Du darfst eines nicht vergessen. Du erlebst deine Eltern 20-30 Jahre älter in ihren Verhaltensweisen. Und so mancher Mensch stellt dann mit 30 oder 40, gerade mit Kindern, fest "jö, ich bin ja wie meine Mutter/mein Vater geworden".
Du hast ja auch noch die Möglichkeit zur Rebellion gegen die elterlichen Werte in der Pubertät. Dann wird Kind halt die vermittelten Werte ablehnen. Aber das sind nur die oberflächlichen Werte (primär Glaubenssätze). Die kindlichen Programmierungen ganz tief im Unterbewusstsein bleiben (und streiten sich oft genug mit dem erwachsenen ICH).
Ich möchte in der Diskussion mal trennen zwischen: Verhaltensweisen/Charaktereigenschaften von den Eltern haben und Beziehungsmuster oder auch Partnerschaftsideale von ihnen übernehmen.
Ich habe von meinen Eltern Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften geerbt, ebenso wie ich männliche und weibliche Anteile habe, wobei ich auch weibliche Anteile von meinem Vater in mir entdecke, ebenso wie männliche von meiner Mutter, denn ich sehe das mit der Geschlechtertrennung nicht so strikt, wie andere, für mich ist das fließend, wir tragen immer beides in uns und die Frage ist, was wir davon in welcher Form und auch Potenz ausleben.
Über die Anteile meiner Eltern bin ich froh und freue mich immer, wenn ich von ihnen etwas in mir entdecke, weil ich weiß, sie werden auf diese Weise eines Tages in mir weiter aufzufinden sein, wenn sie mal gestorben sind.
Aber ihre Ideale in Bezug auf Familie und Beziehung habe ich überhaupt nicht übernommen, ich lehne aber auch in keiner Weise ab, was meine Eltern in Sachen Beziehung vorgelebt haben, zumal sie immer erstaunlich selbstverständlich 50:50 praktiziert haben, nur mein Vater hatte anfangs ein wenig Probleme damit, dass meine Mutter neben Familie und Kindern noch andere Pläne hatte, doch nach einigen Diskussionen war es für ihn auch okay und fortan kein Thema mehr.
Aber für mich war und ist es nie eine schöne Vorstellung gewesen, wenn ich mit jemandem, so wie meine Eltern es tun, tagtäglich zusammen bin, ich habe schon als Kind meine Stunden für mich gebraucht, um mich entfalten zu können und das war mir sehr früh bewusst, dass ich den Freiraum benötige.
Und je unabhängiger und erwachsener ich wurde, umso stärker war mein Bedürfnis nach diesem Freiraum und entsprechend führe ich meine Partnerschaft - mit der für meinen Mann und mich idealen Mischung aus sehr intensiver Nähe und dann wieder Abstand.
Für meine Eltern wäre das nicht möglich, eigentlich sogar unvorstellbar, aber sie akzeptieren meine Entscheidungen und meinen Lebensentwurf so wie ich ihren, wir stehen da nicht in Opposition zueinander.
Ich bin auch keine wirkliche Freundin der Monogamie, während meine Eltern da auch ganz und gar nie vom Ideal abgewichen sind, meinem Mann zuliebe habe ich mich jetzt zwar vorerst auf das Modell der exklusiven Verbindung eingelassen, aber immer mit der Option, dass wir das in Zukunft noch ändern können. Das war/ist mir wichtig.
Ich bin somit, obwohl ich unleugbar das Kind meiner Eltern bin, meinen eigenen Weg gegangen, was aber für mich nichts damit zu tun, dass ich nicht viele Eigenschaften meiner Eltern habe oder ihre Ideale ablehne, im Gegenteil, ich habe mir das einfach angesehen und mich dann für "meine Sache" entschieden, weder aus dem Wunsch der Ablehnung oder aus einer Polarität, sondern im Wissen um das, was für mich gut ist.