Mit offenen Augen durch die Welt gehen ...

Jan1176

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Ist euch schon mal aufgefallen, wie viele Dinge um uns herum sind, die wir nicht sehen, nicht etwa, weil sie unsichtbar sind, sondern, weil wir nicht hinschauen?

Mal ein einfaches Beispiel: Wenn man einen gepflasterten Weg langgeht, wie viele Pflastersteine seht man? Ziemlich sicher keinen einzigen. Man nimmt vermutlich wahr, dass der Weg gepflastert ist, und vielleicht auch noch, eher halb-bewusst, welche Form und Farbe die Pflastersteine haben. Aber man betrachtet keinen einzelnen Pflasterstein.

Das ist natürlich auch sinnvoll so. Wenn man jeden einzelnen Pflasterstein, und sei es noch so kurz, betrachten müsste, käme man überhaupt nicht voran und wäre viel zu beschäftigt, um die wichtigen Dinge wahrzunehmen (z.B. wo man gerade überhaupt hinläuft).

Aber andererseits übersehen wir so auch eine ganze Menge.

Es gibt Menschen, die etwas mehr wahrnehmen. Die z. B. eine schöne Blume am Wegrand sehen, wo andere einfach achtlos vorbei laufen und den Weg nur als lästigen Zwischenzustand zwischen Hier und dar wahrnehmen. Man sagt manchmal, dass sie "mit offenen Augen durch die Welt gehen". Tatsächlich haben sie die Augen aber nur ein ganz kleines bisschen weiter offen als die meisten anderen.

Was aber passiert, wenn man die Augen einen kurzen Augenblick lang (dauerhaft ist es kaum möglich) noch ein bisschen weiter öffnet?

Man stellt fest, dass selbst die alltäglichsten Dinge Geschichten erzählen.

Gut, die Geschichten, die ein normaler Pflasterstein erzählt, sind recht langweilig (auch wenn so ein Stein, wenn man ihn genau betrachtet, wesentlich mehr Details aufweist, als man gemeinhin glaubt).

Aber vielleicht entdeckt man unter all den Pflastersteinen, über die man täglich hinweg läuft, einen, wo ein X eingeritzt ist. Warum? Nun, vielleicht markiert er eine Grundstücksgrenze. Oder irgend etwas anderes. Jedenfalls: Irgendjemand hat hier irgendwann aus irgendeinem Grund ein Zeichen hinterlassen. Die Welt ist voller Zeichen. Von wem? An wen? Wer weiß ... Und so entspringt einem einfachen Pflasterstein, über den man täglich hinweg läuft ohne ihn wirklich wahrzunehmen, eine Geschichte. Zugegeben, keine wirklich besondere Geschichte, aber unzweifelhaft eine Geschichte.

Nehmen wir ein größeres Beispiel: Ein größeres, älteres Haus in der Stadt. Ein Haus unter vielen in einer Straße unter vielen, weder besonders schön noch sonst wie besonders. Man läuft vorbei, vielleicht geht man sogar rein und raus, aber man beachtet es nicht wirklich. Es ist eben ein Haus.

Aber wenn man es genauer betrachtet, bemerkt man unzählige Kleinigkeiten. Vielleicht ist das Mauerwerk an der ein oder anderen Stelle etwas neuer als drum herum. Vielleicht war hier früher einmal eine Tür, die später zugemauert wurde? Und immer so weiter. Schon beginnt das Haus seine Geschichte zu erzählen, davon, wie es früher aussah und wie es genutzt wurde.

Und wenn man es noch genauer betrachtet: Der rostige Nagel dort, hing dort früher einmal ein Schild? Was stand darauf? Und warum? Wer hat es aufgehängt? Wer wieder abgenommen? Vieles wird man nie erfahren, aber die Geschichte wird immer detaillierter.

Wozu das ganze, mag man fragen. Es nützt einem doch nichts? Die meisten dieser Geschichten sind weder sonderlich interessant noch betreffen sie einen selbst.

Aber auch die Blume am Wegrand "nutzt" uns nichts, sie ist einfach nur da. (Wobei ich zugeben muss, dass Blumen zumindest wesentlich schöner sind, als Pflastersteine.)

Es hat aber durchaus seine Vorteile, hin und wieder mal die Welt, die uns umgibt, eine kurze Weile lang mit "offenen Augen" zu betrachten:

Erstens entdeckt man manchmal doch etwas Interessantes: Zum Beispiel Verbindungen, die man sonst nie wahrgenommen hätte und die einen vielleicht am Ende sogar selbst irgendwie betreffen. Nur wenn man hin und wieder mal den Geschichten um und herum lauscht, kann man lernen, die (vergleichsweise wenigen) zu erkennen, die einen in Wirklichkeit doch irgendwie interessieren, obwohl sie auf den ersten Blick gar nicht wahrnehmbar sind.

