Nur wer sich selbst kennt ...

Ich zum Beispiel kann recht schlecht zuhören, wenn ich nicht "bei mir" bin. Sondern denke, nachfühle im Anderen, bewerte. In meinem Lebensweg war es nicht möglich, ein "guter Hörender" oder auch ein guter Zuhörer zu werden, ohne mich zunächst selbst zu erkennen.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich ein schlechterer Zuhörer wurde, als ich begann, "bei mir" zu sein. Vorher war ich ganz beim anderen, da konnte ich mich komplett ausblenden und war wirklich 200% beim anderen. Das geht nun nicht mehr so intensiv. Aber es ist gut so, denn ich werde mich nie mehr derart vereinnahmen lassen und grenze mich auch ab, will auch keine Einheit, eben wegen dieser Vereinnahmung. Ich finde, niemand hat das Recht, eine derart vollumfängliche Präsenz zu fordern, wo eben dann von dieser Einheit gesprochen wird. Das ist mir suspekt, eben weil ich weiß, wie ungut Einheit sein kann.
 
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Ich konnte früher durchaus helfen, weil ich Mitleid hatte und Mitgefühl. Aber heute, da ich weiß, daß ich im Grunde dieselben Gefühle habe wie mein Gegenüber und weiß, wie sie sich anfühlen, kann ich deutlich mitfühlender sein und kann dosieren, wieviel ich mitleide. Und dadurch kann ich die Einheit oder Symbiose, in die ich als Hörender gehe, gestalten.

Wenn wir beim ZEN bleiben: der Hörende ist der Gehörte. Aber: nur wenn der Hörende ganz bei sich ist und nicht im Anderen verschwindet, dann kann es zu einer Art Erhöhung des Gehörten kommen, durch die der Gehörte Hilfe erfährt. Zum Teil ja einfach nur durch das Zuhören und ein, zwei Worte, die man sagt. Und das erlebe ich eben als eine Art Einheit mit anderen Menschen. Sie entsteht aus Liebe. Und nicht, weil ich den anderen retten will oder sonstetwas mit ihm vorhabe, um mich selbst zu erhöhen.

Ja, es war Liebe bei mir. Ich habe so sehr geliebt, zu sehr. Mich selbst habe ich nicht erhöht, sondern mich einfach vergessen bei all der Liebe für andere. Dies auch im christlichen Selbstverständnis der Nächstenliebe.

Als ich mich endlich erkannte im Spiegel und wusste, dass ich jemanden vergessen habe bei all dem Umsorgen, wurde ich egoistischer. Das musste sein, sonst hätte ICH nicht überlebt. Es war einfach zu viel, was ich gab. Es hat mich sehr viel Kraft gekostet, zu viel Kraft. Aber ich neige immer noch dazu, mich an die letzte Stelle zu setzen für die Familie, das habe ich von meiner Mutter geerbt. Sie ist auch so selbst-los, das sagt jeder, der sie kennt. Sie hat es vorgelebt und ich musste zuerst lernen, ihre selbst-lose Spur zu verlassen, um mich selbst zu werden.

Heute könnte ich meiner Familie nicht mehr helfen, hätte ich nicht rechtzeitig zu mir selbst geschaut und mich so ausreichend aufgebaut, um alles Weitere tragen zu können. Denn ewig ohne Ich geht das einfach nicht. Sonst brennt man komplett aus. Symbiose nein, auch nicht dosiert. Das muss nicht sein. Auch keine Einheit. Es reicht, sich einfach so in aller Freiheit wahrzunehmen und den anderen in seiner Welt zu respektieren und zu schätzen. Das ist für mich eine wirklich erwachsene, gesunde Beziehung.
 
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich ein schlechterer Zuhörer wurde, als ich begann, "bei mir" zu sein. Vorher war ich ganz beim anderen, da konnte ich mich komplett ausblenden und war wirklich 200% beim anderen. Das geht nun nicht mehr so intensiv. Aber es ist gut so, denn ich werde mich nie mehr derart vereinnahmen lassen und grenze mich auch ab, will auch keine Einheit, eben wegen dieser Vereinnahmung. Ich finde, niemand hat das Recht, eine derart vollumfängliche Präsenz zu fordern, wo eben dann von dieser Einheit gesprochen wird. Das ist mir suspekt, eben weil ich weiß, wie ungut Einheit sein kann.
Das verstehe ich. Ebenfalls aus Erfahrung.

