Gibt es eine atheistische Spiritualität?

Mein lieber Alamarrot,

natürlich habe ich deinen Beitrag gelesen, aber ich habe da so meine eigenen Visionen – wie alles begann.

Jeder der, der einmal draußen in der freien Natur seinen Blick in den sternklaren Nachthimmel erhoben hat, kann das gleiche Gefühl erfahren, wie ein Mensch in seiner Morgenröte. Sich dieses Gefühls des Staunens und der Größe des Geheimnisvollen bewusst zu werden, steht am Anfang der spirituellen Erfahrung.

Das reichte aber letztlich nicht aus, denn es fehlt die Sprache, um sich mit dem Geist anderer verbinden und so eine neue Ebene von abstrakten Gemeinschaften bilden zu können. Ich denke, dass der Tod in einer Sippe ein entscheidender Meilenstein in der Spiritualität dargestellt hatte („Was geschieht nun mit ihm?“).

Zeichen der Grablegungen lassen uns in der Paläanthropologie diesen wichtigen Punkt festmachen. Spiritualität beschreibt also die Grenzerfahrungen aus dem schmalen Grad zwischen dem Bewussten und Unbewussten (die Anderswelt).

Nicht umsonst wurde in ferner Vergangenheit, der Nebel mit der Schwelle zu Anderswelt verbunden. Das alles geschah, lange bevor es für uns einen übermächtigen Gott oder gar ein Universum gab.


Merlin​


Lieber Merlin,
Was Du da zuweilen schreibst, klingt sehr “gefühlig” und sehr rosa-wolkig und hübsch aber nicht sehr überzeugend.
Wie alles begann? Nun, da halte ich mich an die zwölf Glieder des bedingten Entstehens, wie der kopfbetonte Buddhismus dies beschreibt (ich bin eine astrologische Zwillingsnatur), die einem allerdings viel Kopfzerbrechen verursachen können, die aber vereinfacht aussagen, dass wir und das Universum einfach deshalb vorhanden sind, weil wir danach verlangen und das wollen. Carlos Castanda legt in einem seiner Bücher seinem Lehrer und Meister Don Juan (sinngemäss) folgende Worte in den Mund:
“Ich hege die grösste Bewunderung für den gewöhnlichen Menschen in seiner Eigenschaft als Zauberer, den er schafft jeden Morgen bei seinem Aufwachen die Welt von Neuem.”
Ich liebe die unberührte Natur mit ihren Manifestationen wie die Morgenröte und den sternenklaren Nachthimmel über alles. Und tatsächlich bewirken sie in mir ein wundervolles, sinnliches Erleben. Aber sie sagen mir deshalb nichts aus über ihr Entstehen. Und was ich von dem Ausdruck “spirituell” meine, hast Du ja schon gelesen.
Mit dem Geist (= engl. Mind) der Anderen sind war ja dauernd verbunden, denn in unserer Vorstellung erleben wir alle dieselbe Welt, nicht zu reden, von telephatischen Verbindungen und Identifikationen, die es ebenfalls gibt. Das alles geht ja ohne Worte vor sich und wir Menschen alle bilden eine sehr konkrete und keinesfalls abstrakte Gemeinschaft.
Der Tod einer Sippe: Dachtest Du da vielleicht an die Kelten und Druiden, über die wir uns ja auch ausgetauscht hatten? Und was sollte das sein, ein Meilenstsein in der Spiritualität.
Und jetzt weiterhin wird für mich rätselhaft, was Du schreibst. Die Anderswelt wird ja durchaus bewusst erfahren und der Tod bildet da keine Grenze sondern nur einen Schritt wie durch die Tür von einem Raum in einen anderen, wobei es unwichtig ist, was mit den körperlichen Resten eines Verstorbenen passiert, oder doch nur von zweiter Bedeutung. Die Hinduisten betrachten es als mentale Hygiene, wenn die verstorbenen Reste eines Menshen verbrannt werden, denn dies verhindert, dass sein überlebendes, sogenanntes feinstoffliche Doppel mit dem verstorbenen Körper in einer unguten Verbindung bleibt.
Der Nebel hat eine ähnliche Bedeutung und Funktion wie das Zwielicht. Beide verhindern oder unterbinden bis zu einem gewissen Grad das Eindringen der äusserlichen Welt vermittels unserer Sinne in unseren Geist (engl. = mind) und machen auf diese Weise den Weg frei für das, was aus unserem Inneren und aus der Anderwelt aufsteigen will. Das gilt ja heute wie eh und jeh.
Das Universum und ein theoretischer Gott: Das sind ja unsere eigenen Schöpfungen und waren daher nicht vor uns selbst vorhanden.
Jedenfalls ich sehe das so.
Alamerrot
 
