Moin,
so, jetzt lass uns mal gucken.
Ja und nein. In meiner Profession habe ich auch zwei arten von Verträgen - den sog. Werkvertrag, bei der ein konkretes Ergebnis auf Termin zugesagt wird idR zum Festpreis, und den sog. Vertrag auf "Zeit+Material".
Aber auch bei "Zeit+Material" gibt es dann einen Projektplan, der aussagt was erreicht werden soll, ggfs. auch mit konkret beschriebenen Etappenzielen usw.
Man mag von Projektmanagement halten was man mag, aber es läßt sich für viel mehr anwenden als man denkt und bringt oft eine gesunde Pragmatik hinein - das kann sogar für nicht-weltliche Dinge funktionieren, für "Selbstmanagement" (was will ich erreichen? wie gehe ich es an?).
Nein, ich glaube immer noch nicht, dass sich ein derartiger Projektplan auf Dinge wie persönliche Entwicklung anwenden lässt. Allein schon deshalb, weil das Ziel nicht unbedingt eindeutig formulierbar und die Entwicklung selber nicht unbedingt voraussehbar ist. Wenn ich mir hinterher selber nicht gefalle, kann ich trotzdem niemanden in Regress nehmen.
Was tut denn eine Genealogin? (Damit hatte ich glaub ich noch nie was zu tun.)
Auch bekannt unter dem Begriff Ahnenforscher(in). Leute suchen: Vorfahren, Nachkommen, Auswanderer, Verwandte, Erben, verloren gegangene Kinder. So was. Auskunftei, nur historisch, jedenfalls im Kern. Mit durchaus wissenschaftlichem Handwerkszeug, denn ich muss das Zeug ja erst einmal in den Archiven finden, es dann auch lesen und schlussendlich gar interpretieren können.
Schwierige Sache - ich sehe in der Psychologie bis dato keine haltbare wissenschaftliche Grundlage - sie beruht rein auf Empirik, und folglich kann der jeweilige Outcome eh nur Versuchscharakter haben.
Wissenschaft _ist_ Empirie, würde ich sagen. Also jedenfalls die Nicht-Geisteswissenschaften. Medizin ist ebenfalls reine Empirie - wir haben irgendwann festgestellt, dass es hilft, bei einer Blinddarmentzündung den Blinddarm rauszuschneiden, und deshalb machen wir das jetzt so. Und da auch dort gilt: "Wer heilt, hat Recht", kann ich den empirisch orientierten Professionen nicht unbedingt die Wirksamkeit absprechen. Etwas schwieriger wird es dann, wenn einen der Psychologe in eine der ihm zur Verfügung stehenden Schubladen stecken will, aber das ist eine andere Geschichte.
Ja, und da wirds dann richtig schwierig. Unter den Begrifflichkeiten, etwas "rauszuziehen" oder einem "Seelenteil", kann sich, sag ich mal, kein Mensch etwas vorstellen (der nicht selber Schamane ist).
Nun, ich denke, auch ein Schamane würde dem hypothetischen Klienten erst einmal erzählen, wie das ist mit den Seelenanteilen, und ihn nicht mit dem Statement konfrontieren, ich mach jetzt was mit dir, aber ich sag dir nicht was. Das jedenfalls habe ich unausgesprochen vorausgesetzt. - Schamanismus ist eine Bildersprache. Dieselben Prinzipien kann man mit Sicherheit auch in andere, beispielsweise psychologische Begrifflichkeiten umsetzen.
Da ist ein Problem für den Klienten, wenn er a-priori gar nicht wissen kann ob ihm da nur einer erzählt wird oder was dran ist.
Das weiß er aber auch nicht zwangsläufig, wenn der Psychologe ihm erzählt: "Du hast eine Neurose", oder?
Er kann nur nachträglich auf der Basis "wer heilt hat recht" seine Schlüsse ziehen - wenn jedoch keine Heilung eintritt, dann wird dem Klienten gesagt werden, dass er selber schuld sei weil er nicht angemessen mitgewirkt habe.
