Vipassana 10 Tages-Meditation

AmEndederWelt

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Hi,

hat jemand schon einmal an einer 10 Tages Meditation teilgenommen. Welchen Erfahrungen habt ihr gemacht? Würde mich sehr freuen, wen ihr sie mit mir teilt. Gern auf eine praktische Art wie "seitdem hab ich chronisch Knieschmerzen oder endlich eine Methode zum Abschalten nach einem langen Arbeitstag".

Mir gehts hier vor allem um den praktischen Nutzen. Ich sehe Meditation als eine Technik an, wie z.b. Autogenes Training oder einfach ein Fitnessprogramm und bin ganz zufrieden, wenn es auf einer ganz praktischen Ebene wirkt. z.B. Ausgeglichenere Stimmung, mehr Gelassenheit, ect...
 
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hat jemand schon einmal an einer 10 Tages Meditation teilgenommen.
Du sprichst vermutlich von zehntägigen Vipassana-Retreats.
Welchen Erfahrungen habt ihr gemacht? Würde mich sehr freuen, wen ihr sie mit mir teilt. Gern auf eine praktische Art wie "seitdem hab ich chronisch Knieschmerzen oder endlich eine Methode zum Abschalten nach einem langen Arbeitstag".

Mir gehts hier vor allem um den praktischen Nutzen. Ich sehe Meditation als eine Technik an, wie z.b. Autogenes Training oder einfach ein Fitnessprogramm und bin ganz zufrieden, wenn es auf einer ganz praktischen Ebene wirkt. z.B. Ausgeglichenere Stimmung, mehr Gelassenheit, ect...
Die Retreats sind ganz schön hart, vor allem für Anfänger. Üblicherweise kommt eine rechte Menge psychisch unverarbeiteten Materials hoch, was zu extremen Stimmungsschwankungen während des Retreats führt. Mit der Zeit stellt sich dann eine ungewohnte innere Ruhe und Sammlung ein, die, wenn das Retreat zuende ist, einige Zeit nachhallt, und sich dann wieder verliert.

Ich kenne keine Vipassana-Schule, welche beispielsweise Entspannung als erklärtes Ziel hat, sondern es geht in allen mir bekannten Schulen um befreiende Einsicht in die eigenen neurotischen Muster und auf einer tieferen Ebene um Einsicht in die drei Daseinsmerkmale (Anicca, Dukkha, Anatta). Ist diese Einsicht tief genug, dann besteht die Möglichkeit, dass Erwachen stattfindet. Das ist das erklärte Ziel sämtlicher Vipassana-Traditionen.
 
Hallo,

ich kann dem Beitrag von FCKW recht allgemein zustimmen.

Für "Anfänger" ist die Praxis 10-12 Stunden sitzen täglich "körperlich" anstrengend, wenn sie sich vornehmen, "durchzusitzen". Das ist aber nicht nötig, denn niemand hat etwas dagegen, wenn man während den Sitzungen die Position wechselt oder auch den Raum verlässt. Die Frage ist hier also immer, wie "hart" man sich hier sich selbst gegenüber verhält und wie schnell man derartige Muster erkennt.
Es kommt in derartigen Kursen auf jeden Fall immer recht viel Psychisches hoch. Wenn man gerade einige Tage oder Wochen vor dem Kurs eine Trennung erlebte, etc. dann kann das z.B. zu anstrengend sein, bzw. man wird dann einige Tage auf dem Zimmer vebringen. Menschen mit psychotischen Veranlagungen würde ich von derartigen Kursen abraten.
Wer innerlich recht frei bleibt und intensiv achtsam arbeitet, der kann dann am 3-4 oder 5-7 Tag auch schon eimal mit einigen schmerzhaften Kindheitserfahrungen oder zumindest schmerzhaften Ereignissen der letzten Jahre konfrontiert werden, die nicht mehr derart bewusst waren und dann recht intensiv noch einmal auftauchen, wodurch man sie noch einmal achtsam beobachten kann.

