Ich finde es durchaus richtig, das man die Bürger auffordert, konsequent zu Ende zu denken. Hätte zu Beginn/ vor Beginn der Nazizeit einiges gebracht.
Auch das war ja komplexer als es oft dargestellt wird. Deutschland war nach dem ersten Weltkrieg wirtschaftlich am Ende, dann gab es eine Erholung und dann kam die Weltwirtschaftskrise 1929. Und vielen ist nicht mal bewusst, dass Hitler bzw. die Nazis ohne das keinen Fuß an den Boden bekommen hätten. Extreme Kräfte nutzen ganz bewusst Krisen um Spaltung herbeizuführen und Feindbilder aufzubauen. Zudem nutzen sie die Schwäche konstruktiverer Kräfte.
Das findet aber selten nur auf einer Seite statt. Das konsequente Denken findet im eher linken Mainstream ja auch nicht statt, sonst gäbe es so oberflächliche Beiträge wie das verlinkte Video nicht oder seltener. Das ist ja nicht durchdacht, das ist selbst reflexhaft und oberflächlich.
Die verbreitete Lübcke-Story geht ja zusammengefasst so: Lübcke hielt diese Rede, inklusive jener Sätze die ihn zum Hassobjekt machten. AfD und Pegida flippten deshalb aus und nutzten diese Worte für eigene Zwecke. Fast 4 Jahre später wird Lübcke von einem Rechtsextremen ermordet. Schlussfolgerung: AfD und Pegida haben Mitschuld am Mord.
Da wird zu viel Kontext unterschlagen, u.a. das Lübcke selbst später ja noch mal ne bescheuerte Argumentation ablieferte und damit zusätzlich Öl ins Feuer goss. Nun wird der Mord an Lübcke einfach nur benutzt um vermeintlich aufzuklären, im Sinne von "ihr schürt Wut, das ist ein Resultat", inklusive "Los, gib es zu!".
Das ist auch nicht zu Ende gedacht. Differenzierter ist es wiederum auch gar nicht möglich ist, weil dann selbst Eingeständnisse gemacht werden müssten. Denn zur Wahrheit gehört auch: Lübcke selbst schürte Wut und das nicht nur einmal und seine Worte waren auch spaltend. Gleichzeitig liegen fast 4 Jahre zwischen seinen Worten und dem Mord. Die Verbindung "Pegida/AfD schüren Wut ---> Mord" ist deshalb nicht so einfach zu ziehen.
So tragisch der Mord auch ist, so wenig aussagekräftig ist er, denn das ist tatsächlich ein Einzelfall und auch wenn der Täter zwar kein Einzeltäter betreffend seiner rechtsextremen Gesinnung ist, ist das dennoch ein Anschlag eines kompletten Fanatikers, ähnlich einem islamistischen Anschlag. Und auch aus letzterem sollte man nicht zu weitreichende Schlüsse ziehen, denn obwohl es nicht wenige Fanatiker gibt und die tendenziell auch mehr werden, ist derart gewalttätiger Terrorismus lediglich ein sehr extremer Ausdruck.
Anders gesagt: Es hat viele und komplexe Ursachen warum gefährliche Wut sich hochschaukelt. Und auch die Simplifizierungen der vermeintlich richtigen Seite sind Teil dessen. Wollte man wirklich durchdenken wie es zu dem Mord kam, sollte man mit den Worten Lübckes beginnen und über deren Wirkung nachdenken. Damit meine ich nicht "selbst Schuld", aber überhaupt mal darüber nachzudenken wie es dazu kommen kann das solche "Argumentationen" erstens gebracht werden und eben was sie in der Gegenseite erzeugen und was sie dort möglich machen. Es sollte keinen Mord brauchen um das mal zu durchdenken, aber es wird nicht mal jetzt wirklich getan.