Identität, was ist das ?

Gen Fu

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Vor ein paar Wochen habe ich ein Thema gestartet „Was ist Zeit“. In Anschluss dazu möchte ich ein paar Gedanken über meine Vorstellung von Identität loswerden.

Ist Identität wirklich mehr als nur eine illusionäre Stütze ? Oder bleibt es bei dieser Abstraktion ? Woran am Menschen würde sich die Existenz einer Identität „messen“ lassen ? Am Körper, aber woran genau ? Der Corpus ist im stetigen Kreislauf, Bewegung (Veränderung). Jeden Tag erneuert er sich, indem schädliche Stoffe ausgeschieden werden. Täglich verändern sich Zellen, durch die Nahrung, durch andere Einwirkungen, es verformt sich alles in unserem Körper. Im Gehirn verändern sich Verbindungen zwischen Neuronen, Gliazellen, Dieselben sterben aus (Stress, der neurozid wirkt). Nicht nur die Gesamtstruktur unterliegt Veränderungen, sondern auch deren Beschaffenheit von innen. Was bleibt also gleich ? Das Meiste, wenn nicht alles im Körper hat sich innerhalb 60 Jahre so sehr verändert… dass es schon nicht zu fassen ist. Gehe ich auf physikalischem Niveau, sind nicht einmal die Atome gleich, die Elektronen und Protonen darin, die Quarks. Wechselwirkungen finden stetig statt, Veränderungen. Ich bin kein Profi in Physik, aber diese „Verschiebungen“ sind Fakt.

ABER: scheint das Gesamtkonstrukt doch irgendwie kohärent und konsistent zu bleiben. Genau das verstehe ich nicht. Wenn sich alles im Körper verändert, wo ist die Identität ? Bleiben nicht einzig die Erinnerungen und der Name übrig ? Ich heiße Gen Fu, hieß so auch vor 60 Jahren, aber welch Unterschied wäre, wenn ich mich in Fritz Torsten umbenenne ? Der Name ist ja nichts Einzigartiges: Peters gibt es Millionen mindestens, Karstens, Martins usw. Wäre man anders ohne Name ? Man wird benannt, und der Mensch reagiert auf seinen Namen, aber nur wegen Erinnerung und Gewöhnung. Würde er sich ändern, wenn er plötzlich Klaus oder Lukas hieße ? Der Name ist nur ein Hinweis auf das Bezugssystem, oder besser gesagt, eine Möglichkeit den einen von unendlich vielen Zuständen des „Urgeistes“ zu benennen.
Übrig bleiben dann nur noch die Erinnerungen. Stimmt das zu 100 % ? Auch Erinnerungen werden verzerrt, das Gedächtnis erinnert sich adaptiv und selektiv. Sind wir also so weit gekommen, zu sagen, dass nur einige der Erinnerungen bruchstückartig noch da sind, bzw. auf einen Identitätszustand in der Vergangenheit verweisen ?

Es müsste also eine höhere Instanz geben, welche der Veränderungen sich entzieht. Leibniz spricht jedoch von einem Psychophysischen Parallelismus, laut dem Leib und Seele sich parallel entwickeln. Das impliziert aber, dass keine Interaktion zwischen diesen beiden Substanzen stattfindet. Kann man sich also Seele und Leib als zwei getrennte Einheiten vorstellen ? Wenn der Körper sich in jedweder Hinsicht zu verändern scheint, müssten die Auswirkungen auch bei der Seele erkennbar sein. Die Identität bleibt jedoch immer gleich, also muss es eine von den organistischen Veränderungsprozessen unabhängige, oder besser gesagt freie Instanz geben- die Seele, oder der Geist im Trialismus des Aristoteles.
Ist Identität eine Illusion, oder die Eigenschaft des Geistes ? Gibt es eine Isomorphie zwischen Leib und Seele (Identität?) ?

Ohne Identität würden wir nicht in der Lage sein, uns selbst in Spiegel zu erkennen. Einige Affenarten vermögen dies auch, doch die meisten Organismen nicht. Der Mensch hat also ein Reflektiertes I, aber warum ist das so ? Wäre es so, wenn wir kein Gefühl über uns selbst hätten, in Spiegel andere Gestalten erkennen würden ?
Für mich ist das ein deutliches Indiz dafür, dass die Annahme der Abwesenheit oder Nicht- Existenz einer höheren Instanz (Geist oder Seele) nicht nur romantisch, sondern auch logisch betrachtet unmöglich ist.
Aber ist dieser Geist dann isoliert und unabhängig von „allen anderen“ ? Oder steht er ebenso in einem zirkulären Kontext, wie es bei der Physis der Fall ist ?
Das ist der Punkt, an dem ich dann nicht mehr weiterkomme, wenn ich nachdenke. Offenbar ist es uns Menschen nicht gegeben, dies zu verstehen. Ich kann danach trachten, mich an eine „Absolute Wahrheit“ anzunähern, doch ist diese „Lokomotion“ nur so winzig, dass hinter den Pforten der Hohepriesterin kaum Zugang in Sicht ist.
Na ja, so viel zu meinen Gedankengängen… ich bezweifle, dass jemand sich die Zeit nimmt, das alles durchzulesen und dann auch noch darauf eingeht. Macht alles nichts, ich wollte nur kurz beschreiben, wie ich die Sache sehe.
 
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