Naja, das ist ja nun kein Gegenargument. Gerade bei Traditionen ist ja der "Trick dabei", dass sie auch auf unbewusster Ebene wirksam sein können.
Ja, sagte ich ja. Die Tradition kommt aus einer Zeit, in der Partner Ehepartner bedeutete und es Scheidung nur als Ausnahme gab, die Trennung durch den Tot somit das normale war. Wir haben, aufgrund der Kürze der Zeit, noch keine angemessenen und allgemein anerkannten Trauerrituale für durch Scheidung beendete Beziehungen. Es sei denn, man rechnet inzwischen das Verschleißen eines Ersatzbettpartners dazu - dann ist es natürlich wichtig, das dies den Betroffenen klar ist, da sich viele dieser Tatsache eben nicht bewusst sind und in der Hoffnung auf eine echte Beziehung, die nicht nur Teil des "Trennung-verarbeiten und viel dabei lernen" Prozesses ist, eben doch eine ganze Menge Menschen (Erwachsene und vor allem ihre Kinder, die schnell wieder ein Ersatzelter vor die Nase gesetzt bekommen) emotional/psychisch "über die Klinge gesprungen werden".
Nein ich finde das nicht oberflächlich. Der Tote ist tot, er kann sich nicht mehr äußern. Fast jeder Liebende sagt, (auch weil es so erwartet wird): Ich will, dass es dir nach meinem Tot gut geht, du sollst dich nicht vor Trauer um dein Leben bringen, meinetwegen musst du auch nicht schwarz tragen. In der Tat kann es dem Verstorbenen auch schnurzpiepegal sein.
In vielen Fällen ist es aber den anderen Angehörigen des Verstorbenen nicht egal. Eltern deren Kinder sterben vor ihnen (das Schlimmste was man sich vorstellen kann) aber auch Kinder, deren Eltern sterben und Geschwister, wissen sehr gut, dass "das Leben weiter gehen soll" und das es eben auch der Lauf der Dinge ist, dass angeheiratete Familienmitglieder mit der Zeit vielleicht ganz den Kontakt abbrechen, wenn keine Kinder als Verbindung da sind.
Wenn es nun Menschen sind, die diese alten Traditionen, wie schwarz zu tragen, nicht tanzen zu gehen usw. als äußeres Zeichen der Trauer erwarten und auch brauchen, dann ist es wie ein Schlag ins Gesicht, wenn der Partner des Verstorbenen Kindes (zum Beispiel) kein schwarz trägt. Die meisten erwarten kein Jahr mehr, um zu signalisieren, dass sie in ihrer Trauer nicht allein sind, dass die Beziehung des Verstorbenen nicht oberflächlich war, etwas, über das man leicht hinweggehen kann zu einem/einer Neuen.
Auf die Gefühle von ebenfalls trauernden Angehörigen eines geliebten Menschen keine Rücksicht zu nehmen zeigt doch, dass es eine rein egoistische Sache ist, die gar nichts mit irgendwelchen Gefühlen der Wertschätzung für den Toten und seine Wünsche zu tun hatte.
Seine Kleidung und sein Verhalten für eine Weile einzuschränken ist gut für den eigenen Trauerprozess, gut für den Trost der anderen Angehörigen (ein deutliches gemeinsames trauern) und auch ein Übergangsritual, ein anerkennen der Tatsache, dass sich das Leben mehr und dauerhafter geändert hat dadurch, dass ein Mensch nicht mehr da ist und nie wieder kommen wird.
Nein, man kann niemanden hinter die Stirn gucken und deshalb haben wir Traditionen entwickelt, um das was in uns vorgeht, nach außen zu zeigen.
lg