Das Schweigen des Opfers --weil es sich das aussucht @ Lichtbox und Co

Liebe Ireland,

jene Menschen, wenn sie in wirklich abstrusen Methoden ihr Heil sehen wollen, die bringst Du dann auch nicht davon ab. Schwierig, sehr schwieriges Thema. :(

LG
Any
 
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Das, was ich fett gemarkert habe hat mich "stutzig" gemacht.

Ich erlebe dieses "Schuld abgeben" oder die Erkenntnis "ich bin nicht schuld und das ohne wenn und aber" oft wie einen Befreiungsschlag für die Opfer.

Erst, wenn das klar ist, kann, meiner Beobachtung zufolge, ein gesundender Bearbeitungsprozess einsetzen, z.B. das, auf der Basis des Erlebten weiterhin Geschehene, anzuschauen und mit der neuen Erkenntnis zu "verstehen".

Aber vielleicht habe ich den Satz auch nur falsch verstanden und Du bezogst Dich auf die folgenden Reinszenierungen?

Ja, natürlich hat sich das auf die Wiederholungs-Schleifen bezogen.

Auch für mich war es nach der Trennung vom letzten Gewalttäter meines Lebens eine unglaubliche Befreiung, daß er als TÄTER bezeichnet wurde. Und daß ich nach und nach all die Täter meines Lebens endlich als solche benennen konnte. Und meiner WUT auf sie Ausdruck geben durfte, oh und das habe ich ziemlich temperamentvoll getan!

Das ist der wichtige erste Schritt. Aber wenn es dabei allein belassen wird, dann seh ich die Gefahr, daß weiterhin, gesteuert von einem fehltrainierten Unter-Bewußtsein, die alten Strukturen weitergelebt werden. Deshalb halte ich es für so wichtig, den nächsten Schritt zu gehen und - auch wenn das dann gelegentlich schmerzhafte Prozesse sind - zu untersuchen, mit welchen fehlgesteuerten Verhaltensweisen und Denkmustern habe ich die mir Gewalt Antuenden denn immer wieder geradezu hereingebeten, nicht nur zugelassen. Damit ich eben endlich aufhöre, sie hereinzubitten. DAS ist der Anteil, den ich selbst daran habe. Da beginnt dann die Eigenverantwortung. Und es ist gar nicht so einfach, das auseinanderzuklauben, weil die Primär-Traumatisierung ja des öfteren aus einer Lebensepoche kommt, wo es noch gar keine Worte gab...

Und weiterhin denke ich, es HAT mit mir zu tun, daß und warum ich genau in ein solches Elternhaus geboren wurde. (Das ist jetzt auch gleich passend zu dem, was du mir geschrieben hast, nizuz.) Ich bin der Ansicht, daß zwischen vielen verschiedenen Existenzen, die ich lebe, ein Zusammenhang besteht. Nach meinem Verständnis von Karma würde ich diesbezüglich allerdings weder von "Aussuchen" noch von "Vorherbestimmung" reden, sondern eben von "Zusammenhang", "Konsequenz" oder auch "Resonanz". Aber ich werde mich hüten, diese Anschauung, zu der ich gelangt bin, wem anderen überzustülpen. Für mich ist diese Weltsicht schlüssig und hilfreich. Das ist entscheidend. Ob sie wem anderen auch schlüssig erscheint und hilft, ist nicht mein Bier...

Mit freundlichen Grüßen
Kinnaree
 
Liebe Ireland,

jene Menschen, wenn sie in wirklich abstrusen Methoden ihr Heil sehen wollen, die bringst Du dann auch nicht davon ab. Schwierig, sehr schwieriges Thema. :(

LG
Any

Wahrscheinlich ist die Gefahr besonders hoch, wenn bereits schlechte Erfahrungen mit öffentlichen Institutionen (egal wecher Art) gemacht wurden (in mir arbeitet es grad enorm ... :) ).

So etwas generalisiert schnell (und ist auf viele Themen übertragbar).
 
Ja, natürlich hat sich das auf die Wiederholungs-Schleifen bezogen.

Auch für mich war es nach der Trennung vom letzten Gewalttäter meines Lebens eine unglaubliche Befreiung, daß er als TÄTER bezeichnet wurde. Und daß ich nach und nach all die Täter meines Lebens endlich als solche benennen konnte. Und meiner WUT auf sie Ausdruck geben durfte, oh und das habe ich ziemlich temperamentvoll getan!