Ich würde den "Entspannungsaspekt" gerade bei Vipassana nicht vom Einsichtsaspekt allzu sehr abkoppeln. Voraussetzung für die Praxis ist eine gewisse innerliche Ruhe - Gleichmut, Upekkhā/Equanimity - die man sich zumeist in den ersten 3-4 Tagen erarbeitet. Diese Ruhe im Sinne von Gleichmut ist Voraussetzung, da man sonst die Empfindungen nicht gleichmütig zu beobachten vermag, sondern beginnt, auf sie gedanklich zu re-agieren. Da sich die Achtsamkeit auf den Leib richtet, nimmt man folglich "Verspannungen" recht deutlich wahr. Und da sich die Achtsamkeit auch "in" den Körper, nicht nur "auf" den Körper richtet, erfährt man die typischen Gefühle, die man auch bei Entspannungstechniken erfährt. Gerade in den letzten 2-3 Tagen, wenn man immer wieder den free-flow zu praktizieren vermag und dann den Körper wieder Stück für Stück durchgeht, dann kann man dies sehr deutlich wahrnehmen. Man ist dann quasi dauerhaft körper-leiblich "entspannt", achtsam und nimmt jegliche köperleibliche Verspannung augenblicklich wahr.
Ob man 8 Tage täglich 10-12 Stunden meditieren möchte, um eine derartige Entspannung zu erreichen - die sich übrigens recht wahrscheinlich nicht einstellt, wenn man sie erzielen will - ist natürilch eine individuelle Entscheidungsfrage, falls es nur um "Entspannung" geht. Darüber hinaus "sackt" dieses Bewusstsein nach dem Kurs je nach eigener Meditationspraxis wieder recht schnell "ab".


Ein solcher 10-Tages-Kurs ist immer eine tiefe, intensive Erfahrung, auch wenn man schon längere Kurse gesessen hat. Man spricht 10 Tage mit keinem anderen Kursteilnehmer - außer mit dem Lehrer und dem Manager. Man kann das gesamte Umfeld als Projektionsfläche benutzen und tut das auch automatisch. In den MEditationen kommt, wie gesagt, immer auch einiges hoch. Wer an sich und mit sich arbeiten möchte, wer eine anspruchsvolle Meditationstechnik erlernen möchte, der wird mit derartigen Kursen wertvolle Erfahrungen sammeln - wer daran nicht interessiert ist, der wird wahrscheinlich am Ende des Kurses nicht das Bedürfnis verspüren, einen zweiten sitzen zu wollen, ... ...aber vielleicht nach einigen Jahren.

Liebe Grüße,
Energeia
 
Hey danke für eure interessanten Ausführungen. An wie vielen solcher Retreats habt ihr den schon teilgenommen. Praktiziert ihr die Achtsamkeitsmeditation jeden Tag, wie lange. Was verändert sich dadurch in eurem Leben?
 
Hallo,

An wie vielen solcher Retreats habt ihr den schon teilgenommen.
an einigen - vor ca. 13 Jahren der erste.

Was verändert sich dadurch in eurem Leben?
Achtsamkeit wird feiner und stabiler. Meditation wird zu einem Ort, der Ruhe/Stille schenkt und der morgens und abends die innere Stimmung anzeigt. Das Körperleibempfinden wird feiner und achtsamer. Es wird einfacher, in Situationen auf eigene Strukturen nicht zu reagieren und diese zugleich zu erkennen, anstatt sie unbewusst, rationalisierend auszuagieren; auch wächst die Bereitschaft, sich bestimmte Situationen nachträglich näher anzusehen.
Die Metta-Praxis im Anschluss an Vipassane entfaltet Mitgefühl und erleichtert Vergebungsprozesse.
Es sind mE individuelle, spiralenförmige Entwicklungen.

Liebe Grüße,
E.
 
