Hochachtung… Das ist echt lieb. Gerne nehme ich deine Worte an.

Und ich wünschte, ich könnte sie auch vor mir haben. Daran scheitert es manchmal, weil das Bild in meinem Kopf anders ist. Wie ich sein sollte… Wie es sein sollte. Zwar versuche ich alles mögliche richtig zu machen, doch irgendwie, geht der Schuss dabei immer nach hinten los.
Was würde ich einer Freundin sagen… Mit großer Wahrscheinlichkeit genau das, was ihr mir erzählt. Ich würde ihr Ratschläge geben. Mach mal ne Auszeit, kümmere dich mal um dich, vergiss ihn. Alles mit den besten Wünschen!
Doch muss es auch umsetzbar sein.
Tatsächlich würde ich mir am liebsten nen Platz schaffen, mit einer Gardine drum rum. Denn meine Augen sehen sehr wohl, das Chaos neben mir. Die ganzen verdammten Kabel, schon wieder irgendein neues technisches Gerät, schon wieder weniger Platz für meine Entfaltung.
Ich bin so ein Dekomensch, ein Asket, der darin seine Gemütlichkeit sieht. Doch stelle ich hier schöne Dinge hin, verlaufen gleich 3 neue Kabel drüber. Oder mein Gipsengel hat plötzlich Schrauben im Teller… Demonstrativ.
Und da ist wieder das Beispiel Abi… Alles hab ich sehr gut kapiert und ich hab die Themen regelrecht verschlungen. Aber das Vokabeln lernen ging nicht… Weil mir die gerade, geordnete Linie fehlte. So bekloppt sich das auch anhört. Wenn mein Mann mir demonstrativ ein Ladekabel über die Vokabelbox zieht, dann entwickelt sich bei mir eine Art Blockade. Und die bin ich auch nicht mehr los geworden...
Für manch einen klingt das Larifari, aber für mich war das sehr schlimm und Druck hat sich aufgebaut.
Ich hab mich vor zwei Wochen durchgesetzt, dass mein Mann mir eine Kommode ins Gästeklo setzt. Geordnet. Gerade Linien und Chaos für das sichtbare Auge versteckt. Das brauche ich. Doch der Rest lässt sich hier kaum bewältigen.
Und wahrscheinlich ist es auch für meine Leute nicht leicht, mit mir auszukommen, da ich diese gerade Linie verzweifelt anstrebe und da (so wie gestern) die Nerven verliere.
Meine Eckchen habe ich tatsächlich draußen. Auch wenn ich es im Moment nicht nutzen kann. Das Spielgerät, bei meinem Seelchen, was auch meine Freundin sehr ansprechend findet. Wir sitzen zusammen oft da und quatschen. Früher auch mit meinem Seelchen.
Die Bank am Weiher, die zwar weiter weg ist, aber mir gut tut. Im Park, die Bank. Oder der Riesenraum meiner Natur, meiner Wälder. Im Moment ist das aber nicht möglich, da nass, kalt, schlammig, gefährlich.
All diese Freiheiten fehlen und lassen mich irgendwie krank werden.
@Iphigenie Du hast mich mal gefragt, ob ich mir immer gewünscht habe in einem Dorf zu leben. Doch, habe ich. Straßen und Lärm lösen bei mir Reizüberflutung aus. Das hatte ich alles schon und es hat mir gar nicht gut getan. Ich brauche grün, viel Grün, Wasser, stille Weite und eine gewisse Beschaulichkeit. Jeder Besuch in der lauten Nachbarstadt, ist für mich ein Kulturschock.
Liebe MeinWolfsblut,
der Eingangsbeitrag ist der erste deiner längeren, den ich komplett gelesen haben. Also entschuldige bitte, falls sich nun Fragen meinerseits auftun, die anderen längst bekannt sind.
Zunächst einmal meine Hochachtung ganz allgemein für ein - wie es klingt- wirklich herausforderndes Leben, dass du zu meistern suchst. Wenn ich es richtig zusammenbringe, lebst du mit einem Mann und Vater deiner Kinder, den du nicht mehr liebst in einer relativ geräumigen Whg. Deine Kinder sind beide eingeschränkt. Die Tochter Asperger und der inzwischen pubertierende Sohn Autist, Tourette und Asperger. Du selbst leidest zusätzlich noch an einer Muskelerkrankung und Epilepsie neben dem Aspergersyndrom.
