Könnte die Flüchtlingsfrage in einem anderen Faden diskutiert werden?
Hier geht es um die Politischen Nachwirkungen der Bundestagswahl in 2025.
Ich kann dich natürlich verstehen, das Thema führt hier in der Regel zu seitenlangem Streit und zur Schließung, vieles wurde auch schon x-fach durchgekaut. Andererseits war die Migrationspolitik eines der zentralen Themen der letzten Bundestagswahl. Und wie in anderen Bereichen auch, hat die Union dabei massiv mit Übertreibungen, falschen Behauptungen und unhaltbaren Versprechungen gearbeitet, die sich jetzt nicht umsetzen lassen. Das führt zu noch mehr Verdruss und Vertrauensverlust in der Wählerschaft, was durchaus eine Nachwirkung der Wahl ist, wie ich finde.
Friedrich Merz hat im Wahlkampf den Eindruck erweckt, er würde am ersten Tag seiner Kanzlerschaft die Grenzen abriegeln, und damit alle Probleme lösen, die sich durch Zuwanderung ergeben. Daraus sind jetzt Zurückweisungen "in Abstimmung mit den europäischen Nachbarn" geworden. Wenn der jeweilige Nachbar also sagt: "Nö, will ich nicht.", wird nicht zurückgewiesen, letztlich wird sich also an den Grenzen im Prinzip gar nichts ändern.
Dass das so sein würde, wusste Merz auch schon vorher, alles andere würde gegen nationales und EU-Recht verstoßen. Es würde die ersten, bescheidenen Erfolge zunichtemachen, die die Ampelregierung zur Verteilung von Geflüchteten innerhalb der EU mühevoll ausgehandelt hat. Und es gibt gar nicht genug Bundespolizisten, um Deutschlands Grenzen dauerhaft und effektiv abzuriegeln.
Was mich dabei so ärgert, sind aber nicht nur die falschen Versprechen, die Friedrich Merz und die Union ganz bewusst gemacht haben, sondern vor allem - und jetzt komme ich wieder zu den Nachwirkungen - dass er die Diskussion rund um das Thema Migration in eine völlig falsche Bahn gelenkt hat, aus der man nur schwer wieder herauskommt.
Statt über irgendwelche illegalen Zurückweisungen zu streiten, müsste man sich erst mal um die kümmern, die schon hier sind. Schärfere Grenzkontrollen hätten z.B. keine der schrecklichen Bluttaten verhindert, die vor und während des Wahlkampfs von Migranten begangen worden sind, mehr Therapieplätze für psychisch auffällige Menschen vielleicht schon. Man hätte auch mal darüber diskutieren können, wie es sein kann, dass Geflüchtete für Monate und Jahre in
von privaten, und damit gewinnorientierten Unternehmen geführten Unterkünften weggesperrt werden, zur Untätigkeit verdammt auf den nächsten Behördenbescheid wartend. Oder wie man den Kommunen helfen kann, die überlastet sind.
Stattdessen ging es immer nur in eine Richtung: Migration als Bedrohung, keinen mehr rein lassen, und möglichst viele von denen, die schon hier sind, wieder raus. Von der Union wurde u.a. der Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft vorgeschlagen, Jens Spahn wollte Syrern schon einen Tag nach dem Fall des Assad-Regimes ein Ticket nach Damaskus plus Handgeld spendieren. Nur um einmal daran zu erinnern, welcher Ton im Wahlkampf noch herrschte, und welche Erwartungen geweckt wurden.
Bei meinem letzten Krankenhausaufenthalt hatten - abgesehen von einer Asiatin - ausnahmslos alle Ärztinnen und Ärzte auf meiner Station "orientalisch" klingende Namen, beim Pflegepersonal lag der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund bei schätzungsweise 70-80%. Zuwanderer nehmen uns nicht die Termine beim Arzt weg, wie Herr Merz mal meinte, sondern sie sorgen dafür, dass wir überhaupt noch welche bekommen.