Hey danke für eure interessanten Ausführungen. An wie vielen solcher Retreats habt ihr den schon teilgenommen.
Ungefähr ein halbes Dutzend.
Praktiziert ihr die Achtsamkeitsmeditation jeden Tag, wie lange.
Ich habe unterschiedlich intensive Phasen. Manchmal meditiere ich einen Monat lang zweimal täglich, manchmal einen Monat lang fast gar nicht. Insgesamt meditiere ich inzwischen mehr als 10 Jahre.
Was verändert sich dadurch in eurem Leben?
Ganz viel. Und zwar ganz viel ganz unmerklich. :)

Insgesamt bin ich über die Jahre hinweg viel gelassener geworden dem Leben (und vielleicht auch dem Sterben...) gegenüber. Ich habe mich während der Meditation unzähligen Ängsten, verdrängten Emotionen und Neurosen stellen müssen. Manches davon war wirklich hartnäckiges Zeugs, aber insgesamt bin ich heute innerlich definitiv ruhiger und gehe mit mir selbst viel mitfühlender und nachsichtiger um als früher. Ich habe die Kapazität gewonnen, auch sehr schwierigen Emotionen ihren Raum zu geben, ohne sogleich zu versuchen, sie verändern zu wollen.

Gleichzeitig bin ich auch immer noch derselbe wie eh und je. Manche Dinge ärgern mich zu Tode, manchmal nerven mich alle Leute, und natürlich wüsste ich am allerbesten, wie die Welt zu sein hätte.

Sagen wir es so: Meditation (und daher auch Vipassana) führt dich nicht unbedingt dahin, dass du ein völlig anderer Mensch wirst. Aber sie führt dich dahin, viel mehr der Mensch zu sein, der du wirklich bist. Ohne dass du ständig daran denkst, anders sein zu müssen, als du eben bist. Und wenn du dann doch mal denkst, du müsstest anders sein, als du eben bist, so findest du das dann auch ziemlich in Ordnung.

Übrigens ist es üblicherweise so, dass Anfänger, die ohne allzu viel Erfahrung zum ersten Mal an einem Vipassana-Retreat teilnehmen, entweder nach zwei, drei Tagen ziemlich desillusioniert abbrechen, oder dann das Retreat vollenden, und danach zur Überzeugung gelangt sind, dass es eine der intensivsten Erfahrungen ihres Lebens war. Ob sie danach weitermeditieren oder nicht, das kann nicht gesagt werden, aber die Erfahrung selbst ist wirklich speziell. Und "speziell" heisst wie gesagt nicht unbedingt "schön" oder "angenehm" sondern wirklich einfach nur "speziell". Oder "intensiv". Das beinhaltet sowohl schöne, erhabene Momente wie auch äusserst schmerzvolle, unangenehme.
 
Sehr interessant was du schreibst, bin dankbar für diesen Austausch.

Der Satz mit dem man selbst sein hat mir sehr gut gefallen. Genau darum gehts mir. Mich selbst immer besser zu finden und ich selbst zu sein.

Ich bin lange genug nicht ich selbst gewesen, was mich in schwierigste Umstände gebracht hat und großen Schmerz und Leid erzeugt hat.

Ich will gerade das, mich dem zu stellen, was in meinem Innersten schlummert.

Schön was du als positive Auswirkungen beschreibst, wenn ich das erreiche bin ich sehr dankbar.
 
Mich selbst immer besser zu finden und ich selbst zu sein.
Ich will dir nicht vorenthalten, dass der Prozess schwierig sein kann. Auf der anderen Seite: Was hat man denn eigentlich zu verlieren? Doch nur das eigene Selbstbild. Meditation hat auch mit Wertschätzung für sich selbst zu tun. Indem man meditiert, gibt man zu, dass man gerne mit sich im Reinen sein möchte, dass man etwas für sich selbst tun möchte. Dieser Wunsch alleine kann sehr heilsam sein, wenn er auf die eine oder andere Weise - es muss ja nicht unbedingt Meditation sein - zum Ausdruck gebracht werden kann.

