Ja, ich stimme mit dir überein.
Was ich noch nicht "geknackt" habe, ist, wie man da raus kommt. Sun hat es, glaub ich, mal angemerkt, das man sich da ja ständig im Kreis drehen würde und dann ja eigentlich jede Unterhaltung beenden könnte. Tatsächlich finde ich das auch sehr schwer. Man ist, je mehr einem diese Spiegelgeschichte bewußt wird, komplett auf sich selbst zurückgeworfen und dann die Frage: was macht man damit, wenn man an den Punkt kommt, wo einem klar ist, wie sehr man sich eigentlich selber verurteilt und nicht ausstehen kann? Wie verwandelt man das in Liebe zu sich selbst? Wenn man seinen Nächsten so lieben soll wie sich selbst und man sich selbst aber gar nicht liebt, wie macht man das? Wie überwindet man diese gewaltige innere Blockade, die einen immer wieder dazu verleitet, seinen eigenen Mist in die Welt zu projizieren?
Huch, wo anfangen... also, mir geht es so, dass eben der erste und auch schon der wichtigste Schritt ist, mir selbst gegenüber ehrlich zu sein. Aber das ist wohl auch meist der schwierigste. Meine Erfahrung ist: Die Rücknahme der Projektion ist das schwierigste: Das Suchen in sich selbst, welchen Teil von mir habe ich da gerade gesehen, woher kommt dieser Teil, wo hat er sich versteckt. Und dann muss man ja diesem inneren Teil ins Auge schauen. Wenn mir das aber gelingt, dann finde ich, tritt die Selbstliebe von selber ein. Denn meist handelt es sich doch um irgendeine innere Verletzung. Und wenn ich der ins Auge geschaut habe, wenn ich sie betrauert habe, also evtl. nochmal richtig geweint habe, die Situation vielleicht nochmal durchlebt habe, die diese innere Verletzung ausgelöst hat, dann kann die Verletzung heilen. Und dann... projiziere ich auch nicht mehr nach Außen. Dann treffen mich bestimmte Vorwürfe nicht mehr etc.
Unter Umständen ist die Verletzung so groß, dass ich öfters da durch gehen muss, aber es wird jedes Mal leichter. So geht es mir zumindest.
Ich habe die ganze Zeit überlegt, ob ich hier ein persönliches Beispiel anführen will, und ich werde es jetzt tun: Ihr habt wohl mitgekriegt, dass sich zwischen mir und einer anderen Forumsteilnehmerin eine Art Privatfehde zugetragen hat. Zunächst war ich nur sauer über ihre verqueren Ansichten und ihre unsachliche Argumentation. Mir war klar, dass ich überreagiere, aber zunächst konnte nichts dagegen tun. Dann habe ich nach und nach angefangen, darüber nachzudenken, welche Punkte sie eigentlich in mir trifft, was in mir sie eigentlich verkörpert: Der erste war eine gewisse Unsicherheit darüber, ob man seine Kinder wirklich in fremde Hände geben sollte. Mir war gar nicht klar, dass das in mir steckt, denn auf einer Verstandesebene fand ich immer richtig, dass es Kindern hilft, wenn sie unabhängig von der Mutter werden und dass eine liebevolle Beziehung zwischen beiden (und dem Vater natürlich auch) auch gut und gerne entstehen kann, wenn man nicht den ganzen Tag zusammenhängt (und das habe ich auch so erlebt). Mir war nicht klar, dass ein unbewusster Teil von mir arbeitende Mütter auch verurteilte, wohl ein von meiner Mutter (der das auch nicht bewusst war bis ich mit ihr darüber sprach, letzte Woche) übernommener Komplex. Dadurch, dass ich mir das klarmachen konnte, ich diesen Komplex betrachten konnte, die Stimmen angehört habe, die mich (die ich ja noch gar keine Kinder habe, aber es ist ja das Unbewusste... nicht immer logisch

) eine schlechte Mutter schimpften, dadurch sind sie gleich viel leiser geworden. Und ich weiß, wenn ich Kinder haben werde, dann werde ich mich diesen Stimmen erneut stellen müssen. Ich bin froh, dass ich nun weiß, dass sie in mir sind.
Fazit: Dadurch, dass ich Gelgenheit fand, meine "inneren Kritiker" (Begriff von Carlo Zumstein, finde ich großartig) zu hören, habe ich sie vom Unbewussten ins Bewusste geholt. Die Diskussion über Hausfrauen oder Nicht-Hausfrauen berührt mich gleich viel weniger.
Nun, das geht noch weiter... die Vorwürfe haben mich trotzdem noch weiter berührt, auch wenn das Hausfrau-Ding inzwischen geklärt war... ich möchte aber nun auch nicht mein
ganzes Inneres hier offenbaren

vielleicht eins noch... Ein Vorwurf war, ich würde schleimen. Das hat mich nicht sehr getroffen, aber ein bisschen. Ich habe es also hin und her gedreht, ich bin der Meinung, ich schleime wirklich nicht. Aber irgendwo muss das doch herkommen? Naja, ich war sehr gut in der Schule. Und obwohl ich mich auch vielfach mit Lehrern angelegt habe, obwohl ich nicht wirklich unbeliebt war, ab und zu kam ein Schleimer-Vorwurf eben doch auf. Ich denke, dass ich mich selber ob meines Erfolges schämte... oder einfach nicht besser sein wollte als die anderen, ich fand das oft furchtbar, konnte es nicht so richtig verstehen, mir selber manchmal nur als Bevorzugung erklären... ich hatte Angst davor, außen vor zu stehen. Wer weiß, vielleicht meint mein Unbewusstes auch, ich hätte manchmal geschleimt? Denn auch mir waren diese Erfolge manchmal unerklärlich, Schleimen war manchmal die einzige Erklärung? Ich weiß es noch nicht so richtig, werde weiter darüber nachdenken. Aber es rührt eben an Existenzängste, Ausgegrenzt-Sein, Nicht-dazu-gehören, das ist eben eine heftige innere Drohung... auch etwas, das mit meinen Eltern in Zusammenhang steht...
Ist dir mal aufgefallen, wie viele Gefühle wir von unseren Eltern übernehmen? Wie viele emotionale Knoten schon in unseren Eltern angelegt sind?
So, nun habe ich viel geschrieben und einiges Privates. Ich fasse nochmal kurz zusammen:

Meine Erfahrung ist, je ehrlicher ich zu mir selbst bin, und mich den inneren, unbewussten Stimmen stelle, desto weniger können sie mir wehtun. Je bewusster ich mir das Unbewusste mache und mich den alten Verletzungen stelle, desto weniger können sie mich beherrschen. Und desto weniger treffen mich die Spiegelungen. Und desto ehrlicher kann ich übrigens auch nach Außen sein, denn ich bin ja weniger verletzlich: Trifft ein Vorwurf keinen unbewussten, wunden Punkt mehr, dann verletzt er mich auch nicht mehr.
Liebe Grüße... sorry für das Ausschütten des Privaten...
Raeubertochter