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Spiritualität hat weder etwas mit Theismus (Gott) allein zu tun noch mit Atheismus.
Glaube hat mit Spiritualität zu tun.Aber Glaube allein ist keine Spiritualität.
Spiritualität,die Geisthaftigkeit,hat mit dem Bewusstsein des Menschen zu tun.Die Selbsterkenntnis das man ist ist Spiritualität.
Daraus ergibt sich auch die Frage was nach dem Tod ist.
Sogesehen,@DruideMerlin stellt der Tod in einer Sippe mit seinen Ritualen nicht einen entscheidenden Meilenstein der Spiritualität dar,sondern ist ein Grundstein-das Fundament der Spiritualität im Bewusstsein das man ist.
Aus dem Bewusstsein das man ist ergibt sich die Erkenntnis das man materiell vergänglich ist.Aus dieser Erkenntnis durch Hilfe des Bewusstseins entstand die weitere menschliche Spiritualität.
Alle anderen und späteren Attribute die Spiritualität ausmachen,wie z.b. der Glaube an Götter und später der Glaube an den einen Gott sind spirituelle Erscheinungen die sich aus dem einen Grundstein ergeben das ein Lebewesen (wie der Mensch) sich bewusst wurde das man ist.
 
Das Universum und ein theoretischer Gott: Das sind ja unsere eigenen Schöpfungen und waren daher nicht vor uns selbst vorhanden.
Jedenfalls ich sehe das so.
Alamerrot

Wie du das siehst @alamerrot ist Spiritualität auf sehr hohen Niveau.
Auf diesem Niveau verschwimmt (vermischt sich) die Spiritualität mit der Philosophie.
Inwiefern sind diese beiden von einander trennbar? Ich weiss es nicht.
Das Universum war vor uns selbst sicherlich schon vorhanden,allerdings nicht das Universum im Bezug auf einen,wenn auch theoretischen,Gott.Also in der Aussage das Universum ist Gott bzw. in allem was sich (materiell) offenbart offenbart sich Gott.
In den Aussagen über Götter und letztlich in der Aussage über (den einen Gott) sowie in der Aussage in allem was sich offenbart offenbart sich Gott ensteht dieses Universum mit seinem theoretischen Gott erst.Es sind unsere eigenen Schöpfungen und waren in der Tat vor uns nicht vorhanden.
Dessen muss man sich aber ersteinmal bewusst werden in dem man die Angst vor der eigenen Vergänglichkeit die man mit der materiellen Vergänglichkeit assezoiert überwindet.

Die Angst selbst ist ein grosser Bestandteil innerhalb der Spiritualität.
Jedenfalls sehe ich das so.
 
Wie du das siehst @alamerrot ist Spiritualität auf sehr hohen Niveau.
Auf diesem Niveau verschwimmt (vermischt sich) die Spiritualität mit der Philosophie.
Inwiefern sind diese beiden von einander trennbar? Ich weiss es nicht.
Das Universum war vor uns selbst sicherlich schon vorhanden,allerdings nicht das Universum im Bezug auf einen,wenn auch theoretischen,Gott.Also in der Aussage das Universum ist Gott bzw. in allem was sich (materiell) offenbart offenbart sich Gott.
In den Aussagen über Götter und letztlich in der Aussage über (den einen Gott) sowie in der Aussage in allem was sich offenbart offenbart sich Gott ensteht dieses Universum mit seinem theoretischen Gott erst.Es sind unsere eigenen Schöpfungen und waren in der Tat vor uns nicht vorhanden.
Dessen muss man sich aber ersteinmal bewusst werden in dem man die Angst vor der eigenen Vergänglichkeit die man mit der materiellen Vergänglichkeit assezoiert überwindet.

Die Angst selbst ist ein grosser Bestandteil innerhalb der Spiritualität.
Jedenfalls sehe ich das so.

Hallo SchattenElf,

Du weisst schon, dass ich von dem Wort Spiritualität nichts halte. Ich komme sehr gut ohne es aus.

Und die Angst vor der eigenen Vergänglichkeit? Die habe ich praktisch nicht. Ohne viel Spiritualität kann man sich z.B. wie die Materialisten vorstellen, dass man vor seiner Geburt garnicht existiert und darunter nicht gelitten hat und nach dem Tode nicht mehr weiterexistiert und darunter auch nicht leiden wird. Das ist ziemlich einfach. Worunter die Menschen in diesem Zusammenhang leiden, ist die Angst, dass sie ihr ich, das sie mit der Seele gleichsetzen, verlieren und dann nichts mehr geniessen könnten. Darum brauchen sie den Himmel, in dem man weiter geniessen kann und sogar besser als auf dieser Erde. Nun, das ich haben sie sowieso nicht, auch jetzt nicht, wo sie leben. Das ich ist nichts weiter als eine Einbildung. Aber dessen muss man sich bewusst wrden. Und das ist leider nicht ganz einfach. Wie man feststellen kann, dass man kein ich hat? Nun, man muss sich nur einmal vor Augen halten, was das ich eigentlich NICHT ist.