In eurer Whg hast du keinen Raum/Platz/Rückzugsmöglichkeit für dich und Kabel sowie Elektrogeräte liegen quer in den Räumen rum. Du sprichst von dem Chaos um dich herum und davon, dass du, wenn die Kinder aus dem Haus sind gerade das nötigste bewältigt bekommst.
Arbeitet dein Mann? Eure Beziehung scheint mir irgendwie längst vorbei zu sein. Du schreibst in der Alltagsbewältigung mit beiden Kindern immer entweder von Er oder ich, kein/kaum Wir. Wie geht es ihm mit euch dreien? Äußert er sich dazu? Weiß er, dass du ihn nicht mehr liebst und weiß er, dass du dich in jemand anderen verschossen hast? Was ist sein Bedarf und seine Perspektive auf die Gesamtsituation? Tauscht ihr euch diesbezüglich noch aus?
Wieso verlaufen Kabel wirr durch die Whg? Könntest du, er oder ihr nicht die Gegenstände und Möbel SO hinstellen, dass die Kabel nicht quer verlaufen müssten? Oder du das, wenn er nicht da ist mit den Kindern oder mit einer Freundin gemeinsam machen?
Welches Budjet habt ihr monatlich zur Verfügung? Die Aussage, dass die anderen Drei deiner Familie das Chaos lieben und daher bewerkstelligen oder es sie zumindest nicht stört, finde ich bedenklich. Entweder ist da kein Chaos in dem Sinne, dass es als Chaos verstanden würde und du bist tatsächlich "überpenibel" oder aber, da ist wirklich Chaos und keiner, auch die anderen fühlen sich (nicht) wohl. Ein Chaos und unbehagliches Wohnen, das nicht mehr wahrgenommen wird ist ein Zeichen für Depression, Resignation oder Regression oder wahrscheinlich eine Mischung aus allem, aus dem schlicht und ergreifend Gewöhnung wird. Eine falsche Angewohnheit. Sodass sich das nach und nach auftürmt und irgendwann nicht mehr bewältigbar ist.
Auch verstehe ich nicht, wieso du dir auf dem Gästeklo "deine kleine Ecke" einrichten musst/willst? Ist das eine gangbare Lösung für dich?
Wie gesagt, ich habe kaum deine langen Beiträge gelesen und kenne mich mit deiner Situation wenig aus. Bist du selbst in Pflege? In Rente oder Frührente? Als Epileptikerin darfst du diverse körperliche Anstrengungen ohnehin nur sehr schwer eingeschränkt vollziehen. Die Situation mit deinem Sohn hat sich verändert, damit ist ein erhöhter Pflegegrad anzudenken. Wenn er einmal wirklich groß und stark ist, kann es tatsächlich sein, dass du gegen einen Autisten- was manchmal mit Gewaltbereitschaft einhergehen kann- keine Schnitte hast. All das wäre jetzt schon zu bedenken, damit es nicht wie ein Dieb über Nacht über dich kommt. Bist du in Kontakt mit entsprechenden Einrichtungen, die helfen können oder könnten?
Zusammenfassend höre ich aus deinen Schilderungen, dass du keinen "Raum" hast. Das ist einmal "pysisch real" so, gleichzeitig aber auch mental und psychisch. Aber diesen "Raum" musst du dir selbst auch schaffen, in dem du das System änderst, in dem ihr alle euch "eingerichtet" habt.
