Mit diesem Satz ziehe ich mir regelmäßig den Protest und die Empörung meiner Umwelt zu.
" Jeder bekommt, was er verdient. " oder "Niemand bekommt mehr aufgeladen, als er tragen kann. "
Da Intoleranz und Überheblichkeit mich manchmal auf die Barrikaden bringen, habe ich oft Diskussionen, die mir die Argumente dagegen wieder zurück ins Gesicht drücken.
Die meisten Leute haben ihre Vor-Urteile fix und fertig von ihren Eltern übernommen und sind nicht mal bereit, sich auf etwas anderes einzulassen.
Ruckzuck wird jemand mit Pech beworfen und gefedert, weil er sich eines schrecklichen Verbrechens schuldig gemacht hat. Andere kommen auf den moralischen Scheiterhaufen und werden in der Luft zerfetzt, weil sie sich nicht den herkömmlichen Normen und Werten der Gesellschaft unterwerfen.
Ich halte mich für tolerant und versuche krampfhaft nicht zu urteilen. Und das Tag für Tag. Denn......
Die Ver-Urteilung beginnt doch schon bei meinen Kollegen, die mich ver-ärgern, weil sie bestimmte Arbeitsabläufe nicht einhalten und ich dadurch Mehrarbeit habe.
Ganz schnell wird im intimen Kreis über den oder die "hergezogen". Und ich denke mir, was tust du da? Das geschieht auch mit dir, wenn du nicht da bist!
Fazit: Das Urteilen, Ver-Urteilen, Be-Urteilen liegt uns im Blut, ist genetisch festgelegt, um uns immer ins rechte Licht zu rücken, die Meinung der Masse zu vertreten, jemandem zu schmeicheln, unseren Vorteil zu sehen.
Da braucht es ein leidvolles Leben, mit allen Facetten, um zu lernen, sich mit Urteilen zurück zu halten.
"Wer nicht dasselbe erlebt hat wie ich, soll mir keinen Rat geben."
Das kann man auch aufs Urteilen beziehen.
Auch wenn da ein Massenmörder, ein Vergewaltiger, ein Kinderschänder ist, es ist ein Mensch, mit all seinen Rucksäcken voll mit Geschichten, Erlebten und Vererbten auf dem Buckel.
Er hat sich für dieses Leben entschieden und muss diesen Weg gehen, um seinen Auftrag zu erfüllen, seine Hausaufgabe zu machen.
Und da sind die Opfer, mit genau den gleichen Rucksäcken und dem Schicksal, dass sie genau zu der Zeit, an diesem Ort sind, um ihrem Peiniger zu begegnen.
Sie sind gebunden in ihrer Geschichte, mit all den Folgen, die auch für die Angehörigen und Betroffenen geschehen.
Wer sind wir, dass wir uns das Recht nehmen, darüber zu urteilen? Müssen wir nicht demütig schweigen? Oder müssen wir voller Empörung aufschreien?
Das Eine wie das Andere ist keine Lösung.
Die Ver-Urteilung wird geschehen, so oder so. Es entgeht keiner seinem Richter, der auf höherer Ebene urteilt.
Aber die Ver-Urteilung geschieht eben dann, wenn die Zeit reif ist, wenn das Urteil verstanden und angenommen werden kann.
Nein, ich stelle mich nicht auf die Seite der Verbrecher. Wahrscheinlich wäre ich die Erste, die Rache schwört, wenn meinen Kindern etwas passiert. Ich will auch nicht, dass diese Verirrten und Verwirrten frei rumlaufen.
Aber ich will, dass man versucht zu verstehen.
Die Zusammenhänge und Ursachen zu ergründen und zu verstehen.
Das Leben fließt und schwingt.
Wer urteilt hat sich festgelegt. Ist starr und unbeweglich.
Gruß Dawn