen hast..."

"Dankeschön!"

Mir war bewusst, dass ich physisch immer noch in der Krone des mächtigen Ahorns sass. Dies war eine Reise auf gedanklicher Ebene. Es war wunderschön hier unten. Der Innenraum des Stammes wurde von einem silbrig weichen Licht erhellt, welches mir noch heller zu werden schien, wenn ich mich auf etwas konzentrierte und genauer ansehen wollte.

Dann verlangsamte sich der Fluss und ich sah etwas weiter unter mir einen grossen Raum aus dem mehrere Gänge abzweigten, genau wie der Ahorn es beschrieben hatte. Verschiedenen Symbole waren an den Eingängen zu sehen und ich fragte mich, was sie wohl für eine Bedeutung haben.

Ich kam zum Stehen. Langsam drehte ich mich im Kreis um alles um mich herum sehen zu können. Ich schaute nach oben und hatte das Gefühl, auf dem Grund eines ausgehöhlten Stammes zu sein, der so hoch sein musste wie das Empire State Building.

"Ist das hoch!", staunte ich.

"Ja, es ist eine ganze Menge hier unten gespeichert. Aus aller Welt. Aus vielen Zeiten. Von vielen Baumarten."

"Nicht nur von Ahornbäumen?"

"Nein nicht nur. Dies ist auch ein kollektives Gedächtnis aller Bäume."

Ein Gang zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Es war der Ahorn Gang. Abgebildet war die Frucht einem Ahornbaumes. Ich erkannte die Frucht sofort, die aussah wie ein Flügel. Als Kind hatte ich oft damit gespielt. "Propeller" hatten wir sie genannt.

Unterhalb des Symboles war ein Becher aus Holz auf einem Brett aufgestellt, darunter eine Ausbuchtung mit einem kleinen Wasserspeicher. Ich nahm den Becher in die Hand und schöpfte etwas Wasser, das ich in eine trichterförmige Öffnung goss, welche sich darunter befand. Als ich den Becher wieder abgestellt hatte, setzte ich mich in Bewegung.

Schon nach einem kurzen Stück wechselte die Umgebung und ich befand mich in einem Park. Sofort erkannte ich, dass es der Park war in dem ich mich gerade befand. Es war zu der Zeit, als er gerade erbaut wurde. Ein Mann, etwa um die dreissig Jahre alt, hatte ein Loch ausgehoben und setzte einen Ballen mit einem zierlichen Bäumchen ein. Es war ein Ahorn. Der Ahorn.

"Nun warst Du sozusagen bei meiner Geburt dabei," hörte ich ihn und musste schmunzeln.

Ich sah wieder zu dem Mann. Ein langer Bart zierte sein wettergegerbtes Gesicht. Er musste schon viel herumgekommen sein. Seine tiefblauen Augen strahlten Wissen und Weisheit aus. Und Güte. Er sah auf und drehte sich um.

"Aaron mein Junge, komm her und schau ihn Dir an und bring die Giesskanne mit, Du musst ihn jetzt angiessen. Er wird prächtig werden."

Mit beiden Händen trug der blonde Junge die volle Kanne heran. Er hatte Mühe sie zu heben und musste auf dem Weg mehrmals mit den Händen wechseln. Dann stellte er sie vor dem Bäumchen ab. Der Mann streichelte ihm liebevoll über seinen Kopf.

"Und nun....noch einmal Kraft gesammelt und dann giesse alles über ihm aus und schenke ihm Leben."

Der Junge holte kurz Luft, packte die Kanne und hob sie hoch. Erst als sie völlig entleert war stellte er sie zurück auf den Boden.

"Nun öffne Deine Hände und lege sie in die feuchte Erde und spüre wie er das Leben in sich aufsaugt. Geschwind!"

Sofort kniete der Kleine sich hier und legte seine Handinnenflächen auf den feuchten Boden. Er spürte tief hinein. Fünfzehn, zwanzig Sekunden vergingen.

"Jetzt ist es angekommen. Er saugt es auf!"

"Gut so!"

"Und jetzt....nimm Verbindung zu ihm auf und frage ihn nach seinem Namen."

Der Junge schloss die Augen und konzentrierte sich. Immer tiefer drangen seine kleinen Hände gedanklich in den feuchten Boden. Eine Minute mochte vergangen sein.

"Ultried! Sein Name ist Ultried! ........ Ich bin Aaron, sagte er aufgeregt."