Ich persönlich habe es so erlebt, Lynn: erst ging es hinein in mich selber, so wie Du das auch erlebt zu haben scheinst. Aus dem Selbstverlorenen hinein in mein Ich. Eine Form von Abgrenzung, die zur Selbstfindung führt. Ein sehr schmerzlicher Prozeß, den Du sicher auch dann erfahren hast.
Ist das nicht ein Leid? Meine Güte!

Bei mir ist es erst mit 31 dazu gekommen, wie Du vielleicht weißt hatte ich eine Teilamnesie. Ich hatte etwa die ersten 12 Jahre meines Lebens vergessen, weil mein Vater verstorben war und ich ihn verdrängt hatte. Da ist dann nicht wirklich ein Ich übrig, wenn Du keine Kindheit kennst.

Und dann ging es etwa ab dem 30. Lebensjahr gemeinsam mit Krankheit hinein in dieses Ich. Ich fühlte mich dem Tode nahe, weil ich mich so verloren hatte. Und mein Ich hat dann eine gewisse Grösse bekommen, phasenweise auch eine gewisse Übergrösse entwickelt. Es war wie ein Gummi, das man spannt und dann nur an einem Ende loslässt: es schiesst über das festgehaltene ende hinaus.

Meine eigene Spiritualität - das ist halt bei jedem anders - geht aber weiter. Sie endet nicht im Ich. Das ist nicht mein Wunsch. Sondern sie will in die Einheit mit einem Du. Bei Ehepaaren habe ich das nur wenige Male erkannt, daher weiß ich, daß es wohl möglich ist mit einem anderen Menschen. Diese Paare, bei denen ich das wahrgenommen habe, waren steinalt, über 80. Und die waren daher über 60 Jahre zusammen. Ich kann nicht wissen, wie das ist, weil es mir nicht vergönnt ist, das zu erleben aber immerhin habe ich wahrgenommen, daß es das gibt. Natürlich war es dann auch unerträglich, wenn einer der Partner starb und der andere ist ihm nach kurzer Zeit gefolgt. Es gibt eine für mich sehr bewundernswerte Liebe zwischen Menschen, die ich tatsächlich bisher nicht erleben durfte. Es liegt aber eben auch daran, daß ich bin wie ich bin, das habe ich verstanden, ich strebe es daher auch nicht an.

Stattdessen will ich, wie Du vielleicht weißt, erfahren, wie es ist, eine spirituelle Einheit mit Jesus Christus und gott einzugehen, im Heiligen Geist dürfte das gelingen. Ich will nicht sagen, daß mein Geist heilig ist, aber er ist einigermaßen heil, ebenso meine Psyche. Ich bin mir der Eigenheiten meines Geistes und meiner Psyche bewusst und unterscheide Beide in mir säuberlich. Und doch merke ich, bei allem was "ich" bin und was "ich bin", daß mir eine Vereinigung noch bevorsteht, die ich noch nicht lebe. Die ich zwar erlebe, immer wieder, aber ich lebe sie noch nicht so, wie ich es könnte, sollte und möchte.

Daher habe ich wie naglegt diese Sehnsucht nach dieser Einheit. Wohlgemerkt nach dieser Einheit, und nicht nach irgendeiner anderen Einheit. Im Grunde weiß ich, daß ich diese Einheit während des Lebens wohl häufiger vermissen werde. Aber das sagt mir nur mein Verstand, der mich begrenzt und klein hält. Was ich wirklich erleben könnte, Lynn, das weiß ich persönlich nicht. Das weiß aber vielleicht Gott und es wissen sicher andere Menschen, die diese gleiche Einheit ebenfalls suchen. Ich verbinde es mit Freude und Glück, ich erfahre Beides auch, aber aufgrund meines Lebens noch nicht so, daß ich sagen könnte daß ich freudig und glücklich bin. Ich will aber gerne so sein, und das nicht nur, wenn ich anderen Menschen begegne (da schaffe ich es meist), sondern auch in mir selber, für mich selber. Für mich selber, nicht für mein Ich. Ich bin nicht mein Ich, das Grenzen hat und sich schützen muß und stark und autark sein muß - das habe ich alles ausgekostet und will es hinter mir lassen. Ich will, kann man sagen "wir" werden. Viel mehr ein Wir werden.

