Hallo Maria, ich habe das, was Du zuletzt geschrieben hast, an den Anfang gestellt:
maria45 schrieb:
Das sind - metasprachlich betrachtet - "Atome", Kernbestandteile der entsprechenden Sprachen "Christentum" oder "Schamanismus". Um diese Atome rankt sich im besten Falle ein klares Erleben, was auch noch die einzelnen Atome in regelhafter Weise miteinander in Beziehung setzen kann, im schlechtesten Falle ist es etwas Angelesenes, eine relativ vage Theorie oder Hypothese.
Nunja. Also wie vielleicht erahnbar ist, halte ich Jesus für einen Schamanen, oder verfolge zumindest die Gedanken, die sich aus einer Gleichsetzung ergeben.
Die Gedanken verfolge ich durchaus auch. Dazu ruft der Thread ja auch auf.
Ich vergleich's mal einfachst mit nem Auto und nem Motorrad. Beides sind Gefährte, die Dich über Wege bringen. Trotzdem wird der Autofahrer ein ganz anderes Gefühl entwickeln als ein Motorradfahrer. Er wird nicht nur sich selbst, sondern auch die Landschaft ganz anders erleben. Beide machen also unterschiedliche Erfahrungen - selbst wenn sie zum selben Ziel hinfahren.
Im Ziel wird der eine sagen: ich bin Autofahrer und mit dem Auto hier angekommen. Der Motorradfahrer wird behaupten, er sei Motorradfahrer und das Motorrad habe ihn hergebracht. Und dann werden beide ein wunderschönes Gesprächsthema haben: die Unterschiedlichkeit des Auto- und der Motorradfahrens. Und wer weiß? Vielleicht fährt ja dann der Autofahrer mal auf dem Motorrad mit und der Motorradfahrer mal im Auto.
Was hätten beide davon, wenn sie die Unterschiedlichkeit ihrer Gefährte wegließen und sich darauf reduzierten, daß sie beide Fahrer sind und über Wege gerollt sind?
Genau das verstehe ich nicht. Klar, sie sind beide am identischen Ziel angekommen, aber sie haben andere Erfahrungen gemacht und sind daher auch etwas verschieden.
Ich betrachte die verschiedenen Wege eher wie verschiedene Programmiersprachen. Zunächst scheinen sie unterschiedlich zu sein, doch habe ich die Erfahrung, dass sie irgendwann konvergieren, sich also in einem Ziel treffen.
Das sehe ich nicht unbedingt so. Ein Buddhist hat ein anderes Innenleben als ein Christ, ein Moslem oder ein Huna-Anhänger. Er bezieht sich auf etwas anderes, führt andere Praktiken aus, löst Probleme im Denken anders, weil sein Oberstübchen auf dem Weg anders gestaltet wurde.
Aber ich würde sagen, daß das außerhalb von Religion o.ä. Gelegene im Menschen stets gleich ist und gleich bleibt. Das war auch nie verschieden. Hängst Du aber in einer Religion und in ihrem Gedankengerüst fest, wirst Du das System, das sie anbietet, ja nicht verlassen. Du wirst daher auch immer nur "eine" Sprache sprechen und eben in dieser Sprache, die Du sprichst, wird Dich die Welt erkennen. Als Schamane, als Buddha, Boddhisattwa oder als Christ usw.
Ich bleibe also dabei: die Erfahrung wird entschieden durch den Weg, den jemand geht. Und aus dem Weg entsteht seine Bezeichnung. Mache ich eine Bäckerlehre, werde ich Bäcker und nicht Müller.
Ich spreche in diesem Zusammenhang also nicht von dem Kirchenchristen, der zufrieden ist, sonntags in die Kirche zu gehen und von anderen gesehen zu werden und spreche auch nicht von dem, der meint ein Schamane zu sein, weil er ab und zu wochenends mal ein Trommelseminar mitmacht.
Auf einer bestimmten Ebene werden die Wege "mächtig".
So wie auf einer bestimmten Ebene verschiedene Programmiersprachen geeignet sind, um dasselbe Problem zu lösen.
Ja, aber die Zugangswege zur Macht sind anders und daher auch wird auch der Bewußtwerdende eine andere Bewußtwerdung erfahren im Vergleich mit anderen Wegen. Ein Christ wird sich nicht Buddhist nennen, ein Reiki-Meister nicht Taichi-Meister, ein Jesus nicht Schamane.
(Dabei wird es in dieser Zeit ja durchaus Schamanen gegeben haben - nehme ich an. Das Judentum wird wohl wie alle, die es versuchten, daran gescheitert sein, den Schamanismus ausrotten zu wollen.)
Und doch gibt es für bestimmte Anwendungen bestimmte Programmiersprachen, in denen sich das Problem besonders elegant lösen lässt.
