Schalom Schalom
Anzumerken ist auch noch, dass Jesus da nicht sagt: du sollst deine Eltern hassen, sondern: wer seine Eltern nicht hasst - also nicht als Befehl, sondern als Tatsache, als Erkenntniss - es kommen also auch nicht die in den Himmel, die aufgrund dieses Wortes versuchen die Eltern zu hassen, sondern diejenigen, die schon vor diesem Wort mit ihren Eltern entzweit sind - warum?
Nein. Es steht da klipp und klar, daß das Hassen von Vater und Mutter und Familie die notwendige Bedingung dafür sei, daß man Jünger Jesus sein kann.
Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein
Heißt umgekehrt auch, wenn jemand Vatern und Mutter liebt, seine eigene Frau und seine Geschwister und sich selbst, hat er die Bedingungen für eine Jüngerschaft nicht erfüllt und kann daher auch kein Jünger sein.
Das ist formale sprachliche Logik, die eigentlich keine Chance läßt, die Aussage zu verbiegen. Ich gebe mal ein Beispiel aus unserer Lebenswelt. Wenn ich sage:
Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht Techno und Rap, der kann nicht in meiner Band spielen.
Dann heißt das genau dieses: Wer auf Techno und Rap steht, hat keine Chance, bei mir Bandmitglied zu werden. Es ist als
Bedingung zur Aufnahme in meine Band formuliert.
(Um OT zu vermeiden: es ist jetzt nur ein Beispiel, bitte den Inhalt nicht diskutieren
)
was soll daran Ungöttlich sein? oder sollte Gott sich alles Gefallen lassen und nur der Liebe und brafe Gott sein? komisch, denn gerade die Vorstellung eines Lieben Gottes kommt in derBibel sehr selten vor, meistens findet sich darin ein Bericht von einem Gott, der Ägypter Ertränkt, Städte versinken lässt, seinen Sohn ans Kreuz schlagen lässt und mächtig zwischen die Feinde fährt...
Wir reden hier nicht über das Alte Testament, wo man mühelos einen Gott der Rache, der Vergeltung und des Vernichtungswillens belegen kann, sondern über das Neue Testament und hier speziell über Jesus-Zitate (siehe Eingangsposting). Da ist die Vorstellung eines liebenden Gottes keineswegs selten, wie du behauptest, sondern im Gegenteil geradezu dominierend und unausweichlich.
Die Jesus-Lehre ist eine Lehre der Liebe, das läßt sich mit überwältigendem Zitatenmaterial belegen. Beispiele:
Johannes, 13.Kapitel:
34 Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.
35 Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.
Jahannes, Kapitel 15:
9 Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!10 Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe.
11 Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird.
12 Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe.13 Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.
14 Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage.
15 Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe.
16 Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet.
17 Dies trage ich euch auf: Liebt einander!
Dies ist klipp und klar formuliert, ohne daß es Interpretationsschwierigkeiten gäbe.
Oder hier, ebenso unmißverständlich und straight:
Lukas, 6.Kapitel:
27 Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen.28 Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln.
29 Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin, und dem, der dir den Mantel wegnimmt, lass auch das Hemd.
30 Gib jedem, der dich bittet; und wenn dir jemand etwas wegnimmt, verlang es nicht zurück.
31 Was ihr von anderen erwartet, das tut ebenso auch ihnen.
32 Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, welchen Dank erwartet ihr dafür? Auch die Sünder lieben die, von denen sie geliebt werden.
33 Und wenn ihr nur denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Dank erwartet ihr dafür? Das tun auch die Sünder.
34 Und wenn ihr nur denen etwas leiht, von denen ihr es zurückzubekommen hofft, welchen Dank erwartet ihr dafür? Auch die Sünder leihen Sündern in der Hoffnung, alles zurückzubekommen.
35 Ihr aber sollt eure Feinde lieben und sollt Gutes tun und leihen, auch wo ihr nichts dafür erhoffen könnt. Dann wird euer Lohn groß sein und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn auch er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.
36 Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!
Matthäus. Kapitel 5:
38 Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn.
39 Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.
40 Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel.
41 Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm.
42 Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab.
43 Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen.