Ein Lächeln zierte sein hübsches Gesicht. Sein Vater legte ihm seine Hand auf die kleine Schulter und war mächtig stolz auf ihn.

"Das hast Du seeeehr gut gemacht Sohn! Jetzt habt ihr eine Verbindung."

Gerade wollte ich noch etwas fragen, doch dann bemerkte ich wie ich mich langsam weiter in Bewegung setzte, um in die nächste Szene einzutauchen....
 
Kapitel 6​


Es ging weiter. Doch nicht zurück zur grossen Halle sondern weiter nach vorne....., also eigentlich doch zurück, aber in der Zeit.

Ich hatte keine bestimmte Vorstellung, wohin ich wollte und liess mich einfach treiben. Bilder und Gedankenfetzen zogen an meinem geistigen Auge vorbei. Ich sah Landschaften, Menschen, Tiere und.... das Fällen von Ahornbäumen!

Entsetzt zuckte ich zusammen. Ich hatte das Gefühl bei einer Hinrichtung dabei zu sein. Zwei Bauernburschen rückten einem mächtigen Ahorn zuleibe und schlugen mit ihren Äxten auf ihn ein, um ihn zu Fall zu bringen.

"Keine Sorge lieber Merbold, wir Bäume sind mit dem Wissen ausgestattet, dass wir den Menschen dienen sollen. Dies kann auf verschiedene Weise geschehen. So zum Beispiel dass wir euch Schatten und Schutz spenden oder dass ihr euch an unserem Anblick erfreuen könnt. Aber auch indem wir den Menschen mit unserem Holz dienen. Denke daran was alles daraus gefertigt wird. Ganze Häuser, Fussböden, Möbel und Vieles mehr."

"Aber verspürt ihr denn keinen Schmerz, wenn eine Axt oder eine Säge euch verletzt?"

"Es ist bei uns etwas anders als bei euch Menschen. Wir haben auch Gefühle, allerdings sind wir damit gesegnet dass wir im Falle eines Baumschnittes oder gar einer Baumfällung wenn sie erforderlich ist unser Schmerzempfinden sozusagen abschalten können. Bei einer Baumfällung gehen wir mit unserer Baumseele schmerzfrei in das kollektive Bewusstsein aller Bäume über und verschmelzen dort mit allen anderen."

"Oh, das beruhigt mich jetzt aber sehr, denn ich dachte zuerst ihr würdet sehr darunter leiden."

"Du bist ein guter Mensch Merbold!"

Langsam ging meine Reise weiter und eine Frage stieg in mir auf. Wie lange gab es Bäume wohl schon auf der Erde und wie sind sie entstanden.

"Das ist eine sehr interessante Frage mein Lieber," hörte ich die Stimme des Ahorns.

Nun, eine bestimmte Jahreszahl kann ich Dir nicht nennen, doch weiss ich dass es schon viele Millionen von Jahren sein müssen. Schon zu Zeiten der grossen Dinosaurier waren wir hier, haben die Erde bevölkert und ihnen Nahrung gespendet. Doch schon lange vor den Dinos waren wir Bäume hier zugegen. Sehr früh schon waren die Wesen ohne ein schlagendes Herz auf der Erde. Untereinander vernetzt durch unsere Wurzeln in der Erde waren wir seit jeher in der Lage uns miteinander zu verständigen."

"Und wie seid ihr entstanden? Ich meine, wer hat euch erschaffen?"

"Es gibt eine sehr alte Geschichte in der davon die Rede ist wie die Bäume erschaffen wurden. Leider weiss ich nicht ob sie stimmt, aber ich finde sie sehr schön.

Vor Urzeiten war noch alles geistiger Natur auf der Erde und auch wir Bäume waren sozusagen nicht materiell vorhanden. Es gab seinerzeit noch keine so grosse Vielfalt an Baumarten und lediglich zwei Baumwesen, die alle Möglichkeiten in sich vereinigt hatten waren hier zu finden. Die Zeit kam, in der diese Wesen abberufen wurden in eine andere Welt und sie kamen überein, dass sie ihre Möglichkeiten der Nachwelt überlassen wollten.

Als ihr letzter Tag gekommen war, schüttelten sie sich mit aller Kraft und warfen alles ab was sie hatten. Es sank zu Boden und in der Erde entstand mit der Zeit neues vielfältiges Leben und all ihre Möglichkeiten wurden ausgeschöpft und entwickelt.