Genau. Gehst Du Weg A, siehst Du die Lösung für Problem X nicht. Es wird Dir vielleicht noch nicht mal klar, daß es Problem X überhaupt gibt, weil Dein Glaubens- und Denkraster es Dir gar nicht offenbart. Man denke nur an den Begriff der Seele. Die Vorstellung von so etwas Drittem in der Ganzheit, neben dem Körper und dem Geist, gibt es ja lange nicht überall. Schamanismus dagegen ist ein immanenter Bestandteil jeder Kultur, in denen animistische Züge die Zeit überdauert haben. Er unterscheidet eben nicht, was der christliche Weg unterscheidet, weil er sich vollkommen anders geistig beschäftigt als der Christ.
Klar: der Christ mit Internet, Zugang zu Büchern, Gruppen und Bildung: der wird alles in sich vermengen und alles in sich als Christ oder Schamane erkennen, was er kann. Aber man muß sich ja immer einen Menschen vorstellen, der ohne Fernseher und Bücher sonntags in die Kirche geht und ansonsten in seinem Dorf nix von der Welt sieht oder hört. Der die Bibel hat oder nur die in der Kirche, und das Gesangbuch und das ist neben den Märchen der Gebrüder Grimm sein Lesestoff. Wer sich so beschäftigt, bemerkt erst, wie anders Christentum ist, wenn man mal die ganze Drumherum-"Bildung" der Neuzeit vergißt. Es hat mit Geistern nix zu tun, es glaubt nicht an Schicksal, das man beeinflussen müßte, nicht an Blockaden, die man lösen müßte und ergo auch nicht an nicht an schamanische Heilung.
Und mit Christentum meine ich jetzt nicht eine Religionsgemeinschaft wie die katholische oder sonst eine Kirche. Diese haben ja das Christentum nicht für sich gepachtet, sondern es existiert unabhängig von Religionsgemeinschaften durch die Bibel und das aufgezeichnete Leben Jesus' Christus'.
In der Informatik gibt es z.B. den Beweis, dass jedes Problem, das sich iterativ lösen lässt, auch rekursiv lösen lässt. Dennoch sind die Lösung nicht identisch in ihrer Qualität, das eine braucht mehr Zeit oder mehr Speicherplatz oder mehr Programmieraufwand als das andere.
Oberflächlich betrachtet können Schamanismus und Christentum nicht unterschiedlicher sein. Doch im Innersten - soweit wie ich das selbst erleben darf in beiden "Sprachen" - sind doch dieselben Zusammenhänge da, dieselben inneren Prozesse, dieselben Wirkungen. Der eine nennt es eben Engel, der andere Verbündete oder Krafttiere. Der eine individualisiert die wirksamen Kräfte, der andere stellt sie als unpersönlich dar.
Das Entscheidende ist doch, daß im Schamanismus der trinitäre Gottesaspekt fehlt.
Aufgrund dieses Fehlens ist doch die Hinwendung des Schamanen an seinen geistigen Raum eine gänzlich andere als die Hinwendung des Christen es ist. Oberflächlich betrachtet könnte man den schamanischen Geistraum als bunter, farbenreicher, kreativer usw. betrachten. Die Bibel und die Gottesvorstellung, die Jesus Christus vorstellt, bieten eine vollkommen andere Basis für die geistige Arbeit als der Schamanismus. Die Trance, die der Schamane erlebt, ist ein Teilbereich des menschlichen Bewußtseins, der dem Christen nicht als begeisterte Natur erscheint, sondern indem er die biblischen Visionen wiederholt.
Das Verbundensein des Christen in das Jenseits ist also ein anderes als das beim Schamanen ist. Jesus Christus war Visionär. Seine Visionen bezogen sich auf die reale Welt und waren vermutlich das Ergebnis seiner alleine verbrachten abendlichen und nächtlichen Stunden mit dem üblichen Getränk (Wein). Die Visionen des Schamanen beziehen sich dagegen auf ein Geisterreich der Natur.
Interessant wäre die Frage, inwiefern christliche visionäre Praktik und schamanische visionäre Praktik ganz einfach nur das "Channeln" visonärer Inhalte sind. Da in diesem Punkt wird's sich ja vielleicht ähneln, aber der Zweck und die Ebene, auf der praktiziert wird, auch die Grundannahmen über das Welt- und Menschenbild halte ich doch für sehr verschieden.
