Es hat immer Worte gegeben, die früher entweder nicht als diskriminierend empfunden wurden und/oder auch nicht diskriminierend gemeint waren. Es ist aber meiner Meinung nach erstmal irrelevant, was vor hundert Jahren gut oder nicht gut gemeint war. Wir leben heute und um die heute lebenden Menschen und den Respekt ihnen gegenüber geht es.
Wenn die Nachbarin wegen Depressionen in einer Psychiatrischen Klinik eine Therapie macht, ist es verletztend zu der Tochter zu sagen "Deine Mutter ist in der Irrenanstalt, nicht wahr?" Einfach, weil wir das Wort Irrenhaus und Irre für psychische Erkrankungen heute als diskriminierend empfinden. Und da ist es völlig egal, ob meine Oma die Aussage "Elsa von nebenan ist irre" völlig wertfrei meinte.
Genauso nennt man körperlich Behinderte nicht mehr Krüppel. Die Bezeichnung Krüppel war bis Mitte des 20. Jahrhunderts normal, heute ist sie beleidigend.
Wenn man mal die Bezeichnungen betrachtet, die einen im eigenen Alltag verletzen (würden), die aber vor hundert Jahren noch normal waren, dann versteht man vielleicht etwas besser, warum manche Ausdrücke, die im eigenen Leben keine Rolle spielen, für einen anderen Menschen jedoch verletzend sind.
Ich verstehe aber auch, wenn jemand vom sprachlichen Glatteis spricht. Mir geht es in vielen Dingen auch so, dass ich nicht weiß, was ist jetzt korrekt und was nicht. Oder mich holt die eigene Gewohnheit auch immer wieder ein. Ich bin beispielsweise mit dem Wort Negerkuss aufgewachsen und denke und spreche es auch heute häufig noch gedankenlos aus.
Teilweise macht es mich aber auch ärgerlich, wenn hinter einem Wort auf Teufel komm raus eine Diskriminierung gewittert wird. Zum Beispiel das Ersetzen des Wortes "Schwarzfahren" der Verkehrsbetriebe München und Berlin durch ein anderes Wort, da "Schwarzfahrer" rassistisch sei und manche Menschen es als beleidigend empfinden könnten. Der Ausdruck "Schwarzfahren" hat seinen Ursprung aber nicht in der Annahme, dass nur farbige Menschen ohne Fahrkarte fahren. Das Wort hat etymologisch nichts mit der Farbe schwarz zu tun, es kommt vom jüdischen Wort "shvarts", was "Armut" bedeutet. Der Begriff Schwarz wurde zum Synonym für illegale Tätigkeiten wie Schwarzarbeit, Schwarzmarkt oder eben auch Schwarzfahren. Meiner Meinung nach fördern solche Aktionen nicht die Toleranz zur Änderung der eigenen Sprache.