Versteh ich, aber das ist auch einfach der Historie geschuldet. Da ist nicht der Einzelne dran schuld, dieser Teil Deutschland war einmal ein ganz anderes Land. Vom Gefühl her war es zwar immer Deutschland, bzw "wie wir" aber faktisch hatten wir zu DDR Zeiten so viel Ähnlichkeit wie mit Nord Korea.
West Deutschland hat bis weit in die 70er gebracht um die Nazis aus Kopf und Herz zu vertreiben. Mann kann einfach nicht erwarten das "Ost"Deutschland einen vergleichbaren schweren Wandeln mit einem Fingerschnippen erledigt. Es fühlt sich an, als ob der Mauerfall vor einer Ewigkeit war, kultur- geschichtlich was es heute Morgen. Vom Verstand wissen wir, das jeder Syrier staatspolitisch abgeholt werden muss, um ihn vollständig und erfolgreich zu integrieren, bei den ehemaligen DDR Bürgern haben wir aus dem Bauch heraus vorausgesetzt, das das nicht nötig ist und haben auch einfach die Nachwirkungen der Diktatur unterschätzt. Das ist noch nicht mal 3 Jahrzehnte her.
Die DDR war wesentlich Nazi-kritischer als Westdeutschland, viel härter was die "Entnazifizierung" betrifft. In Westdeutschland hingegen war z.B. fast das gesamte Justizwesen mit Nazis durchsetzt und das wurde auch akzeptiert, auch von den Westmächten. Man kann annehmen, dass die DDR über eine lange Zeit (Anfang bis Ende in etwa) wesentlich freier von Nazi-Ideologie war.
Der Grund warum es jetzt anders ist hat eher indirekt mit der Nazi-Zeit zu tun: Deutschland wurde geteilt und Westdeutschland wurde ökonomisch sehr geholfen (Marshallplan z.B.). Die Industrie musste zum größten Teil auch nicht wieder aufgebaut werden, denn sie hatte im Krieg erstaunlich wenig gelitten. Alles zusammen machte dann das Wirtschaftswunder möglich, ein bisschen wie Phoenix aus der Asche. Aber eben lange nicht nur aus eigener Kraft.
In der DDR lief das anders weshalb sie wirtschaftlich lange nicht so stark wurde. Aus der Perspektive vieler Bürger war der Westen dann ein bisschen wie das "gelobte Land", also im Sinne von Westdeutsche haben alles und sind frei. Dann kam das Ende der Sowjetunion und das Ende der DDR (auch v.a. wegen wirtschaftlichen Bankrott) und um die Wahl zu gewinnen hat Kohl gewaltige Versprechungen gemacht. Die Bürger der Ex-DDR mussten dann aber feststellen dass die nur teilweise eingehalten wurden bzw. das es lange nicht so einfach ist und der West-Mythos auch nicht ganz so toll ist wie viele wohl glaubten. Anders gesagt: Da spielt viel verständliche Enttäuschung eine Rolle.
Und wenn man sich jetzt anschaut wie gut oder schlecht das mit dem Wiederaufbau Ost geklappt hat: Nicht gut. Auch 30 Jahre nach dem Fall der Mauer sind die wirtschaftlichen Unterschiede sehr deutlich und es gibt auch nicht so wenige die sich die DDR zurückwünschen, denn einen Vorteil hatten sie: Obwohl sie weniger materielle Werte hatten, waren die gleicher verteilt und die Menschen wurden weniger danach bewertet. Im Westen ist das umgekehrt. Das wiederum stellt eine demütigende Hierarchie her und gesellschaftlich ist es doch immer noch so: Der Westen blickt oft sehr herablassend auf den Osten.
Resultat ist also: Im Osten Deutschlands ist der Anteil der Menschen die sich (oft zu Recht) enttäuscht, verraten, frustriert und wütend fühlen, höher. Zukunftsangst, Angst vor Altersarmut usw., ist ebenfalls höher. Und das zeigt sich dann im Wahlverhalten. Im Osten wird extremer gewählt, aber nicht nur Richtung rechts. Die Linke ist dort auch stärker als im Westen.
Und wenn man sich fragt, warum Fremdenhass dort ebenfalls höher ist: Wenn es Menschen schlecht(er) geht, sie sich sowieso schon tendenziell verraten und gedemütigt fühlen, sich wünschen das mehr Geld in die Hand genommen würde um ein mehr an Gleichheit herzustellen - in Gebieten in denen die Arbeitslosigkeit höher und die Einkommen niedriger sind - dann ertragen die deutlich schlechter, wenn jene von denen sie sich Hilfe wünschen würden auf einmal sehr hilfreich sind wenn Menschen aus anderen Ländern kommen. Das Thema sollte man nicht zu sehr objektivieren, denn es geht v.a. um die Frage: Wie wird *etwas* im Kontext der Bewertung eigener Umstände wahrgenommen? Anders gesagt: Die eigenen Lebensumstände haben sehr großen Einfluss auf die Interpretation neuer Umstände.
Unterm Strich kann man m.A.n. wirklich sagen: Das hat nichts mit den Menschen zu tun, nichts mit Bildung oder was auch immer. Im Osten gab es auch nicht einfach mehr Nazis oder Fremdenfeinde weil es da irgendwelche versteckten Nazi-Schulen gibt. Es hat v.a. mit den Verhältnissen zu tun.
Deshalb bin ich davon überzeugt, dass auch mit diesem Thema (also Pegida und AfD etc.) sehr destruktiv umgegangen wird, denn auch das wird benutzt um oberflächlich und herablassend auf den Osten zu zeigen während der Kontext voll unterschlagen wird. Das hilft nicht, sondern verstärkt das Problem. Die AfD könnte gar nicht dankbarer sein für die Wahlkampfhilfe die da oft geleistet wird.