(was natürlich nicht heißt, daß es nicht alles in's gleiche Ziel führt. Aber diese Ebene wähne ich persönlich im Irdischen, mit "gemachter" Erfahrung und einer gewissen charakterlichen Reifung. Wo ein Mensch zu sehr noch im Spirituellen verhaftet ist, wird er diese Ebene des Einen nicht erreichen, sondern sein Bewußtsein wird immer wieder die anderen Geister aufrufen und die Ebene seiner Bewußtheit wird dadurch verlassen. Gerade das ist im Christentum aufgrund der Trinität so ja nicht notwendig. Man kann bei sich bleiben und muß nicht Geist woanders suchen, es sei denn er ist heilig, und damit unbestimmt, noch nicht berührt, im Grunde noch gar nicht da - in der Stille.)
So gibt es Programmiersprachen, die objektorientiert sind, und andere, die es überhaupt nicht sind. Und doch können beide dasselbe Problem lösen. Der eine schamanisiert und heilt jemanden, der andere betet zu Gott und es geschieht Heilung durch den Heiligen Geist.
Ja, natürlich. Aber deshalb ist doch der Beter kein Schamane. Und genau um diese Frage geht es im Thread. Nicht um die Frage, ob nicht irgendwie doch alles Eins ist. Da stimme ich ja sogar zu, wenngleich ich es wie gesagt nicht für den spirituellen Raum vermute, sondern für die Erde. Die Welten, die sich durch den spirituellen Raum und die unterschiedliche biographische Erfahrung auftun, sind mir zu verschieden. Lassen wir das alles weg ist Hier und Jetzt. Erde. Da, da kommen wir zusammen. Aber öffnen wir auch nur unser Mundwerk, dann betreten wir auch schon verschiedene Welten indem einer redet und einer hört.
Von daher muß man auch aufpassen, daß man sich nicht in Illusion wiegt darüber, ob es überhaupt ein Ziel gibt oder geben kann! Diese Deine Annahme würde ich spasseshalber mal per se in Frage stellen wollen, denn von ihr geht ja Deine Idee der Gleichheit aus.
Durch eine vergleichende und Ähnlichkeiten betrachtende Untersuchung beider Themengebiete kann man zu interessanten Einsichten kommen. So wie man in bestimmten Programmiersprachen kleine Codeteile anderer Programmiersprachen oder Skriptsprachen einbauen kann, um ein bestimmtes Problem mal eben besonders elegant zu lösen.
Da sind wir sehr ähnlich in unserem Interesse. Ich betrachte diese Frage sei Jahren auch sehr genau, vergleichend. Und Du hast natürlich Recht: wer eine Religion für einen Menschen bastelt, der muß den Menschen berücksichtigen. Nun sind Religionen nicht gebastelt worden, sondern sie sind über Jahrhhunderte und Jahrtausende im Menschen gewachsen. Und daher ist doch klar, daß alle Wege letztlich überwiegend die gleichen Knöpfe drücken müssen. Das heißt aber weder daß das Ziel identisch sein muß und auch nicht, daß der Buddhist ein Christ ist usw. Begründung siehe oben: anderer Umgang mit dem Geist und mit geistigen Werten, andere Wahrnehmung im doppelten Wortsinne.
Deshalb finde ich es interessant zu schauen, inwieweit z.B. das, was im Christentum "der Heilige Geist" genannt wird, irgendeine Analogie im Schamanismus hat. Vielleicht ist es z.B. einfach die Tatsache der Verbundenheit mit der Geiste(s/r)welt.
Denn die Grundfragen bleiben doch: Was genau ist ein Verbündeter? Was genau ist der Heilige Geist? Was genau ist eine Trance? Was genau geschieht in einem "Gebet"? Was geschieht im Lobpreis? Was für eine Funktion erfüllen Rituale? Was ist "der Sohn Gottes"? Was ist "Bewusstsein"? Was ist "schamanisches Reisen"? Was ist "die Seele"? Was ist "Gott" oder was sind "Götter"? Welche Ebenen gibt es? Wie heilt man? Wie gelangt man an Informationen? Was ist "der Geist" und was ist "ein Geist"?
ja, natürlich. In meinen Augen ist das Spannende, all dies zu differenzieren wie es in den einzelnen Regionen der Erde verstanden wird, in den Kulturen. Jede Kultur beantwortet die Frage, was jeder einzelne Aspekt bedeutet, ja etwas anders. Ich finde es herrlich, diese Diversität stehen lassen zu können. Es ergeben sich durch die Unterschiedlichkeit teilweise völlig verschiedene Welten - wie man zum Beispiel im Vergleich der schamanischen zur christlichen Welt ja sehen kann. (nicht die Religionsgemeinschaft-Christen-
Erde, sondern die christliche Welt. Die bezieht sich auf die Bibel und auf das Christuskind etc. und ist ein ebenso phantastischer Raum wie die begeisterte Welt des Schamanen oder des Shintoisten.)
also weiterhin: kontra gleichmachenwollen.
