Hallo Plus1!
Ich finde es gut, dass jetzt ein Beispiel auftaucht, das macht die Sache ein wenig klarer und nicht so "abgehoben"....
***Also ich bin anderer Meinung, verzeihen nur weil ich verstehe warum es jemand gemacht hat??? Verstehen mit verzeihen????
Verstehen ist der erste Schritt. Aber dazu braucht es die "Mühe", sich Infos über die Gründe des Anderen zu beschaffen.
***Ok, Ich kann verstehen warum die Tat begangen wird, aber gibt es diesem Menschen das Recht so zu handeln???? Wo ist die natürliche Hemmschwelle.
Nein, das Recht hat er nicht. Ich möchte ein Beispiel bringen, es muss unterschieden werden zwischen Verständnis bzw. Einfühlen in seine Tat und Schutz der Gesellschaft.
Ein Mensch erschlägt einen anderen Menschen. Auch ein Mörder wird sich "unschuldig" fühlen, denn er meint, ihm sei "gar nichts anderes übriggeblieben, als den anderen zu erschlagen..." (hört man immer wieder bei Verhaftungen...). Aus seiner Sicht ist das erschlagene Opfer "der Täter", hat ihn so provoziert, so lange gequält, ihn an seinen Vater erinnert, der ihn immer verprügelt hatte, etc. Die Liste der Gründe für sein Verhalten ließe sich beliebig fortsetzen.
Nun, wenn wir genau den gleichen Weg dieses Täters gegangen wären, mit genau seinen Verletzungen, Erfahrungen und zum Zeitpunkt seines "Wissenstandes" in genau die gleiche Situation gekommen wären, hätten wir genau gleich gehandelt, weil wir nicht anders hätten können, an SEINER Stelle. Es soll jetzt nicht beurteilt werden, ob das richtig oder falsch ist, es geht jetzt nur mal um das Reinfühlen in seine Situation. Er hat einfach nach seinen Erfahrungen gehandelt.
Das Entscheidende ist, dass diese "Tat" dem sozialen System, der Gesellschaft schadet. NATÜRLICH muss die Gesellschaft vor diesem Menschen geschützt werden, ihn zu verstehen heißt NICHT, ihn auf die Menschheit weiter loszulassen....
Hier geht es um GRENZEN. Gewisse Grenzen dürfen nicht verletzt werden, sonst würden wir in weitester Konsequenz aussterben.
Und damit sind wir wieder beim Thema Nachbar: Es müssen Grenzen gezogen werden, ganz klar! Ihn zu verstehen ist, wie gesagt, der erste Schritt. Doch das heißt nicht, dass ich masochistisch handeln muss und mir alles gefallen lassen muss.
***Ich hasse meinen Nachbar, weil er immer so laut ist, weil er immer Dreck vor meiner Tür verliert, weil er mich anmacht..........Ich hasse ihn.......er stört mein Leben.............jeden Tag.............................................ich kann nicht mehr..........................ich werfe ihn ein Fenster ein............
Nach einem Gespräch mit dem Nachbarn, in dem ich erstens die Gründe für sein Verhalten erfahren habe und zweitens MEINE Grenzen abgesteckt habe, sollte ich mich zum Schluss fragen, warum mir das Ganze passiert.
Solch eine Situation kann ein Spiegel für ein Problem sein, dass sich wie ein roter Faden durch mein Leben zieht.
Habe ich generell ein Problem, Nein zu sagen?
Übertreten in meinem Umkreis oft die Menschen meine Grenzen?
Was sollte ich lernen?
***Da stimmt doch was nicht!!So abgehoben kann niemand sein.
Es klingt abgehoben, weil das Thema nicht vertieft wurde. Ein konkretes Beispiel hilft da schon weiter. Prinzipiell ist ein solches Verhalten dieses Nachbarn auch eine Chance, sich selbst zu erkennen.
Warum ärgert mich sein Verhalten so? Bin ich im Alltag oft in solchen Situationen, die sich nur anders maskieren? (z.B. legen sie mir oft stapelweise die Arbeit der Kollegen auf den Tisch und ich kann mich nicht "wehren"?)
***Ich könnte doch wegziehen, ich könnte mit ihm reden, muß ich eine Tat setzen??
Ja! Du musst eine Tat setzen. Entweder Du redest mit ihm oder, wenn Du das unbedingt vermeiden willst, musst Du DICH oder Deine Einstellung dazu verändern! Wegzuziehen ist, denke ich, nicht der richtige Weg.
Wenn Du ein Problem umgehst, indem Du wegziehst, kann es sehr leicht sein, dass Du in Deiner nächsten Wohnung einen Nachbarn hast, der genauso ist. Ein Problem kommt Dir immer wieder entgegen, möglicherweise immer mit einem anderen Gesicht, solange, bis Du Dich dem Problem gestellt hast und es gelöst hast. Erst DANN zeigt sich im "Außen", was im Inneren ist, nämlich die Fähigkeit, Grenzen zu setzen.
***Nein seid mir nicht böse, wer schuld aufgeladen hat behält sie bei sich, er muß zugestehen, daß es ihm leid tut, wenn er mit mir Kontakt will. Wenn nicht, muß ich ihm nicht verzeihen, damit ich mich besser fühle, ich lasse es bei ihm.
Wie fühlst Du Dich damit? Ist es gut für Dich, die "Schuld" beim ihm zu lassen und das Problem damit abzuhaken (lässt sich wahrscheinlich nicht, denn er wird wahrscheinlich immer mehr provozieren...)
Ist es nicht stimmiger für Dich, etwas zu unternehmen? Das Problem anzugehen und zu lösen?
***Ich danke dafür, was ich daraus lerne und lasse los. Sich selbst darüber kränken und sich verletzt fühlen heißt die Tat bei mir lassen und leiden.
Das sollst Du auch nicht. "Was Dich trifft, be-trifft Dich!"
Schau hin, welche Situation hier aufgezeigt wird. Ich weiß, es klingt auf den ersten Blick unverständlich, vielleicht sogar überheblich, aber der Nachbar zeigt Dir, wo Du an Dir arbeiten solltest, dass Du das Problem der Abgrenzung bearbeiten solltest, um weiterzukommen.
Um nochmal zusammenzufassen: Wenn es Dir möglich ist, ein klärendes Gespräch suchen. Parallel dazu die eigene Einstellung überprüfen, auch in Hinblick auf mögliche ähnliche Probleme. Der Gedanke dahinter ist, dass wenn Du es geschafft hast, Dich selbstbewusst abzugrenzen, Dir "solche" Nachbarn plötzlich nicht mehr begegnen....
Liebe Grüße
Reinfriede