Konkret könnte das heißen:
Bei genügend Budjet: Tägliche Haushaltshilfe
Pflegegrade geltend machen, für dich, aber auch für deine Kinder/deinen Sohn. Sofern euere Finanzen es nicht hergeben, eine Pflege für den Haushalt beantragen, nicht nur einmal die Woche zwei Stunden, sondern wie gesagt, täglich. Dafür müssten die Pflegegrade angepasst werden. Da kann dir eine Familienhilfe helfen, den ganzen Schriftkram zu erledigen und zusätzlich gibt es Leute, die du aufsuchen kannst. Wichtig ist jedenfalls, dass du den Bedarf geltend machst. In deinem Eingangsbeitrag tust du das nicht. Du schilderst "die anderen drei... chaotisch wie der Papa, aber die störts nicht. Nur ich bin so penibel und komme nicht damit klar!" Das wird jeder Pflegeverwalter als Einladung nehmen, euch euch selbst zu überlassen, denn ein *echtes Probs* gibts hier nicht, störe dich doch einfach nicht daran.
Raum schaffen bedeutet auch:
Jetzt schon eine Einrichtung deines/eures Vertrauens suchen, in der dein Sohn sukzessive herangeführt wird... vielleicht einmal die Woche wenige Stunden, dann nach einigen Monaten eins bis zweimal die Woche dort übernachten usw... denn er ist jetzt noch ein Junge, aber er wird mal ein junger Mann sein und es wäre wichtig, diesen Weg für ihn jetzt schon zu ebnen. Die Fürsorge durch Profis und Experten kann gerade für ihn eine große Hilfe zur Alltagsbewältigung sein, auch damit er schulisch weiterkommen kann, bevor sich im System Familie Fehlverhalten etabliert. Für den Sozialisierungsprozess deines Sohnes brauchst du nach und nach mehr Hilfe, als früher und als du augenblicklich hast. Für dich selbst schafft es tatsächlich "Raum".
Raum schaffen bedeutet auch:
Einfach mal "Urlaub" vom Alltag machen: Essen gehen, schnieke und teuer. Sich ein Verwöhn-Wochenende in einem Hotel gönnen mit Massage und was das Herz begehrt. Einfach ein Stück vom "ungelebten Traum" leben, sofern es und wo es möglich ist.
Raum schaffen bedeutet:
Kabel rausziehen und die Möbel oder ganze Räume so umstellen, dass ein sinngebendes Wohnen möglich wird und sich dafür bei Freunden und Familie Hilfe suchen.
Raum schaffen bedeutet:
Z.B. Eine Entrümpelungsfirma anrufen und Klarschiff machen, wenn es allein nicht mehr bewältigbar ist.
Raum schaffen bedeutet:
Die Großeltern entweder nützlich involvieren, als mit anpackende Hände- gerne auch finanziell oder aber eine klare, strikte Trennung. Denn das wenigste was du gebrauchen kannst sind "Leute" die du angesichts der Herausforderungen nun noch selbst durch die Situation therapieren musst...
Und natürlich abschließend:
Raum schaffen bedeutet, sich genau anzuschauen, wie es kommt, dass das Gästeklo nun dein kleines Rückzieh-Deko- Zimmerchen werden soll. Bist du Gast in euerem Haus? Ist das Stille-Örtchen vielleicht eine ironische Anmerkung deines Mannes oder deiner Kinder gewesen nach deiner Reklamation? Und du hast die Ironie nicht verstanden? Ich muss gestehen, ich stehe hier echt etwas an. Es kann natürlich sein, dass dieses Klo noch der einzig halbwegs benutzbare Raum ist oder ähnlich. Ich weiß es wirklich nicht. Nur wünsche ich dir einfach die Kraft, dass du dich gegen diese Lösung stemmen kannst und willst. Da gehen schließlich eure Gäste, vermutlich auch die Großeltern usw... hin und kacken. :/
Raum schaffen heißt insgesamt, tätig werden statt sich immer nur in Grübeleien, wie alles doch sein könnte aber nun mal nicht ist zu verlieren und für einbisschen Bestätigung das ganze Leben immer wiederzukäuen und damit auch unangenehme Situationen zu festigen.
Nujo, ich wünsche dir so oder so alles Gute. Jetzt ist das auch so ein ellenlanger Beitrag geworden, mal wieder. Vielleicht ja der ein oder andere Denkanstoß für dich dabei. Bitte keine Schuhe anziehen, die nicht passen. Vieles ist naturgegeben spekulativ. Ich drücke dir das Däumchen!