Wir, die wir uns als Individuen ansehen, haben ganz klare Wahrnehmung von "Dingen", die von uns getrennt sind. Nehmen wir doch einmal diese Wahrnehmungen genauer unter die Lupe und schauen, auf welche Weise uns die Dinge erscheinen. Dann können wir vielleicht etwas besser sehen, wie sich Gott uns offenbart, nämlich wenn wir besser verstehen, wie sich die Dinge um uns herum uns offenbaren.
Für gewöhnlich, d.h. spontan, ohne besondere Reflexion, nehme ich bei der Betrachtung irgendeiner Sache deutlich wahr, dass diese Sache für sich existiert, also unabhängig von mir, der ich sie betrachte und ihr gegenüberstehe, nehmen wir eine Blume als Beispiel. Wenn ich eine Blume sehe, nehme ich automatisch wahr, dass hier ich bin und dort die Blume. Die Blume erscheint mir ganz klar, als eine für sich stehende Wesenheit, die nichts mit mir zu tun hat. Ich denke, ich irre nicht, wenn ich behaupte, dass für viele auch Gott als so eine für sich stehende Wesenheit betrachtet wird.
Jetzt schaue ich mir die Blume etwas genauer an und stelle fest, dass die Blume ihrerseits aus Teilen besteht. Sie scheint zwar eine für sich stehende EInheit zu sein, doch bei genauerer Betrachtung finde ich leicht heraus, dass sie von vielen Einzelheiten abhängt, die zusammen meine Wahrnehmung "da ist eine Blume" ergeben. Schließlich werde ich sogar finden, dass eine Blume ohne meine Beobachtung, d.h. ohne meine Fähigkeit zu sehen und zu benennen nicht existieren kann und habe so gefunden, dass die Blume, obwohl sie auf den ersten Blick aus sich selbst heraus zu existieren scheint, eben genau dies nicht tut, sondern ganz im Gegenteil von vielerlei Faktoren abhängt: von ihren Teile, ihrer Farbe und Form, von den Nährstoffen im Boden, die sie gedeihen lassen und von meiner Beobachtung, meinem Begriffsvermögen usw.
Ohne meine Beobachtung kann ich keine Blume erkennen. Ohne Teile der Blume, gibt es keine Blume. Somit habe ihc gefundne, dass mein erster Eindruck, die Blume existiere unabhängig und aus sich selbst heraus, getäuscht war, denn wenn ich es genauer analysiere, finde ich, dass die Blume von vielen sie bedingenden Faktoren abhängt, nicht zuletzt von mir selber, als Beobachter der Blume.
Die Blume hat sich mir zunächst zwar als Einheit offenbart, doch wenn ich sie genau anschaue, offenbart sich mir etwas ganz anderes, nämlich das völlige Fehlen von Eigenexistenz der Blume und umgekehrt ihre völlige Abhängigkeit von vielen einzelnen Faktoren, die ihrerseits wiederum von weiteren Faktoren abhängen bis ins Unendliche. Schließlich kann ich die Blume zerteilen und unter dem Mirkoskop ihre Zellen beobachten, die Zellen weiter zerteilen, ihre Atome sehen usw., da gibt es meines Wissens keine Begrenzung zum Allerkleinsten hin. Damit es eine Blume gibt, musste erstmal ein ganzer Planet erschaffen werden...
Jetzt interessiert mich, was es mit mir selbst, als Beobachter auf sich hat, der ich "die Dinge da draußen" so klar als für sich existierend zu erkennen meine. Richte ich den Fokus auf mich selbst und verwende dasselbe Verfahren wie bei der Blume an, so erkenne ich, dass auch ich selbst keineswegs selbstexistent, d.h. unabhängig von Bedingungen, Ursachen, Teilen bin. Und so offenbart sich mir das völlige Fehlen von Selbstexistenz meiner selbst und ich erkenne, dass das, was ich für mich hielt, ein Trugbild war. Manche nennen dieses Trugbild auch Ego. Auch die Wahrnehmung des Geschöpfs "Mensch" als für sich existierende Wesenheit ist so ein Trugbild, dass näherer Betrachtung nicht standhält.
Jetzt nehme ich statt der Blume als "Objekt" meiner Betrachtung Gott. Wenn ich stark gläubig bin, erscheint mir sofort ein lebhafter Eindruck von Gott als etwas Absolutes, Mächtiges, Unendliches und diese Erscheinung mag so gewaltig sein, dass ich überhaupt nicht auf die Idee komme, sie weiter zu hinterfragen, aus welchen Gründen auch immer. Traue ich mich es aber doch und trete näher an meine Wahrnehmung von Gott heran, kann ich viele Bedingungen finden, die notwendig sind, dass ich seine Existenz überhaupt wahrnehmen kann. Ich möchte hier nicht ins Detail gehen, denn ich denke, es ist leicht nachvollziehbar, dass eine ganze Menge an geistiger Vorstellung und Prägungen notwendig sind, um so ein starkes Gottesbild zu haben. Und so finde ich, dass meine Vorstellung von Gott keineswegs so festgefügt und frei von Bedingungen ist, wie sie mir als erstes erschienen ist. Ich muss einräumen, dass mein Begriff, was Gott sei, von unendlich vielen Faktoren abhängt. Somit habe ich auch hier gefunden, dass "Gott" keine selbstexistente Wesenheit ist, sondern durch und durch abhängig existiert: von meinen Ideen über ihn, von meinen Prägungen durch meine Erziehung, davon, was ich über ihn denke, was ich über ihn gelesen und gerlernt habe usw. "Gott" offenbart sich mir in gewisser Weise dadurch, dass er sich meines "Zugriffs" auf seine Selbstexistenz total entzieht, sobald ich versuche seinem Wesen möglichst nahe zu kommen. Je näher ich gehe, desto mehr verschwindet die Erscheinung eines unabhängig, für sich existierenden Gottes, der mit mir selber und meinen eigenen mentalen Prozessen nichts zu tun hat und es offenbart sich ein mir total nahe stehender Gott, der überhaupt keinen Abstand zu mir hat...
Offenbarung Gottes ist für mich genau das: ich erkenne, dass es nichts gibt, kein einziges Atom, dass aus sich selbst heraus existiert sondern alles in Bezug und Wechselwirkung zu einander steht. Das ergibt für mich eine ganz andere Konsequenz für mein Handeln, als wenn ich träume, ich sei ein für sich stehendes Indiviuduen, das mit der Umwelt nichts direkt zu tun hat, das meint, die Umwelt sie "irgendwo da draußen" und ich sei "irgendwo hier" - denn jetzt weiß ich, dass mein Handeln eingebunden ist in größere Zusammenhänge, dass ich nicht für mich allein da bin sonder unendlich "verwickelt" bin in allem was erscheint und geschieht, denn bei allem was da ist, ich bin immer dabei! Und so offenbart sich mir Gott, das Sein, indem es mir in jeder Sekunde zeigt, dass alles leer von Eigenexistenz ist, dass ich unendlich beteiligt daran bin, was ich sehe, was mir und der Umwelt geschieht und ich sehe direkt, wie unendlich nahe ich der Welt bin mit allen aus dieser Nähe folgenden Konsequenzen...