Etwa alle 25.000 Jahre kommen diese zwei geistigen Wesen wieder und besuchen die Erde, um zu schauen was aus ihren Kindern geworden ist.

Wir nennen diesen Tag "Lemur." Ich glaube weil diese Wesen sich so genannt haben. Dieser Zeitraum ist so etwas wie ein Zyklus, der sich immer wiederholt."

Dann bemerkte ich wie ich mich rückwärts bewegt und hatte das Gefühl wieder in Richtung der grossen Halle unterwegs zu sein....
 
Kapitel 7

Es war tatsächlich so. Kurz darauf befand ich mich wieder in der grossen Halle und schaute mich um. Ein Gang zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Es war der Gang der Eichen. Ich mochte Eichen. Schon immer. Die schöne Form ihrer Blätter und das schroffe Äussere hatten etwas Geheimnisvolles für mich.

Stark und fest war ihr Stamm, eingelagerte Stärke in den Jahresringen und Gerbsäure gaben ihr Festigkeit und verliehen ihr diesen ureigenen Geruch. Ihre kräftige Borke hielt den meisten Dingen stand, tief drangen ihre Wurzeln ins Erdreich und verankerten sie dort. Doch Sägen und Äxten war auch sie schonungslos ausgeliefert....

Ich vollzog das Eintrittsritual und sofort bewegte ich mich den Eichengang entlang. Unerwartet schnell wurde die Reise. Während ich mich fortbewegte schossen Gedankenfetzen duch meinen Geist.

Viele Arten. Weisseichen. Roteichen. Knorreichen. Eichenlaub - Auszeichnung. Fast überall zu finden. Selbst in China. Aber leichter. Wächst dort schneller. Sehr hart. Schneeeichen.

Schneeeichen?

Mein Ahornfreund schaltete sich ein.

"Jaaa, die Schneeeichen. Es gibt nur sehr wenige von ihnen und sie wachsen in bergigen Regionen kurz oberhalb der Schneefallgrenze. Daher der Name. Sie wachsen sehr langsam und sind unglaublich hart. Sie sollen eine der Ersten gewesen sein."

"Eine der Ersten?"

"Eine der ersten Baumarten, die hier Fuss gefasst haben. Nur die Buchen sollen noch eher hier gewesen sein, kurz nach den Ersten."

"Und wer waren die Ersten?"

"Hmmm, die Ersten.... Manche sagen dass die Eiben zuerst da waren. Aber Gilboa war früher da."

"Gilboa? Den Namen habe ich noch nie gehört."

"Er hat diese Erde auch bereits verlassen vor langer Zeit und man kann ihn bestenfalls nur noch als Fossil bestaunen."

Ich bemerkte dass ich nun langsamer voran kam.

Eine Szene tauchte vor meinem geistigen Auge auf. Eine weibliche Gestalt. Durchscheinend war ihr Äusseres. Ein hauchdünnes Gewand zierte ihren wunderschönen Körper. Es schien so als ob es mit ihrer Umwelt verschmelzen würde und vermischte sich wie ein Nebelschwaden mit ihrer Umgebung. Es musste ein Geistwesen sein.

Mein Ahornfreund meldete sich.

"Oh....es ist Silvanu, eine der Ersten. Du bist unglaublich weit zurück in der Zeit. Ich war nie so weit zurück."

"Silvanu?"

"Eine Schutzpatronin der Baumwesen."

Die Gestalt richtete ihre Hände auf ein anderes Wesen, welches ebenfalls ein sehr durchscheinendes Äusseres hatte. Mit Erstaunen sah ich, wie sich dieses Wesen in einen Baum wandelte. Es war eine Eiche.

"Das.... würde bedeuten, stammelte ich, dass die Bäume sozusagen beseelt sind?"

"Ja in der Tat. So ist es lieber Merbold."

Ich hatte schon immer ein besonderes Verhältnis zu Bäumen, aber diese Szene stellte die Bäume für mich in ein neues Licht. Ehrfurcht und Dankbarkeit erfüllten mich und als es wieder langsam zurück ging, schloss ich meine Augen und liess die Szene noch lange in mir nachwirken.
 
Kapitel 8


Buchen sollst Du suchen...Diesen Spruch hatte ich noch parat. Und so suchte ich die Buchen. Ihr Gang sollte mein nächster sein.