Vipassana geht auf die buddhistischen Lehren zurück. Ein Kernstück dieser Lehren ist die Einsicht in die drei Daseinsmerkmale:

- Dukkha: Das Leben ist schmerzhaft, leidvoll, unbefriedigend. Glückliche Momente zerrinnen, unglückliche Momente sind sowieso leidvoll. Auch wenn man hier nicht unbedingt von "Leiden" sprechen muss, so kann es durchaus hilfreich sein, sich vor Augen zu halten, dass man irgendwann stirbt und damit alles verliert. Das ist also eine schwierige Situation, in der wir uns befinden.

- Anicca: Alles ist vergänglich. So sehr wir auch versuchen, Dinge festzuhalten (Menschen, Momente, Fotos, Erinnerungen, Geld usw.), so wenig haben wir letztlich Kontrolle über diese Dinge. Sie kommen, sie gehen. Und irgendwann vergeht unser Leben.

- Anatta: Wenn wir ernsthaft versuchen, uns selbst zu finden, so stossen wir auf ein Paradoxon. Wir finden dann zwar eine ganze Menge "Selbste" und "Ichs", beispielsweise ein "Vater-Ich" und ein "Angstellten-Ich", ein "Liebhaber-Ich" und ein "Fussballfan-Ich" und noch viele Ichs mehr, aber unter all diesen Ichs fehlt irgendwie ein einendes Prinzip. Im einen Moment identifizieren wir uns mit dem einen Ich, im anderen Moment mit einem anderen.

Vipassana-Praxis öffnet nach und nach die Augen für diese drei Wahrheiten. Und zwar auf einer weitaus tieferen, nachhaltigeren Ebene als der blossen intellektuellen. Bei korrekter Praxis wird das Verständnis für diese drei Wahrheiten oder Daseinsmerkmale immer tiefer. Und dann ist es möglich, dass eines Tages eine existentiell tiefe Krise eintritt, welche alles, die gesamte Existenz, in Frage stellt. Es wird einem mit absolut unmissverständlicher Deutlichkeit klar, dass diese drei Daseinsmerkmale wirklich so sind, wie geschildert. (In dieser Krise ist es äusserst empfehlenswert, Hilfe von aussen durch erfahrene Lehrpersonen zu haben.) Wer dieser Krise mutig ins Auge blickt und sich nicht durch sie entmutigen lässt, bei dem kann Loslassen stattfinden. Loslassen aller eigenen überheblichen Ziele, unrealistischer Wünsche, falscher Selbstbildnisse, unechter Masken. Wer diese Krise meistert, für den fühlt es sich an, als wäre er aus einem Traum erwacht, in welchem er sich davor unwissentlich befand. Deshalb spricht man oft von "Erwachen". Diese tiefe Einsicht in die eigene Existenz führt automatisch dazu, dass die Gelassenheit dem Leben gegenüber sprunghaft zunimmt.

Vipassana hat zum Ziel, einen an diesen Punkt und dann darüber hinaus zu führen.
 
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Und konntest du den Punkt für dich schon überspringen.

Zum loslassen wurde ich im letzten halben Jahr durch sehr schmerzhaft Erfahrungen ständig gezwungen und es fühlt sich toll an von vielen Erwartungen von sich selbst einfach Abschied zu nehmen. Sich selbst nunmal als mäßig begabtes, eigentlich schwaches, mit Fehlern behaftetes, aber sehr liebesbedürftiges und einfühlsames Lebewesen wahrzunehmen. Das ist einfach nur schön und fühlt sich so an :umarmen: :)

Eine Methode die mir auf dem Weg immer weiter loszulassen hilft, nur her damit, ich will alles wissen und in mich aufsaugen!!

:danke:
 
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