Solange einerseits der Mord an sich, andererseits der Verzehr von Tierfleisch gesellschaftlich erlaubt sind, ist nun mal gar nicht so einfach, die Gründe für Tabuisierung von Kannibalismus nachzuvollziehen.
Jeffrey Dahmer z. B. erklärte seine Motive im Interview mit Stone Phillips so:
Die Tötung geschah einfach aus Notwendigkeit; der Akt an sich gefiel mir ganz und gar nicht. Genau deswegen versuchte ich ja auch, lebendige Zombies zu erschaffen (
) Nein, das Ziel war nicht der Mord, sondern das Besitzen eines Menschen, der ständig unter meiner Kontrolle wäre, egal ob er es will oder nicht, und nur dies täte, was ich will. Es fällt mir nicht leicht darüber zu reden, aber ja, genau das war mein Ziel.
Das Ziel an sich ist also, wie man sieht, weder unmenschlich, satanistisch, noch irgendwie besonders ausgefallen und spektakulär: das tut fast jeder Chef, Familienvater oder liebende Mutter auf Schritt und Tritt meistens allerdings ohne es selbst zu merken. Die ganze Erziehung und Einschulung der Kinder beruht seit Jahrhunderten auf diesem Prinzip: Gehorsam, nicht sein Gegenteil, wird von klein auf belohnt. Das Kind, das später zum Untergebenen und Familienvater wird, nimmt fast schon mit der Muttermilch eine Sklavenmentalität auf, die im Laufe der Zeit eine feste Basis bildet, von der aus er agiert und die Welt wahrnimmt: entweder tut er etwas, was von ihm verlangt wird, oder er muß mit Konsequenzen/Strafe rechnen. Tertium non datur. Ihn fragt ja keiner, was er will, und nach ihm wird die Welt sich nicht ausrichten. Deshalb um nicht gleich ganze Hand zu verlieren, muß er wenigstens den kleinen Finger zum Abhacken geben. Dafür bekommt er später, wenn er kein Totalversager ist, auch ein paar Körperteile von anderen. "Mit einem freundlichen Wort und einer Waffe erreicht man mehr, als mit einem freundlichen Wort allein" umschrieb es sehr bescheiden Al Capone, und davon, daß kein Zusammenleben ohne Kompromisse möglich ist, bleibt auch bis heute noch fast jeder felsenfest überzeugt. Eine Modell, wo jeder einen anderen als gleichberechtigt betrachtet und wo jede Enscheidung mit Einverständnis von beiden Seiten geschieht (weil alles andere nur mit Sanktionen für Besatzungsland vergleichbar wäre), existiert in seiner Vorstellung nicht. Diese Modell würde ja unter anderem implizieren, daß ein Kind (der Untergebene) beim Nichteinhalten der Bedingungen auch seinen Eltern (seinem Ober) mit Konsequenzen/Strafe drohen kann.
Ob dies für den speziellen Fall von Armin Meiwes zutrifft und tiefpsychologisch genug ist, kann ich nicht beurteilen; Dahmer scheint allerdings im Gegensatz zu einem oder anderem gesetztreuem Bürger seiner Motive um einiges bewußter gewesen zu sein bzw. diese nur noch zu ihrem logischem Schluss geführt zu haben.