Kurz darauf passierte ich den Eingang an dem die Buchecker gezeigt wurde. Ich hatte den Eindruck gewonnen, dass jede Holzart ihren ureigenen Geruch hat. So auch die Buche. Ein irgendwie majestetisches Gefühl erfasste mich beim Eintritt in den Gang und eine seltsame Gelassenheit. Hier war viel altes Wissen gespeichert.

"Ja, meldete sich der Ahorn, die Buchen standen schon im alten Atlantis und weit davor auf der Erde. Sie sind sehr anpassungsfähige Wesen und leben in vielen Teilen der Welt."

"Atlantis? Du meinst....es hat Atlantis tatsächlich gegeben?"

"Ja. Natürlich! Es ist nur schon eine ganze Weile her, dass die letzten Reste im Meer versunken sind. Vor nunmehr über 10.000 Jahren bei einer letzten grossen Katastrophe. Drei mal wurde das Land erschüttert und nach jeder flohen etliche der Atlanter in andere Länder und nahmen viel von ihrem Wissen mit welches enorm war für diese Zeit. Sie gingen nach Südamerika, nach Ägypten, und in einige andere Länder. Wenn Du nach den Pyramidenbauten auf der Welt schaust, kannst Du ihre Wege verfolgen."

"Ägypten? Das hört sich interessant an. Ich habe mich schon immer gefragt wie diese riesigen Bauwerke damals erbaut wurden. Weisst Du etwas darüber?"

"Ich weiss nur dass es mit Schwingung und mit Kristallen zu tun hat, welche sie mitgebracht haben. Die Kristalle sollen an einem geheimen Ort versteckt worden sein, damit sie nicht in falsche Hände geraten."

"Oh, wenn man die finden würde..."

"Ich glaube nicht, dass dies in nächster Zeit geschehen wird."

"Warum nicht?"

"Weil die Menschen noch nicht bereit sind, vernünftig damit umzugehen. Sie sollen eine enorme Macht haben und was passiert wenn Macht in falsche Hände gerät...., naja, Du musst Dich nur umschauen in der Welt."

Ein Bild tauchte vor meinem geistigen Auge auf. Eine Felswand an der Menschen arbeiteten. Holzstücke aus Buchenholz wurden in kleine Ritzen getrieben und gewässert.

"So wurden Felsen gesprengt und Baumaterial gewonnen, erklärte der Ahorn. Buche ist eine Holzart, welche schnell auf Feuchtewechsel reagiert. Bei Trockenheit schwindet sie und zieht sich zusammen. Bei Feuchtigkeit dehnt sie sich schnell aus....und kann Felsen sprengen."

Mein Respekt und meine Achtung vor Bäumen war noch weiter gestiegen. Welche grosse Kraft musste ihnen innewohnen? Ich war begeistert. Sie waren von so grossem Nutzen und Wert für die Menschen.

"Und sie tun es gerne, denn sie sind dazu bestimmt den Menschen und der Natur dienlich zu sein und hierfür einen grossen Beitrag zu leisten. Würde es keine Bäume und Pflanzen geben, sähe es düster aus auf der Erde."

Atlantis.... Es ging mir nicht mehr aus dem Kopf und ich nahm mir vor mehr darüber zu erfahren. Auf dem Rückweg zur grossen Halle hatte ich ein Bild.

Ein grosser Kristall...
 
Kapitel 9


Die Lärche kam mir ganz plötzlich in den Sinn. Nach einer kurzen Drehung in der grossen Halle stand ich schnell vor dem Gang der Lärchen. Früchte hatte sie keine, lediglich Zapfen brachte sie hervor. Einer davon war am Eingang abgebildet. Ich vollzog mein Einlassritual und die Reise begann.

Als ich ein kleines Stück den Gang hinein gelangt war, vernahm ich ein seltsames klopfendes Geräusch. Es war ein Stück weiter vor mir und als ich dort angelangt war, wurde es ganz deutlich. Es waren Geräusche die bei der Bearbeitung von Holz auftraten. Ich war mir ganz sicher. Ich bewegte mich noch ein kleines Stück vorwärts.... und bekam ein Bild!

Vor meinem geistigen Auge waren viele Männer zu sehen, die sich an mehreren Holzstämmen zu schaffen machten. Es waren Bootsbauer, die aus Lärchenholz einen Schiffsrumpf bauten. Oh nein, wie ich jetzt sah waren es gleich mehrere davon. Seltsam gekleidet waren sie und ich hatte zunächst den Eindruck, wir befänden uns hier in einer mittelalterlichen Zeitepoche.