Das ist ein bedenkenswerter Punkt, bei dem man sehr genau aufpassen müsste, was man sagt. Auf psychologisch wäre dem vermutlich der "Widerstand" vergleichbar, der dem Klienten im Zweifel immer dann um die Ohren gehauen wird, wenn der nicht vom Fleck kommt. Im Moment kann ich nicht sagen, wie ich eine solche Situation handhaben würde, aber auf jeden Fall ist das ein Punkt zum Nachdenken.
Und wer hat denn eine Idee davon wie man einen "Seelenteil" angemessen "willkommen heisst"?
Auch hier würde ich als Selbstverständlichkeit voraussetzen, dass der Schamane dazu etwas sagt.
An der Stelle wird es dann abenteuerlich - weil man ja im Grunde jedem Menschen erzählen kann dass ihm etwas fehlen täte (und er kann es nicht überprüfen, wenn er das angeblich fehlende nie gekannt hat!) Wenn dazu noch die Forderung kommt, man müsse sich darauf einlassen, dann gibt es auch keine kritische Distanz mehr von der aus man die Sache reflektieren könnte!
Warum nicht? Davon abgesehen kommen die Seelenanteile meist mit einer Geschichte oder zumindest einem Eindruck zurück, unter welchen Umständen, vielleicht auch ungefähr wann, sie verloren gegangen sind, und mit einem solchen Bericht können die Klienten oft sehr wohl etwas anfangen. Weiters ist es durchaus spürbar, wenn dieser Seelenanteil einem wieder eingeblasen wird.
Und das ist der entscheidende Punkt auf den ich hinaus will: nicht unbedingt ob man da die Maßstäbe weltlicher Dienstleistung anlegen kann, sondern ob man überhaupt irgendeine Möglichkeit hat zu erkennen ob eine Dienstleistung erfolgt, oder ob nur Manipulation und Einbildung im spiel ist. Und zumindest ich weiss nicht wie sich ein "Seelenteil" anfühlt.
Wenn sich hinterher etwas anders anfühlt, ist irgendetwas passiert. Und selbst wenn das auf Suggestion beruhen sollte, hätte sich trotzdem etwas verändert. Wenn es sich hinterher nicht anders anfühlt, gibt es immer noch eine ganze Reihe Möglichkeiten, warum das der Fall ist.
Nehmen wir eine andere Spielart schamanischer Arbeit, Extraktion. Im weitesten Sinn das Herausziehen von Energien, die da nicht hingehören. Das merkt man zum Teil ziemlich deutlich, auch wenn ich das am Anfang auch nicht für möglich gehalten habe (schließlich geht man mit den Händen ja nicht wirklich in die Leute rein). In recht beliebigen Kombinationen wird den Beteiligten daran auch gerne so richtig schlecht - mal dem/den Arbeitenden, mal dem Klienten (durchaus zu dessen Überraschung), mal beiden. Und das teilweise wirklich eklige Zeug, von dem mir als Arbeitender während der Extraktionsarbeit schlecht wird, das bilde ich mir garantiert nicht freiwillig oder der Show wegen ein.
(Und bei allen gleichermaßen wird gelehrt dass man unbedingt den Verstand an der Eingangstür abliefern soll.)
Sagen wir so ... der Verstand kann einem ganz gut im Weg sein bei dieser Arbeit - ich spreche jetzt primär aus der Sicht der Arbeitenden. Was mich aber nicht daran hindert darüber nachzudenken, was ich da tue, jedenfalls im Nachhinein. Ähnliches dürfte für den Klienten gelten.
Allerdings setze ich das was auf "Seelenebene" wirkt, nicht automatisch gleich mit Schamanismus, weil man damit ja wieder nur empirisch unterwegs wäre.
Ich sehe das Problem mit der Empirie immer noch nicht. Und, wie oben schon gesagt, es gibt natürlich ganz viele verschiedene Bezugssysteme und Begrifflichkeiten, der Schamanismus ist nur einer davon. Andere mögen ebenso wirksam sein.
(Ich hab das Beispiel mit Bedacht gewählt, denn es ist in der Magie andersrum bekannt als eine Übung um Konditionierungen zu brechen - aber eben: um Konditionierungen zu brechen - nicht um einen Zugang zu sich selber zu finden.)