Das ist der wichtige erste Schritt. Aber wenn es dabei allein belassen wird, dann seh ich die Gefahr, daß weiterhin, gesteuert von einem fehltrainierten Unter-Bewußtsein, die alten Strukturen weitergelebt werden. Deshalb halte ich es für so wichtig, den nächsten Schritt zu gehen und - auch wenn das dann gelegentlich schmerzhafte Prozesse sind - zu untersuchen, mit welchen fehlgesteuerten Verhaltensweisen und Denkmustern habe ich die mir Gewalt Antuenden denn immer wieder geradezu hereingebeten, nicht nur zugelassen. Damit ich eben endlich aufhöre, sie hereinzubitten. DAS ist der Anteil, den ich selbst daran habe. Da beginnt dann die Eigenverantwortung. Und es ist gar nicht so einfach, das auseinanderzuklauben, weil die Primär-Traumatisierung ja des öfteren aus einer Lebensepoche kommt, wo es noch gar keine Worte gab...

Und weiterhin denke ich, es HAT mit mir zu tun, daß und warum ich genau in ein solches Elternhaus geboren wurde. (Das ist jetzt auch gleich passend zu dem, was du mir geschrieben hast, nizuz.) Ich bin der Ansicht, daß zwischen vielen verschiedenen Existenzen, die ich lebe, ein Zusammenhang besteht. Nach meinem Verständnis von Karma würde ich diesbezüglich allerdings weder von "Aussuchen" noch von "Vorherbestimmung" reden, sondern eben von "Zusammenhang", "Konsequenz" oder auch "Resonanz". Aber ich werde mich hüten, diese Anschauung, zu der ich gelangt bin, wem anderen überzustülpen. Für mich ist diese Weltsicht schlüssig und hilfreich. Das ist entscheidend. Ob sie wem anderen auch schlüssig erscheint und hilft, ist nicht mein Bier...

Mit freundlichen Grüßen
Kinnaree

Danke für die Erklärung, jetzt wirds deutlicher. :)
 
Und genau das ist das allerschwierigste für viele Opfer.

Es gibt traumatisierte Patienten, die wirklich nicht mehr wissen, was richtig und was falsch, "was oben und was unten" ist.

Wenn die Übelebensstrategie immer nur "aushalten" war, niemand je geholfen hat, obwohl es alle wußten (Tor hat das gut beschrieben) dann hat man einfach kein Verhaltensrepertoire, was ein "Gehirn einschalten" im beschriebenen Sinne ermöglicht. mitunter traut man keinem Polizisten/ keinem Anwalt mehr ... .

Ich schließe aus allem, was ich selbst erlebt habe und was ich von so vielen anderen Betroffenen gelesen habe, das ist die normale Situation bei einer solchen Traumatisierung. Überhaupt nicht mehr zu wissen, was richtig und falsch ist.

Ich bin in meinem Zimmer gestanden und habe meine nicht mehr oder eben nur auf einer anderen Ebene vorhandenen Eltern angebrüllt "Warum VERDAMMT nocheinmal wart ihr zwei Komplettbescheuerten nicht FÄHIG, mir IRGENDEIN gesellschaftstaugliches Repertoire mitzugeben? Warum weiß ich überhaupt nix von GAR nix? WARUM steh ich jetzt als 50jährige da wie ein Kindergartenkind und muß von vorn anfangen zu lernen, wie Menschen überhaupt funktionieren, weil alles, was ich von euch zwei Volldillos mitbekommen habe, kann ich aufm Mist hauen??????"

Die gute Nachricht kam von meiner Therapeutin. "Sie selbst können sich das jetzt beibringen,", sagte sie mir. Erfreulicherweise hat sie mich gleich vorgewarnt, das kann Jahre dauern - ich muß ja sozusagen jetzt das an mir und meinem kleinen inneren Mädchen tun, was eigentlich so im Normalfall die Eltern getan hätten ;) - deshalb war ich zwar auf einen längeren Zeitraum gefaßt. Dennoch hat es mich immer wieder etwas erschreckt, WIEVIEL da nachzuholen ist...

Wie anytime gut beschrieben hat ist dann die Gefahr sehr groß, auf Scharlatane oder auch falsche Therapeuten hereinzufallen,

Ja. *aufzeig* Vor allem wenn sie sich in Esoterikforen als hilfreiche Onkelz mit dem magischen Durchblick präsentieren, genau diese Geschichten von Buße und Sühne aus vergangenen Leben präsentieren - und, wie ich hinterher herausgefunden habe, ihr ganz normales therapeutisches Handwerkszeug als besondere Fähigkeit verkaufen. Solchene Typen gibt es leider - und sie sind in Wirklichkeit die allerärmsten Opfer ihrer nie durchblickten Muster. Weil sie sich ja selbst mit aller Kraft glauben machen wollen, sie hätten irgendeinen Durchblick durch irgendwas... Auch hier war zunächst einmal die bestialische WUT auf so einen Typen sehr befreiend - und die ist inzwischen einem bestenfalls freundlichen Bedauern gewichen.