Zweitens stellt sich die Frage, wie wir all die "mysteriösen" Dinge, die ständig um uns herum passieren, wahrnehmen können wollen, wenn wir nicht einmal in der Lage sind, die alltäglichen Dinge um uns herum wahrzunehmen, obwohl sie vollkommen sichtbar sind? Und dass es solche "Mysteriösen" Dinge gibt, steht für mich eigentlich außer Zweifel.

Natürlich kann man, wie ich ja schon schrieb, die Welt nicht ständig so betrachten, sonst würde man ja nichts anderes mehr schaffen. Im normalen Alltag ist die "oberflächliche" Betrachtungsweise der Umwelt sinnvoll und sogar nötig.

Aber ich gönne mir hin und wieder mal diesen "Luxus", einige eigentlich ganz gewöhnlichen und normalen Dingen, an denen ich sonst wie alle anderen achtlos vorbei laufe, genauer zu betrachten. Und manchmal entdecke ich tatsächlich unter den ganzen Kleinigkeiten, die man erst auf den zweiten, dritten oder auch vierten Blick erkennt, die eine oder andere, die irgendwie interessant, ungewöhnlich, seltsam oder sogar eigentlich unmöglich ist.

Den kleinen Nachteil dabei möchte ich allerdings nicht verschweigen: Manchmal schauen die Leute etwas komisch, wenn sie sehen, dass man etwas, dass ganz alltäglich und eigentlich nicht "betrachtenswert" ist, vermeintlich "verträumt" genauer betrachtet. Aber mir ist es recht egal, was fremde Leute von mir denken. Ich sehe keinen Sinn darin, etwas nur deswegen nicht zu sehen, weil andere es als nicht sehenswert erachten.

(Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob das, was ich hier schrieb, verständlich ist. Aber es kam mir so in den Sinn und ich beschloss, es auszuschreiben. Vielleicht findet es ja doch der eine oder andere interessant oder nützlich.)
 
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Das kenne ich. Oft haben wir nur die Augen halb offen. Sass mal im Zug und sah ein Hinweis an der Türe angebracht das diese defekt ist. Manche Leute haben den Hinweis nicht bemerkt weil sie gedanklich woanders waren, so auch ihre Augen abgelenkt waren. Von der optischen Warnehmung konzentierten sich die Augen nur auf den richtigen Bahnhof und Welche Seite man aussteigen muss. Aber der Hinweis wird oft nicht Wargenommen.

Aber es ist wirklich interessant zu sehen, warum wir oft nur die Hälfte warnehmen.
 
Hehe, ein Krokodil gehört zu den Dingen, die zwar aus der Nähe durchaus interessant sind (wirklich interessante Tiere), die ich aber trotzdem nicht aus der Nähe betrachten würde. Jedenfalls nicht ohne dicke Glasscheibe oder dergleichen dazwischen. :D
 
Ich schätze mal das es eine Gabe ist die beim einen und anderen verschieden gut ausgeprägt ist. Wobei man das genaue hinsehen auch üben kann.

Es ist oft so das der eine ein winziges Detail sofort sieht, was dem anderen überhaupt nicht auffällt. Genauso ist es auch mit akustischen Warnehmungen.

Das mit den Details lässt sich in dem Fall üben, wenn man nicht nur draussen den Baum sieht, auch versucht zu erkennen was es für einer ist und welche Form seine Blätter haben. So hat man mit der Zeit immer mehr gespühr für die Feinheiten und man findet immer wieder Details.
 
Ich schätze mal das es eine Gabe ist die beim einen und anderen verschieden gut ausgeprägt ist.
Meinst du? Ich glaube nicht.

Ich denke dass jeder Mensch mal genauer hinschaut und mal weniger genau. Je entspannter und in sich ruhender jemand ist, umso eher kann er sich seiner Umwelt öffnen. Wenn er aber in Gedanken, in Eile, in Sorge ist, wird er kaum ein Auge für die Feinheiten dieser Welt haben.

Jeder Mensch ist mal in der einen Verfassung und mal in der anderen. Klar, manch einer ist entspannter und manch einer beschäftigt sich mehr mit seinem Kopfkino, aber sehen/wahrnehmen können alle ...

R.
 
ich finde es sehr interessant genauer hinzuschauen.Man kann die Augenlider ruhig in normaler Position halten.ein gezielter Blick enthüllt mehr als sonst.
 
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@ Ruhepol
Kann ich nur zustimmen :thumbup:

Zu den Pflastersteinen....

So was sehe ich sofort (gibt es ja leider nur noch selten), wenn sie alt abgefahren sind sehe ich Menschen die unter primitivsten Bedingungen mühsam diese Pflaster verlegten.

Ich sehe Menschen, die darüber gehen oder überlege mir wie viele Pferdekutschen wohl darüber gefahren sein mögen.

Bei den Neuen Pflastern, die jetzt verlegt werden, sehe ich eher wenn die Arbeit schlecht ausgeführt wurde. :D
 
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