Ich bemerkte wie der Ahorn unruhig wurde. Irgendetwas stimmte nicht und schien ihn zu verunsichern. Er hatte meine Gedanken mitbekommen und meldete sich zu Wort.

"Dies ist nicht das Mittelalter Merbold. Du bist viel viel weiter zurück. Weite den Blick und schaue Dir diese Stadt an. Wie sie angelegt ist. Kreisrund. Riesengross. Ich habe sie auch niemals vorher zu Gesicht bekommen. Sieh die Türme mit den Kristallen auf der Spitze! Und den Hauptkristall in der Mitte der Stadt. Dort in der geöffneten Kuppel!

Jetzt sah ich es auch. Ich bemerkte hektisches Treiben. Die Leute waren nervös und angespannt. Aber warum?

"Ich bin mir sicher, meldete sich der Ahorn, dies ist ein Blick auf das alte.....

ATLANTIS !

Mir verschlug es fast die Sprache.

"Atlantis?"

"Ja, alles was ich sehe spricht dafür."

"Das ist unglaublich!"

"Ja, in der Tat. Ich frage mich warum ich es jetzt erst sehen darf. Vielleicht weil Du dabei bist?"

"Weil ich dabei bin? Was ist so Besonderes an mir, dass es erst meiner Person bedarf, damit auch Du es sehen kannst?"

"Weil Du schon einmal..... nein, lassen wir das. Ich erkläre es Dir vielleicht später."

"Warum werden dort so viele Boote auf einmal gebaut? Steht ein Krieg bevor?"

"Nein kein Krieg. Dies ist Atlantis vor der ersten grossen Zerstörung. Vor dem ersten Zerfall. Ich erinnere mich an die alten Geschichten und Sagen. Die Gier der Menschen und ihr Hunger nach Macht lösten eine Katastrophe ungeahnten Ausmasses aus, als sie die Kraft der mächtigen Kristalle, welche ihnen anvertraut waren, für niedere Zwecke missbrauchten. Ein riesiger Teil des Landes versank im Meer und die Erde wurde durch heftige Beben erschüttert. Tsunamiwellen von über zwanzig Metern Höhe richteten heftige Schäden auf der ganzen damaligen Welt an."

Mein Mund stand offen vor Staunen.

"Aber warum werden hier so viele Boote gebaut?"

"Nun, es gab etliche Atlanter die sich gegen den Missbrauch der Kristallenergie ausgesprochen hatten, weil sie solch eine verheerende Katastrophe voraussahen. Sie konnten sich aber gegen die herrschenden Machthaber nicht durchsetzen und sahen keinen anderen Ausweg als die Flucht. Die erste Welle der Flüchtlinge landete in Ägyptenland. Wenn Du in den Gang der Schilfe gehst, wirst Du vermutlich etwas darüber in Erfahrung bringen können. Tausende konnten damals fliehen, aber viele der Atlanter fielen der ungeheueren Kraft der Zerstörung zum Opfer."

Mein Blick fiel auf den Hafen in dem unzählige Schiffe lagen. Einige von Ihnen hatten schon den Zugangskanal zum offenen Meer erreicht und manche waren schon auf See zu sehen, weit weg. Die Schiffe im Hafen wurden hektisch beladen mit allen möglichen Sachen. Säcke mit Getreide, Tiere, Möbelstücke, Fässer mit Wasservorräten usw.

Und plötzlich brach Panik aus unter den Menschen! Ein ohrenbetäubender Knall zerfetzte die Luft. Panisch versuchten die Menschen irgendwo Schutz zu suchen, aber die Katastrophe hatte begonnen..... Die Kristalle auf den Türmen spielten plötzlich verrückt und schickten wahllos Energieblitze durch die Luft und auf den Erdboden. Dort wo sie auftrafen, richteten sie heftige Explosionen an und hinterliessen riesige Krater im Erdreich. Dann wurde der Hauptkristall in der Kuppel getroffen und die Szene verblasste. Das musste das Ende gewesen sein.