Das dauert eben auch - aber es kommt. Inzwischen kann ich das, was mir vor 3 Jahren undenkbar gewesen wäre. Ich kann sehen, wie und warum ich auch diesen bedauernswerten Menschen in mein Leben geradezu hereingebeten habe. Nicht nur eingelassen...

Liebe Grüße
Kinnaree
 
Und genau das ist das allerschwierigste für viele Opfer.

Es gibt traumatisierte Patienten, die wirklich nicht mehr wissen, was richtig und was falsch, "was oben und was unten" ist.

Wenn die Übelebensstrategie immer nur "aushalten" war, niemand je geholfen hat, obwohl es alle wußten (Tor hat das gut beschrieben) dann hat man einfach kein Verhaltensrepertoire, was ein "Gehirn einschalten" im beschriebenen Sinne ermöglicht.

Wie anytime gut beschrieben hat ist dann die Gefahr sehr groß, auf Scharlatane oder auch falsche Therapeuten hereinzufallen, mitunter traut man keinem Polizisten/ keinem Anwalt mehr ... .

Für mich wie für die meisten Menschen st es schwierig, sich überhaupt in eine solche Situation hineinzuversetzen.
Sicherlich hat jeder seine mehr oder weniger großen Wunden oder Verletzungen. Aber nur die wenigsten haben die Erfahrung derartiger Ohmacht und völligen Ausgeliefertseins gemacht.


Du hast leider so Recht ....

Ich möchte noch etwas zum Nach vollziehen schreiben :

p.s. und Tor, ich las mal ein Buch von einem Zeitzeugen und Opfer aus einem ostdeutschen Heim (DDR-Zeiten), da möchte ich kotzen. Und dann gibt es diese tollen Verjährungen und die Täter leben munter ihr Leben weiter und wer weiß, suchen sich neue Kinder, die sie schikanieren und missbrauchen können - da reicht ein Eimer nicht für. Grausam, überhaupt, wie Menschen anderen Menschen überhaupt so etwas antun können. Ich glaube, es ist auch ein Zeichen von Gesundheit, das nicht nachvollziehen zu können. :(

LG
Any

Ich habe volles Verständnis dafür das ein Mensch der unter halbwegs vernünftigen Umständen aufgewachsen ist also normales Famillienleben gesundes Umfeld usw .... Die Abgründe nicht oder nur schwer nachvollziehen kann .
Normalerweise sollte man dies auch gar nicht müssen . Meine Lebensgefährtin konnte sich lange Zeit mein erlebtes nicht vorstellen oder es nachvollziehen . Nicht weil sie empathisch nicht so gut *drauf* ist sondern weil sie als Nesthäcken aufwuchs sie hatte also einen ganz anderen Zugang zu Famillie usw . Sie konnte sich z.b den Hass den ich auf meine Mutter empfand lange Zeit nicht vorstellen .

Erst als ich im Zuge meiner PT begann alles Niederzuschreiben und das dann ihr vorlegte konnte sie einen Einblick nehmen . Das ist ja auch etwas womit Opfer vom Gewalt und / oder Missbrauch zu kämpfen haben , das Nicht glauben wollen der Unglaube . Das nicht wahrnehmen können .
( das ist jetzt kein Vorwurf)

Aber nicht weil die Menschen das nicht können sondern deswegen weil man
diese Ungeheuerlichkeiten schwer glauben kann . Weil man schwer glauben kann das ein Mensch überhaupt Fähig sein kann soetwas einem Kind einer Frau einem Mann anzutun .

Auch deswegen finde ich Dialoge wie sie hier stattfinden wichtig und richtig .

Ich habe von diesen Heimvorfällen in Ostdeutschen Heimen aus DDR Zeiten
gehört , und ähnlich wie in Deutschland haben wir hier in Österreich eine Verjährungsfrist . Bei Körperlicher Gewalt 3 jahre bei Missbrauch 10 Jahre .

Deswegen sprach ich auch in einen meiner frührern Beiträgen an Kinny von dieser Scheiß verjährungsfrist mit der Opfer zu kämpfen haben .