L.G.
Alamerrot
 
Lieber Alamerrot,

dass Du ohne Spiritualität auskommst, ist schlicht und einfach eine Illusion, die Du dir einredest. Sie versteckt sich in vielen Dingen, in denen man sie zunächst eigentlich nicht erwartet. Du schreibst ja selbst von den Gefühlen, die dich beim Anblick des Nachthimmels durchfluten – es fehlt da nach meiner Ansicht lediglich die Frage und die Antwort, warum das nun einmal so ist. Einen rationalen Grund hat das jedenfalls nicht.

So ist es auch ein Trugschluss, dass man sich seine Nichtexistenz vor der Geburt und nach dem Tode vorstellen könne. Das redet uns die Ratio ein, aber tief in unserer Seele wird das nicht akzeptiert – denn dem steht der Selbsterhaltungstrieb im Wege. Aus diesem Grund können wir in den Träumen auch nicht sterben.​

Unser Gehirn nimmt ungelöste Probleme immer wieder auf und sucht solange nach einer akzeptablen Lösung, bis sie gefunden ist. Die Jenseitsvorstellungen bieten eine eine solche akzeptable Lösung, womit der Geist zur Ruhe finden kann. Die Hoffnung auf ein Weiterleben in einer anderen Welt erleichtert uns zudem das Loslassen von unserem Leben. Etwas, das für uns im Angesicht des Todes von zentraler Bedeutung wird.

Sicherlich können wir versuchen ohne einen Glauben auskommen, aber anderseits kann er uns das Leben sehr erleichtern. Die Hoffnung und das Vertrauen sind sehr starke Elemente, mit denen wir das scheinbar Unmögliche zur Wirklichkeit werden lassen können.​

Zu deinen Gedanken vom Ich, möchte ich dir den bekannten Satz von Descartes zitieren: „Ich denke, also bin ich!“ Die Seele oder auch das Es ist zudem nicht das Ich, sonder nur ein Aspekt einer Persönlichkeit. Selbst Freud und Jung hatte in ihren Vorstellungen neben dem Ich und dem Es ein Über-Ich im Wesen eines Menschen erkannt.

Diese Vorstellung von einem Über-Ich ist dann auch das, was ich als eine fiktive Gemeinschaft verstehe. Der menschliche Geist überwindet durch die Sprache die körperlichen Grenzen und kann sich somit auf einer gemeinschaftlichen Ebene mit dem Geist anderer Menschen, zu etwas Größerem verbinden. Etwas, das eigentlich nicht existent ist und uns dennoch zum Erfolg geführt hat.

Die Sprache spielt zudem in unserem epischen Erinnerungsvermögen eine sehr große Rolle. Eine so komplexe Geschichte, wie die Bibel wäre ohne Sprache nicht möglich. Ja, sie wäre auch ohne den nächsten Schritt der Schrift nicht möglich geworden. Die Bibel ist auch ein gutes Beispiel für die Leistung eines kollektiven Gedächtnisses, in der die Gedanken vieler Menschen über mindestens 5000 Jahren mit eingeflossen sind.​


Merlin​
 
wenn man dafür, woran man glaubt, erst sterben muss, dass ist dann natürlich sehr unspirituell. spiritualität hält sich eben nur zu lebzeiten.

gott löst keine probleme. gott entgegnet: löse das problem.
Nein, man muss nicht sterben, um die Spiritualität erfahren zu können – aber auch der Tod ist ein Teil unseres Lebens. Der Mensch ist zutiefst ein soziales Wesen und seine Erfolgsstrategie sieht er deshalb in einer Gemeinschaft.

Gott kann ein Teil einer solchen Gemeinschaft sein und somit werden die Mechanismen des Gemeinschaftsgefühles in Gang gesetzt: „... gemeinsam können wir das schaffen!“ Das Prinzip der Gemeinschaft orientiert sich an dem stärksten Mitglied. Dabei unterscheidet das Unbewusste nicht zwischen realen und fiktiven Personen.

Natürlich kann man sein Leben auch alleine gestallten, aber in einer Gemeinschaft ist es zweifelslos einfacher.


Merlin​
 
Natürlich kann man sein Leben auch alleine gestallten, aber in einer Gemeinschaft ist es zweifelslos einfacher.

in einer gemeinschaft fußt der glaube eher psychologischer natur als aus einem philosophischen kontext heraus.

die meisten leidenszustände im leben sind psychologischer natur und haben mit philosophie eigentlich nichts zu tun.

das ist u.a. auch der grund, warum die meisten leute das problem im kern der menschlichen persönlichkeit sehen. es gibt für solche menschen keinen geeigneten spirituellen horizont, weil eben kein philosophisches problem definiert ist welches auch zu lösen lohnt.

im hier und jetzt leben ja fast alle. so ist das.
 
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