"Ja so war es, meldete sich der Ahorn. Aber es war nicht das endgültige Ende. Zweimal noch bekamen die Atlanter eine neue Chance es besser zu machen und zweimal haben sie versagt, bis in einer dritten Katastrophe alles unterging und tief auf den Grund der Meere versank. Dies geschah vor mehr als 10.000 Jahren. Vor jedem weiteren Unglück schafften es viele Atlanter zu fliehen. Sie erreichten Südamerika und andere Länder."

"Warum hat man nie etwas davon gefunden im Meer?"

"Die erste grosse Katastrophe fand vor etwa 50.000 Jahren statt. Teile des Kontinentes rutschten ins Meer. Viele tausend Jahre danach bei der zweiten Katastrophe bedeckte das Erdreich des abgehenden Kontinentes die Reste aus der Ersten. Am Schluss legte sich Schutt und Erdreich aus der letzten Katastrophe darüber. Dann vergingen über 10.000 Jahre. Aus Berichten wurden Legenden und Mythen und auch auf dem Meeresboden finden Aktivitäten der Natur statt. Pflanzen leben auch dort und auch der Meeresboden verändert sich über die Zeit. Es wird sehr schwer sein, etwas von den Überresten aufzuspüren, aber ganz unmöglich ist es sicher nicht.

Bedenke einmal: Wenn Du diesen Park nur 100 Jahre sich selbst überlässt, wird man ihn dann noch als Park wieder erkennen? Sicher nur noch ganz schwach - wenn überhaupt. Und nun: Wie würde es hier nach 10.000 Jahren aussehen? Und genauso ist es auch am Meeresboden."

Die Worte des Ahorns leuchteten mir ein und machten mich nachdenklich. Die Szene war verblasst und ich war fast schon wieder am Ende des Ganges als ich ein Bild vor meinem geistigen Auge hatte.

Es war ein Ibis... mit einem Zweig aus Schilf im Schnabel....
 
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Kapitel 10

Ich war dem Ruf des Ibis gefolgt.

Ein Vogel der eine Verbindung zu Ägypten hat mit einem Schilfzweig im Schnabel...., wer dieses Zeichen nicht versteht, dem ist nicht zu helfen.

Als ich den Schilfgang betreten hatte, beschlich mich ein Gefühl der Unsicherheit. Aber es kam nicht von mir. Es war der Ahorn.

"Was ist los, fragte ich, Du fühlst Dich plötzlich so komisch an? Stimmt etwas nicht?"

"Der viele Sand macht mir ein ungutes Gefühl. Kein guter Boden für mich, weisst Du. Ausserdem fühle ich, dass man hier unangenehme Erfahrungen machen kann."

"Aah so!"

Ein wenig hatte ich seltsamerweise auch das Gefühl auf Sand zu laufen, obwohl ich noch keine Bilder hatte. Doch dann... Der Lauf eines Flusses erschien. Es musste der Nil sein, denn das Aussehen der Boote welche auf ihm segelten war unverkennbar. Ich hatte sie schon öfter auf Fotos gesehen und gerade fiel mir auf, wie sehr mich die Geschichte dieses Landes doch interessierte.

Ein Hafen kam in Sicht mit verschiedenen Anlegestellen und dann sah ich mehrere Boote, die so gar nicht ins Bild passten, denn die Form ihrer Segel war anders und sie waren aus.... Lärche!

Hier waren sie also nun gelandet, an den Ufern des Nil! Ich war sprachlos.

Die hier angekommenen Menschen sahen erschöpft aus. Wie lange mochten sie wohl unterwegs gewesen sein?

Bedienstete des Pharao geleiteten eine Abordnung der Atlanter in den königlichen Palast, wo sie kurz darauf vom Herrscher des Landes freundlich begrüsst wurden. Speisen und Getränke wurden den erschöpften Fremden gereicht und nach dem Mahl erzählten die Atlanter von ihrem Schicksal. Vom Pharao erfuhren sie, dass die Tsunamiwellen bis an die Ufer des Landes zu spüren gewesen waren.

Ich sah den Pharao direkt mir gegenüber und hatte das Gefühl, dass er mich ansieht statt des Anführers der Atlanter. Er hatte einen durchdringenden Blick und in seiner rechten Hand hielt er ein goldenes Ankh-Kreuz. Langsam erhob er seinen rechten Arm mit dem Kreuz und dessen Spitze zeigte auf....

mich!

Etwas energetisch Seltsames erfasste mich und augenblicklich wurde ich fortgetragen von der Szene. Immer weiter. Immer tiefer. Dann schlief ich ein...
 
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