44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen,
Innerhalb dieser Liebesreligion ist kein Platz für Haß, denn sogar die Feindesliebe ist mit integriert. Insofern steht das Jesus-Wort:
Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein
in klarer und schräger Dissonanz zu seiner eigenen Liebeslehre. Denn die Nachfolge, d.h. ein Leben in umfassender Liebe kann wohl kaum an eine dieser Lehre widersprechende Bedingung geknüpft sein, nämlich an das Hassen der eigenen Familie oder gar an Selbsthaß. Meine These, daß Jesus einen schlechten Tag hatte und schlampig formulierte, scheint mir ein geeigneter Kandidat zu sein, um den Widerspruch aufzulösen. Im Grunde wird er es wohl so gemeint haben, wie Matthäus es sprachkosmetisch umformulierte; das Zitat ist in seiner wörtlichen Brisanz bei Lukas allerdings nicht zu entschärfen, ohne sich dabei absurd zu verbiegen.
Meine Theorie jetzt mal kompakt:
In der historisch-kritischen Bibelforschung ist es nahezu consensus omnium, daß Matthäus und Lukas neben der Tatsache, daß sie beide von Markus abgekupfert haben, auch noch aus eine *Logiequelle Q" geschöpft haben müssen, eine Art Sammlung von Jesus-Zitaten in der Urgemeinde, die aber verschütt gegangen ist und nicht überliefert ist. Daß diese Quelle existiert haben muß, ist aus einem kritischen Vergleich der Evangelien zu rekonstruieren. Das nennt sich die "Zweiquellentheorie".
Sie besagt, dass die Evangelisten Matthäus und Lukas zwei gleiche Quellen verwendet hätten, nämlich das Markusevangelium und eine nicht erhaltene, sondern erschlossene Quelle, die sogenannte Logienquelle, abgekürzt Q. Neben den beiden Haupt-Quellen hätten ihnen jeweils eigene mündliche und schriftliche Quellen als Sondergut zur Verfügung gestanden.
http://de.wikipedia.org/wiki/Zweiquellentheorie
Für diese Annahme gibt es überzeugende Gründe, die auf der zitierten Seite nachgelesen werden können.
Nun meine These:
Lukas hat das Jesus-Zitat aus der Logienquelle wörtlich übernommen, ohne sich groß einen Kopf zu machen wegen möglicher Widersprüche, die sich zu anderen Statements Jesus ergeben könnten. Lukas geht mit einer Art wissenschaftlichen Einstellung an die Sache ran, also mit der Intention, zu rekonstruieren, "wie es wirklich war". Am Anfang seines Evangeliums macht er eine charakterstische Selbstaussage, die diese Intention deutlich benennt:
Lukas, Kapitel 1:
1 Schon viele haben es unternommen, einen Bericht über all das abzufassen, was sich unter uns ereignet und erfüllt hat.
2 Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren.
3 Nun habe auch ich mich entschlossen, allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen, um es für dich, hochverehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben.
4 So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest.
Wir kennen nur die vier Evangelien, die erst Jahrzehnte nach Jesu Tod geschrieben wurden. Wenn wir Lukas ernst nehmen (und ich sehe keinen Grund, ihm nicht zu glauben), gabs noch etliche Quellen, die authetisch sind ("Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren" = Logienquelle Q?) die wir aber nicht kennen, weil sie verloren gingen.
So, Lukas hat also in seinen Recherchen auf diese Quellen zurückgegriffen, die ihm offenbar bekannt waren. Auch Matthäus mußten sie gekannt haben, denn er bringt dieselbe Nummer, allerdings in einer bemerkenswert veränderten Lesart:
37 Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert
.
Das ist zweifellos eine ganz andere Aussage, als die von Lukas, wer Vater und Mutter nicht hasse, könne kein Jünger sein. Offenbar, so meine These, hat Mathäus dasselbe Zitat aus derselben Quelle vorgelegen wie Lukas. Im Unterschied zu Lukas aber, der das einfach aufgeschrieben hat, was er vorfand, hat sich Matthäus erschrocken darüber und- ähnlich wie ich- einen Widerspruch empfunden zur sonstigfen Liebeslehre Jesu. Flugs hat er nun diesen Widerspruch entschärft, indem er sprachkosmetisch aus "wer nicht seinen Vater, Mutter...hasst" das pflegeleichte "Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich" gemacht hat, was locker in der Richtung laufen kann, die hier auch von einigen Usern schon gebracht worden ist: Jesus will damit nur sagen, daß es übergeordnete Ziele gbt als die Anhaftung an Weltliches. Die Jesus-Nachfolge ist sogar wichtiger als die eigene Familie usw.
Wenn meine These von einer leichten Retusche von seiten Matthäus richtig ist, da er sich offenbar einen Kopf über Kompatibilitäten gemacht hat, würde als Konsequenz daraus folgen, daß man in Sachen Authentizität wohl eher auf Lukas setzen sollte, nicht auf Matthäus.