Die Redewendung "Ich gebe dir Zeit..." wird in allen Altersstufen verwendet und hat in allen Altersstufen denselben Charakter - wobei ich ja eh nicht unterstelle, dass hier bewusst Druck ausgeübt werden soll. Das geschieht ganz gedankenlos und unbewusst mit solchen Formulierungen, das geschieht immer wieder mal im Alltag, und dann wundern wir uns und befragen die Sterne, warum denn jemand so seltsam reagiert, und dabei waren es vielleicht nur ein paar unbedachte Worte... darum hinterfrage ich gern mal solche Redewendungen, und wenn es jemand nützlich findet, da mitzudenken, freu ich mich. Wenn jemand Sprache für belanglos hält, mag er weiter seine kommunikativen Erfahrungen machen... ich denke, es kann auch einem Youngster weiterhelfen, wenn er (zumal Impulsivität, Druck, Ungedulg in seinem Radix angelegt sind) ihm jemand bewusst macht, auf welche Weise er zum Beispiel Druck macht, ohne dass es ihm überhaupt bewusst wird.
Nochmals und im Klartext: Es liegt nicht in unserer Macht, irgendwem Zeit zu geben. Wir können uns nur selbst einen Aufschub gewähren, bis wir eine Entscheidung treffen, eine Tatsache wahrnehmen, von einer fixen Idee ablassen oder was auch immer. Und das ist es ja auch, was hier der Fall ist: "Ich gebe dir Zeit" heißt in Wirklichkeit "Ich gebe die Hoffnung noch nicht auf". Und wenn ich das der Angebeteten dick aufs Brot schmiere, übe ich Druck auf sie aus, da erpresse ich sie mit meinem hoffnungsvollen Dackelblick, und die Hoffnung besteht darin, dass sie so reagieren wird, wie ICH es will, und nicht darin, dass sie sich so entscheiden wird, wie SIE es mag und kann. Das ist Druck und das wird als (moralischer) Druck empfunden, und es ist eine sauschlechte Strategie. Und hat mit Liebe nichts zu tun.
Die Alternative wäre zu sagen: "Lassen wir mal die Einordnungen und Bekenntnisse weg, welchen Charakter unsere Beziehung hat/haben sollte, und schauen wir lieber, wie sie sich entwickelt." Das impliziert freilich auch, dass sie sich ganz anders entwickeln kann (oder vielleicht schon hat) - da wäre es dann ein Akt der Liebe, diese freie Entscheidung auch zu akzeptieren.
Und, Martina... wofür hältst Du denn 21-jährige? Ich habe selber einen 19-jährigen, und der würde sich schön bedanken, wenn ich ihn mit verbalen Samthandschuhen streicheln würde und ihm nicht zutraue, sich auch mal (selbst)kritisch mit seinen kommunikativen Strategien auseinanderzusetzen... es geht ja auch nicht darum, ihm Worte mies zu machen oder die Unbefangenheit der Sprache zu nehmen - das alles ändert aber nichts daran, dass mit Sprache auch unbewusste Botschaften gesendet werden (manche meinen, bis zu 80 %). "Ich gebe Dir Zeit" baut ein druckvolles, hierarchisches Verhältnis auf, dabei bleibe ich. Das kommt nur scheinbar großzügig über die Rampe... und darauf sollte man einen jungen Verliebten nicht aufmerksam machen dürfen?
Alles Liebe,
Jake