Und ich glaube das meint auch naglegt, wenn auch auf einer ganz anderen Ebene. Mag sein, daß ich ihn mißinterpretiere.

lg + Drückerli
 
Ja, es war Liebe bei mir. Ich habe so sehr geliebt, zu sehr. Mich selbst habe ich nicht erhöht, sondern mich einfach vergessen bei all der Liebe für andere. Dies auch im christlichen Selbstverständnis der Nächstenliebe.

Als ich mich endlich erkannte im Spiegel und wusste, dass ich jemanden vergessen habe bei all dem Umsorgen, wurde ich egoistischer. Das musste sein, sonst hätte ICH nicht überlebt. Es war einfach zu viel, was ich gab. Es hat mich sehr viel Kraft gekostet, zu viel Kraft. Aber ich neige immer noch dazu, mich an die letzte Stelle zu setzen für die Familie, das habe ich von meiner Mutter geerbt. Sie ist auch so selbst-los, das sagt jeder, der sie kennt. Sie hat es vorgelebt und ich musste zuerst lernen, ihre selbst-lose Spur zu verlassen, um mich selbst zu werden.

Heute könnte ich meiner Familie nicht mehr helfen, hätte ich nicht rechtzeitig zu mir selbst geschaut und mich so ausreichend aufgebaut, um alles Weitere tragen zu können. Denn ewig ohne Ich geht das einfach nicht. Sonst brennt man komplett aus. Symbiose nein, auch nicht dosiert. Das muss nicht sein. Auch keine Einheit.
Es reicht, sich einfach so in aller Freiheit wahrzunehmen und den anderen in seiner Welt zu respektieren und zu schätzen. Das ist für mich eine wirklich erwachsene, gesunde Beziehung.
Das ist so, ja. Das reicht. Ich freue mich für Dich, daß Du das so erreicht hast und leben kannst. Und auch für Deine Familie freue ich mich, denn sie muß in Dir dann eine gute Mutter haben.

Einheit - das kann ich jetzt nochmal besser vestehen und Du vielleicht auch, vielleicht auch naglegt- ist also hier rein spirituell zu verstehen.

lg
 
Wieso gucke ich eigentlich die ganze Zeit eine Werbesendung für Formuntersäche für Frauen?

Es muß an dem guten Gespräch liegen, Lynn, für das ich mich sehr bei Dir bedanke. Vielen, vielen Dank.
 
@Trixi Maus
Ja, ich fühle mich auch mit Gott verbunden, durchaus im Sinne von Apostelgeschichte 17,28: Denn wir alle leben und weben und sind in IHM.

Die gemeinsame Verbindung wäre für mich hier aber Gott und nicht die Menschen. Ich fühle mich Gott von Kind an verbunden, ich verspürte auch immer dieses Urvertrauen. Doch was den christlichen Einheitsgedanken betrifft, bin ich auch ein gebranntes Kind. Die Menschen - nicht Gott - schaffen Dogmen. Wer sich nicht daran hält an diesen Zwang der einheitlichen Denkweise, wird ausgeschlossen.

Doch ich persönlich glaube, dass jeder Mensch Gott nahe ist, auch wenn dieser nicht an IHN glaubt, was durchaus sein darf. Denn gerade das macht den Menschen aus, dass nämlich seine Gedanken frei sind. Jeder darf sein Leben so gestalten und definieren, wie er es für richtig hält. Ich persönlich glaube nicht an die Kirche - also diese Form von Einheit, sondern an eine persönliche, individuelle Verbindung zu Gott. Ich brauche keine anderen Menschen, um mich mit Gott verbunden zu fühlen.
 
@Trixi Maus
Ja, ich fühle mich auch mit Gott verbunden, durchaus im Sinne von Apostelgeschichte 17,28: Denn wir alle leben und weben und sind in IHM.