Kann nicht auch das Brechen von Konditionierungen bedeuten, einen Zugang zu sich selber zu finden? Auch das Infragestellen von Traditionen, beispielsweise?
Ja natürlich. Das ist doch m.o.w. normales Hellsehen. Oder wie man es jeweils nennen will - und dass es funktioniert steht ganz ausser Diskussion.
Oh, ich hatte keine Ahnung, dass das Hellsehen ist, ich kannte es einfach nur als Verstecken. Na schön. Das funktioniert also. Es setzt voraus, dass es etwas gibt, das die Leute miteinander verbindet, eine energetische Ebene, auf der alles mit allem verbunden ist. Richtig? Wenn dem so ist, und diese Ebene demnach irgendwie erfahrbar ist, dann folgt daraus auch, dass beispielsweise Reisen für andere möglich ist. Und wenn wir dann das Konzept der Seelenanteile als Bezugssystem akzeptieren und auch noch annehmen, dass dieses Ebene nicht nur erfahrbar, sondern auch bearbeitbar ist, folgt daraus ebenfalls, dass es möglich ist, Seelenanteile für jemanden zurückzuholen.
Ich denke eher, die Magie hat hier im Westen diesbezüglich einen etwas schlechten Ruf, weil sie sich in der christlichen Ära zu einer abgehobenen, abstrakten, männerdominierten und vom Alltag entfernten Disziplin entwickelt hat,
Ohne mich wirklich damit beschäftigt zu haben, dürfte das der Eindruck sein, der sich mir aufgedrängt hat.
und das Element der Demut und Hingabe teilweise auf der Strecke geblieben ist. Teilweise auch nicht, denn "Wissen um zu Dienen" drückt das ja auch aus.
Ich glaube auch nicht die Unterscheidung nach dem Gesichtspunkt von "Demut und Hingabe" da viel sinn macht - das sind Aspekte der persönlichen Ethik, und wir werden bei den einen wie den anderen solche und solche finden.
Wissen, um zu dienen? Interessant. Die Schamanen würden dem unter Umständen "Nichtwissen, um zu dienen" entgegensetzen. Ich zitiere aus Christian Vogels Indianerpfad-Webseite, die aktuell gerade nicht da ist; ich habe den Satz vor zwei Monaten abgeschrieben, als mir selber gerade klar wurde, dass ich teilweise handle, ohne es überhaupt mitzubekommen: "Medizinmenschen üben sich in Hingabe und Leere. Es geht nicht um das Erlernen von Wissen und Tun, sondern um den Fluss des Geschehenlassens - ohne Filter von Verstand, Möglichkeit oder Unmöglichkeit. Alle Handlungen in Medizin sind ein Finden, das in spontaner und intuitiver Aktion unmittelbar gelebt wird. Der Suchende ist ratlos, ebenso wie der/die Finder/in. Allerdings wird letztere/r im Vertrauen leben und arbeiten, dass der Rat (aus der Schöpfung) fließt, wann und wie immer die Not zu wenden ist." Natürlich braucht es ein gewisses Wissen oder Techniken, etwa, wie so Seelenanteile zurückzuholen sind oder wie man extrahieren kann. Dann aber ist eben dieses Wissen loszulassen, um intuitiv zu handeln. Schamanisches Arbeiten ist paradox, nicht nur darin, sondern beispielsweise auch im Gegensatz zwischen klarer Fokussierung und Absicht einerseits und dem Los- und Geschehenlassen andererseits.
Natürlich ist es denkbar, diese Macht zu missbrauchen. Dann haben wir aber keinen Schamanen mehr vor uns, der, eben, in Hingabe und Demut _dient_ - den Geistern, dem Klienten. Und sich dabei ständig selbst hinterfragt. "In der schamanischen Arbeit hat das Ego keinen Platz."
Ja, nur eben das passt für mich nicht zu einem Dienstleister. Das sind Dinge, die funktionieren für mich in einem Kontext von "family" (Clan, spirituelle Bruderschaft, Wahlverwandtschaft, ...).
Warum passt das nicht zu einem Dienstleister? Das verstehe ich nicht. Auch im Wort Dienstleister steckt das Wort dienen.
So, ich mach erstmal Feierabend, für heute muss das reichen.
LG
wolfswald