„Ich hatte mal einen roten Volkswagen", erzählte mir Dr. Neitz. „Einmal war ich draußen, es war dunkel und ich stieg gerade in mein Auto. Jemand neben mir war auch gerade in sein Auto gestiegen und hatte die Bremslichter angemacht. Als das passierte, war mein Auto nur von den Bremslichtern angeleuchtet—und mein Auto sah weiß aus!"
Das ist einfach nur Blödsinn. Ein Gegenstand, der von spektralreinem Rot angeleuchtet wird, sieht immer rot aus. Adaption an die Lichtfarbe ist nur beim Kontinuum eines Planck'chen Strahlers möglich und das auch nur in gewissen Grenzen. Ein geübter Photograph, Maler oder Graphiker sieht Farben übrigens weitgehend absolut. Für den ist Glühbirnenlicht eindeutig gelblich, bewölktes Himmelslicht blaucyan und er sieht winzigste Farbabweichungen. Schnee ist z.B. mitnichten weiß, sondern nimmt unzählige Farbschattierungen an je nach den Lichtverhältnissen. Das ganze ist eine Mischung aus Veranlagung und langjähriger Übung.
Übrigens, die Farbwiedergabe bei einfachen TFT-Monitoren ist
winkelabhängig. Darum benutze ich einen CRT-Graphik-Monitor, der obendrein kalibriert und profiliert ist. Laptops sind für kritische Farbanalysen überhaupt nicht zu gebrauchen, es sei denn, es sind superteure Ausführungen mit Hochleistungs-TFTs. Was viele als Monitor benutzen, spottet für einen Photographen jeder Beschreibung: Farbgänge, schlechte Lichter- und Schattenzeichnung, das ganze auch noch winkelabhängig, meistens viel zu hell und viel zu kalt eingestellt, oft bis zu 9000 K. Zum Vergleich: Meiner ist auf 5800 K einjustiert (ergibt eine subjektive Identität mit D50 Auflicht, was heißt, das Monitorbild und Druck unter D50 Licht identisch aussehen).
Und wie gesagt, auch die Belichtung spielt eine Rolle. Daß das dunklere Bild schwarz zeigt, liegt einfach an der Unterbelichtung. Im übrigen werden die aufgenommenen Farben durch den Farbgang der Kamera verfälscht, insbesondere dann, wenn sie noch tiefrot aufzeichnet: Fast alle organischen violetten, blauen, grünen und "schwarzen" Farbstoffe zeigen diese Eigenschaft. Auch Chrominanzrauschen kann die Farben verfälschten. Bei Filmen war das weniger kritisch, weil deren Absorption bei 680 nm endet.
Das ganze ist aufgrund nicht reproduzierbarer, nicht standardisierter Betrachtungsbedingungen wirklich ein Streit um des Kaisers Bart und völlig sinnlos.
LG
Grauer Wolf