Die gemeinsame Verbindung wäre für mich hier aber Gott und nicht die Menschen. Ich fühle mich Gott von Kind an verbunden, ich verspürte auch immer dieses Urvertrauen. Doch was den christlichen Einheitsgedanken betrifft, bin ich auch ein gebranntes Kind. Die Menschen - nicht Gott - schaffen Dogmen. Wer sich nicht daran hält an diesen Zwang der einheitlichen Denkweise, wird ausgeschlossen.
Da gibt es je nach Kirche sicherlich Mängel, ja. Aber das gilt nicht nur in der Kirche. Es gilt ganz allgemein: je mehr Tradition vorhanden ist, umso weniger werden neuere Werte akzeptiert. Das ist kein kirchliches Phänomen, meine ich, sondern ein gesellschaftliches, das sich auch in der Kirche zeigt.

Doch ich persönlich glaube, dass jeder Mensch Gott nahe ist, auch wenn dieser nicht an IHN glaubt, was durchaus sein darf.
Ich würde es andersherum formulieren: nicht jeder Mensch ist Gott nahe, sondern Gott ist nahe bei jedem Menschen. Aber wenn ein Mensch nicht an Gott glaubt, ist dieser Mensch auch nicht nahe bei Gott. Ohne spirituelle Praxis rund um Gott ist das m.E. nur eine bequeme Vorstellung, die man gerne hätte. Gott für lau sozusagen. Umsonst und kostenlos. Bitte bloß ohne Auseinandersetzung mit mir selber und schon gar nicht mit irgendwelchen Geboten, wie ich mich zu verhalten hätte oder was "besser" wäre.

Denn gerade das macht den Menschen aus, dass nämlich seine Gedanken frei sind. Jeder darf sein Leben so gestalten und definieren, wie er es für richtig hält. Ich persönlich glaube nicht an die Kirche - also diese Form von Einheit, sondern an eine persönliche, individuelle Verbindung zu Gott. Ich brauche keine anderen Menschen, um mich mit Gott verbunden zu fühlen.
Gerade diese individuelle Verbindung zu Gott will ja aber die Kirche jedem einzelnen Menschen vermitteln. Wenigstens der christliche gott ist ja ein persönlicher Gott, der sich innendrin jedem einzelnen zeigt, wenn es mal dunkel im Leben wird und man sich ernsthaft zu ihm hinwendet.

Niemand glaubt hoffentlich an die Kirche. Da sind nur ganz normale Menschen wie Du und ich - wieso sollte ich an diese Menschen mehr glauben als an meine Nachbarin.

lg
 
@Trixi Maus
Wenn Gott jedem Menschen nahe ist, wäre es doch umgekehrt logisch, dass der Mensch (wenn auch unbewusst) in diesem Nahesein Gottes lebt und folglich nicht entfernt von ihm sein kann, vor allem wenn Gott die Quelle allen Lebens darstellt. Aber das ist meine persönliche Sichtweise. Wenn z. B. ein Atheist einwendet, dass er nicht von mir in Gottes Nähe gerückt werden möchte, dann ist das für mich okay. Ich brauche das nicht dogmatisch zu ordnen. Es reicht doch eigentlich, wenn ich es für mich persönlich und meine Lieben ganz individuell innerlich so verankere. Ich muss nicht einmal darüber großartig reden. So ist einfach mein Empfinden aus der Intuition heraus. Überhaupt vertraue ich mehr auf meine Intuition als auf irgendwelche Lehren von Kirchen. Eine solche brauche ich nicht, auch wenn ich durchaus einen Kirchgänger respektieren kann, wenn das für ihn das Richtige ist. Die Kirchen vermitteln jedoch auch Dogmen, die ich nicht für richtig halte. Zu viele Wertungen anderer Menschen, auch wieder ein Stufensystem, wer Gott näher sein soll. Davon halte ich nichts.

Ja, ich denke, Gott ist tatsächlich kostenlos für alle Menschen da.
 
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Es wird wie eine allgemein anerkannte Gesetzmäßigkeit postuliert, schon vom Titel her.
Aber es ist ein KANN Gesetzt - kein MUSS Gesetz wie Du meinst zu fühlen.
Es ist etwas, was die MÖGLICHKEIT eröffnet (siehe meinen Beitrag 1), nicht behauptet zu wissen, wie Du tickst.
 
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