Bankschulden z,b verfallen nie , nach 30 Jahren werden die neu aufgerollt .
:wut1:
wenn ich jemanden die Geldbörse stehle in dem ich ihm ein Teppichmesser vorhalte bekomme ich Minimum 7 Jahre Gefängniss . Verführe ich als Erwachsener ein Kind und missbrauche es dann auch noch erhalte ich wenn ich verurteilt werde MAXIMAL ! 3 Jahre Haft strafe davon eineinhalb Jahre bedingt :wut1:


T
 
Liebe Ireland,

jene Menschen, wenn sie in wirklich abstrusen Methoden ihr Heil sehen wollen, die bringst Du dann auch nicht davon ab. Schwierig, sehr schwieriges Thema. :(

LG
Any


gerade weil das gesamte ein schwieriges Thema ist sich aber viele Esoterischen Betrachtungsweisen daranwagen und *Heilversprechen* abgeben , war es für mich wichtig einen Dialog darüber zu eröffnen .

Und wie bereits mehrfach aufgezeigt wurde gab udn gibt es nach wie vor sogenannte Scharlatane die der Ansicht sind si ebringen Heil , und gerade als Mensch wenn man nicht weiß , nie gelernt hat was richtig was Falsch ist ist man für solche Kreaturen das perfekte Opfer .

Wir können sicherlich nicht in einem einzigen Thread alles aufklären jeden erreichen alle Fragen der psychologie klären , das ist NICHT meine Intention.

Ich wollte aber schon auch die vorhandenen Schattenseiten aufzeigen und zum Dialog einladen . Da ich uns hier als Erwachsene Personen wahrnehme
glaube ich schon das man auch über hardcore Themen sprechen kann trotz unterschiedlichster Zugänge zu dieser Thematik , und bis auf 1-2 wenige Ausnahmen ( einige wenige User konnten es nicht lassen)verläuft die Richtung des Threads aus meiner Sicht absolut positiv .

mfg

T
 
Wahrscheinlich ist die Gefahr besonders hoch, wenn bereits schlechte Erfahrungen mit öffentlichen Institutionen (egal wecher Art) gemacht wurden (in mir arbeitet es grad enorm ... :) ).

So etwas generalisiert schnell (und ist auf viele Themen übertragbar).


Ich finde es gut das auch du hier anwesend bist :) , ich müsste Lügen würde ich behaupten in mir arbeitet es nicht ... ( was auf der Hand liegt)
 
du benutzt - vermutlich unbewußt - Worte wie 'bestrafen', die (wie auch der Nachsatz) in einem Schuldkontext benutzt werden.
Völlig verständlich.

Da möchte ich gern noch etwas näher darauf eingehen.

Ich benütze in diesem Zusammenhang das Wort "bestrafen" ganz bewußt. Es hat einige Zeit gebraucht, bis mir das sichtbar wurde, was da tatsächlich abgeht, deshalb kann ich das auch jetzt erst so klar benennen. Es IST so: ich BESTRAFTE mich selbst, tatsächlich, buchstäblich... solange mir nicht bewußt war, was in mir vorgeht. Auch wenn ich das nicht wußte: im Klartext, war das, was ich tat, unerbittliche Selbstbestrafung. Die allerdings war mir unbewußt, das stimmt.

Es hat bis in den vergangenen Sommer gedauert, da war ich endlich an einem Punkt, wo ich zugelassen habe, daß mein gesamter HASS wirklich HASS auf mich selbst zum Vorschein gekommen ist. Bei nachfolgend rationaler Betrachtung war klar, das ist jetzt der Punktus Knackus: das ist der aus der verschraubten Weltsicht der Mutter übernommene Haß... den sie empfunden hat, der ihr Handeln bestimmt hat, den sie mir auf allen Ebenen eingeflößt hat... und erst seither kann ich darangehen, diesen Haß langsam aber sicher zu neutralisieren. Unter anderem auch durch Affirmationen - weil ich dem Kind in mir gar nicht oft genug die neue Schallplatte "hey ich hab dich lieb und du bist vollkommen in Ordnung und wir kriegen das hin" vorspielen kann. Davon spricht beispielsweise Louise Hay (die diesen gesamten Prozeß ja selbst durchlaufen hat, selbst ein mißbrauchtes Kind) und ich fand ihre diesbezüglichen Vorschläge, was ich nun Neues auf die neue innere Schallplatte spiele, ziemlich hilfreich.

Daran gerade weiterarbeitend
grüßt
Kinnaree :)
 
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Ireland als Psychologin ist eine enorme Bereicherung für das ganze Forum, nicht nur hier.

Sie zeigt nüchterne Blickwinkel auf, mit denen man die vermeintlichen Rettungsanker betrachten kann.
Ob man diese nun annimmt oder nicht, liegt natürlich bei jedem selbst, aber man hat wenigstens die Möglichkeit bekommen und kann für sich selbst die Entscheidung treffen, welcher Weg stimmiger ist.
 
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